Abschied der Eisenacher Synode (1556) – Einleitung
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1. Historische Einleitung
Im Juni 1554 fand eine Visitation der ernestinischen Lande in statt. Geistliche Mitglieder der Visitationskommission waren ,Vgl. unten Abschnitt 2.2. ,Vgl. unten Abschnitt 2.3. , am 1. November 1495 in geboren, war nach Studien in und zunächst 1520 Prediger in ; 1522 wurde er durch die österreichische Regierung vertrieben und fand Zuflucht im bei . 1523/24 wirkte er als Prediger in der Reichsstadt , ab 1526 als Pfarrer im nassauischen , wo er jeweils die Einführung der Reformation unterstützte. Wohl ab 1528 war Professor der Heiligen Schrift an der Universität Marburg, bald auch Hofprediger des , den er auf die Reichstage 1529 in und 1530 in begleitete. 1534 wurde zusammen mit mit der Durchführung der Reformation in beauftragt. 1544 wurde Theologieprofessor in , 1549 in , wobei er zugleich die Superintendentur innehatte. starb am 1. November 1558 in . Vgl. . und Johann Stoltz.Johann(es) Stoltz(ius), geboren um 1514 in Wittenberg, studierte ab 1533 an der Leucorea, wurde am 18. September 1539 zum Magister artium promoviert, am 21. Sept. 1539 zum Diaconus in Jessen ordiniert, war aber ab 30. November 1539 als Erzieher des späteren Kurfürsten August von Sachsen in Dresden tätig; 1540 setzte er seine Universitätslaufbahn fort und wurde Ende 1543 Professor für das Pädagogium, 1547 schießlich Hofprediger in Weimar. Von ihm stammt die Konzeption der Jenaer Lutherausgabe. Stoltz starb am 15. Juli 1556 in Weimar. Vgl. Junghans, Verzeichnis der Professoren, 257. Erfahrungen bei der Visitation in Weimar brachten Amsdorf und Stoltz zu der Forderung, alle Kommissionsmitglieder sollten eine bestimmte Auswahl theologischer Schriften wegen darin enthaltener adiaphoristischer und majoristischer Irrtümer förmlich verurteilen. Justus Menius allerdings verweigerte die Zustimmung zur Verurteilung insbesondere der inkriminierten majoristischen Schriften und geriet durch diese Weigerung in den Verdacht, selbst ein Anhänger Majors zu sein.Er bestand auch in der Folgezeit darauf, auf eine Anfrage des Rates der Stadt Nordhausen aus dem Spätjahr 1554 betreffs der majoristischen Streitigkeiten unter der Nordhäuser Geistlichkeit ein separates Gutachten abzugeben, da man ihn neben Stolz und Schnepf um seine Meinung gebeten hatte. Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 115f, Anm. 152: Schnepf und Stolz befanden sich zu jener Zeit im Rahmen der von Johann Friedrich II. für Thüringen ausgeschriebenen Visitation in Gotha, wo sie ihrerseits in eben diesen Fragen mit Justus Menius zu verhandeln hatten, dem untersagt worden war, auf die Anfrage aus Nordhausen zu antworten, [d]er sich daran jedoch nicht zu halten dachte . Tatsächlich brachte Menius – wohl nicht zuletzt aufgrund seines ausgeprägten Interesses an Fragen der Ethik – dem positiven Anliegen Majors einiges Verständnis entgegen. Amsdorf hingegen sah die Aussage Majors, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit, nicht nur in unheilvoller Nähe zum Augsburger Interim und zur Leipziger Landtagsvorlage, sondern vor allem damit zugleich auch in schärfstem Gegensatz zur Rechtfertigungslehre Luthers. Darum erschien die Aussage Majors für Amsdorf völlig unannehmbar. Tatsächlich könne der Mensch absolut nichts zu seiner Recht2fertigung vor Gott beitragen, sondern sei voll und ganz auf die Gnade Gottes in Christus angewiesen, die der vom Heiligen Geist gewirkte Glaube ergreife. Gute Werke seien Früchte des Glaubens, die der durch Christus allein aus Gnade gerechtfertigte Mensch zum Lobe Gottes und als Dienst am Nächsten hervorbringe. Menius hielt jedoch daran fest, dass diejenigen, die allein aus Gnade durch den Glauben an Christus Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben erhalten haben, als Wirkung des Heiligen Geistes notwendig gute Werke hervorbringen müssten, wenn anders sie die Gnadengüter nicht wieder verlieren wollten. Letztlich bestehe keine wirkliche inhaltliche Differenz, sondern es gehe lediglich um eine forma loquendi.
Die Auseinandersetzungen verschärften sich in der Folgezeit,Insbesondere waren wohl zwei neue Veröffentlichungen des Menius vom Jahresanfang 1556 dafür verantwortlich: Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius. || [kreisrunde Vignette: Christus am Kreuz, im Hintergrund vmtl. Jerusalem] || Psalm: 90. || Lere vns bedencken / das wir || sterben muͤssen / auff das wir klug || werden. || Wittemberg. || 1556. (VD 16 M 4590); – Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. || Selig sind die augen / die da || sehen / das jr sehet. || Psalm CXIX. || Redime me à calumnijs || hominum. || M. D. LVI. [Im Kolophon: Gedruckt zu || Wittemberg || durch Geor= || gen Rhawen || Erben. || M. D. L VI.] (VD 16 M 4597) [beide Texte sind im selben Druck enthalten mit durchgehenden Lagenbezeichnungen; ein Erfurter Druck von Gervasius Stürmer aus demselben Jahr ist verzeichnet unter VD 16 M 4589 (mit VD 16 M 4596)]. so dass für den 2. bis 7. August 1556 von den ernestinischen Herzögen zu einer Synode nach Eisenach geladen wurde, die dazu dienen sollte, die Streitigkeiten unter den führenden Theologen des Landes beizulegen.Zum Verlauf vgl. die Darstellung bei G. L. Schmidt, Menius II, 203–237; Richter, Gesetz und Heil, 142–149. Herzog Johann Friedrich der Mittlere präsidierte in eigener Person. Wie aus den Unterschriften unter dem Synodalbeschluss hervorgeht,Mitgeteilt bei G. L. Schmidt, Menius II, 236. nahmen außer Justus Menius folgende Theologen an der Zusammenkunft teil:Zum jeweiligen Lebensgang der im folgenden genannten Theologen vergleiche Abschnitt 2 dieser Einleitung. – Erhard Schnepf unterzeichnete den Synodalabschied nicht, war also mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Synode nicht zugegen, obwohl er an der Visitation teilgenommen hatten. Johann Stoltz war kurz zuvor verstorben. Nikolaus von Amsdorf, Victorinus Strigel, Maximilian Mörlin, Andreas Hügel, Kaspar Molitor, Johannes Aurifaber, Johannes Albinus und Johann Stössel. Die Verhandlungsführung auf der Synode lag anscheinend maßgeblich bei Victorin Strigel, der auch als Hauptverfasser des Synodalbekenntnisses angesehen wird.Richter, Gesetz und Heil, 150, Anm. 143: Obgleich Strigel die Thesen des Synodalabschieds und deren Erklärungen vermutlich weitgehend selbstständig ausgearbeitet hatte, bleibt offen, inwieweit er sich an eventuell schon vorliegenden Bekenntnissen orientiert hat. Besonders interessiert dabei die niedersächsische Sententia aus dem Jahr 1553. [vgl. Anm. 11]. Er disputierte mit Menius über die Thesen, die dann mit Erläuterungen Eingang in das Abschlussdokument fanden. Strigel stand zwar grundsätzlich auf Seiten Amsdorfs und suchte Menius zum Einlenken bzw. zum Widerruf zu bewegen, allerdings ließ er sich doch von Menius überzeugen, dass die inkriminierte Aussage, gute Werke seinen nötig zur Seligkeit, nicht rundweg verworfen3 werden dürfe.Zumal Menius auch auf eine Stellungnahme der Pfarrer aus Hamburg, Lübeck, Lüneburg und Magdeburg im majoristischen Streit verweisen konnte: SENTENTIA || MINISTRORVM CHRISTI IN || Ecclesia Lubecensi, Hamburgensi, Luneburgen= || si & Magdeburgensi, de corruptelis doctri= || nae iustificationis, quibus D. Georg. || Maior adserit, || Bona opera esse necessaria ad salutem. || Neminem unquam saluatum esse sine || bonis operibus. || Impossibile esse quenquam sine bonis || operibus saluari. || [Magdeburg 1553]. (VD 16 S 5883). Denn nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift fordere das von Gott gegebene Gesetz Gehorsam, der mit Drohungen und Verheißungen verbunden sei. Der Gehorsam äußere sich im Tun der Werke des Gesetzes. Nun sei zwar kein (bloßer) Mensch in der Lage, die geforderte Gesetzeserfüllung zu leisten, aber abstractive et de idea, also rein theoretisch, könne man im Rahmen der Lehre vom Gesetz (in doctrina legis) – nicht aber im Rahmen der Rechtfertigungspredigt! – sehr wohl davon sprechen, dass Gesetzeserfüllung Seligkeit bringe. Denn wäre der Gehorsam gegenüber dem Gesetz nicht grundsätzlich nötig zur Seligkeit, so könnte niemand im Sinne des usus theologicus bzw. elenchthicus legis vom Gesetz verklagt werden, und wir bedürften der Erlösung durch Jesus Christus nicht.
Auch wenn darauf verwiesen wird, dass man wegen der Missverständlichkeit des Satzes in Predigt und Katechese darauf verzichten sollte, so wird er doch immerhin für die theoretische Erörterung im akademischen Diskurs zugelassen und also nicht rundheraus verworfen.
Die Synode führte nicht zur beabsichtigten Schlichtung oder Beilegung des Streits, das Synodalbekenntnis wurde auch zunächst nicht durch den Druck veröffentlicht. Denn Nikolaus von Amsdorf hatte sich bereits während der Synode und unmittelbar danach gegen den Abschied gewandt (obwohl er sich zunächst zur Unterschrift verstanden hatte). Er riet von einer Veröffentlichung ab. Der Weimarer Hof wandte sich an Matthias Flacius Illyricus und erbat eine Stellungnahme zu dem Abschied. Flacius hatte schon sehr früh Kenntnis vom Ergebnis der Synode erhalten, er stand darüber im Briefwechsel mit Amsdorf in Eisenach, Anton Otho in Nordhausen und Andreas Poach in Erfurt. Auch Flacius, der gemeinsam mit Johann Wigand sein Gutachten erstellt hatte, riet dazu, den Text vorerst nicht zu veröffentlichen, obwohl er ihn im wesentlichen billigte. Allerdings kursierte das Synodalbekenntnis abschriftlich. Und so konnte insbesondere die erste These Anlass geben für neue Auseinandersetzungen um die Frage, wie angemessen vom Gesetz zu predigen sei, wie Gesetz und Evangelium zu unterscheiden seien, welche Funktionen ihnen jeweils zukämen etc. Die These gilt als Ausgangspunkt für die dritte Phase des sogenannten Antinomistischen Streits. Dieser blieb allerdings zunächst auf der Ebene handschriftlich gewechselter Stellungnahmen und lokaler Streitgespräche, ehe schließlich doch eine breitere Öffentlichkeit durch den Druck von den Auseinandersetzungen Kenntnis und genauere Einblicke erhielt. Erst im Zuge dieser späteren Phase der Streitig4keiten veröffentlichte dann Matthias Flacius Illyricus das Dokument als Beilage in seiner unten genannten Sammlung.
Während bei anderen Streitigkeiten in der Regel eine spezifische Fragestellung unterschiedlich beantwortet wird, drängt sich im Falle der dritten Phase des antinomistischen Streits der Eindruck auf, dass hier unterschiedliche Auseinandersetzungen zusammengefasst sind, die – nicht zuletzt im Zusammenhang der majoristischen Streitigkeiten – an unterschiedlichen Orten aufbrachen und unterschiedliche Teilaspekte eines Fragenkomplexes zum Gegenstand hatten: Fragen um Gesetz und Evangelium, deren Bestimmung, Unterscheidung und jeweilige Aufgabe, und um die unterschiedlichen Formen des Gesetzesgebrauchs. Symptomatisch dafür ist die Uneindeutigkeit der Bezeichnung Antinomer, die Otho in seinem Gütlichen Bericht vor Augen führt.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5.
2. Der Autor und die Unterzeichner
2.1 Victorin Strigel
Verfasst wurde das Synodalbekenntnis wahrscheinlich im Wesentlichen von Victorin Strigel, der auch die Verhandlungen leitete. ErZum Folgenden vgl. Ernst Koch, Art. Strigel, in: TRE 32 (2001), 252–255. wurde im Dezember 1524 als Sohn eines Arztes in Kaufbeuren geboren und besuchte die Schule in Augsburg. Nach Studien in Freiburǥ/Breisgau ab 1538 bezog er nach einem Sommersemester in Leipzig im Oktober 1542 die Universität Wittenberg, wo er am 4. September 1544 zum Magister promoviert wurde. Er blieb in seiner weiteren Wirksamkeit geprägt durch seinen akademischen Lehrer Melanchthon. Während des Schmalkaldischen Kriegs ging er nach Magdeburg und Erfurt, wo er Vorlesungen hielt, anschließend nach Jena, wo er 1548 an der Gründung des Gymnasium academicum beteiligt war, aus dem die Universität hervorging.Nachdem infolge der Niederlage Johann Friedrichs I. von Sachsen im Schmalkaldischen Krieg der Kurkreis Wittenberg mitsamt der Universität ebenso wie die Kurwürde an den albertinischen Zweig des Hauses Wettin gefallen war, sollte in Jena eine neue Universität für die verbliebenen ernestinischen Lande entstehen, die das unverfälschte Erbe Luthers bewahren sollte. Strigel wurde Professor und Rektor an der neu gegründeten Universität. 1557 war er an der Erarbeitung des Weimarer Konfutationsbuches beteiligt; die Unterzeichnung der Endfassung, die durch die Redaktion von Matthias Flacius deutlich verschärft worden war, lehnte Strigel jedoch ab und wurde, ebenso wie Andreas Hügel, im März 1559 verhaftet und suspendiert; im September wurde er aus der Haft entlassen, mit der Auflage, in Jena zu bleiben. Eine Disputation am Weimarer Hof vom 2. bis 8. August 1560 brachte kein Ergebnis. Nach der Entlassung von Flacius und dessen Freunden aus der theologischen Fakultät Jena im Spätherbst 1561 wurde Strigel rehabilitiert und am 24. Mai 1562 wieder in seine Professur5 eingesetzt. Dazu trug er bei durch eine Deklaration, die insbesondere einen Kompromiss in der Lehre vom freien Willen enthielt. Im Oktober 1562 ging er gleichwohl als Professor nach Leipzig. Mit dem Regierungsantritt Herzog Johann Wilhelms 1567 wurde Strigels Deklaration von 1562 verworfen, und im Rahmen einer Visitation wurde von allen ernestinischen Pfarrern und Professoren die Zustimmung zu dieser Verwerfung verlangt. Die Hinwendung Strigels zu einer spiritualisierenden Sakramentstheologie im Anschluss an Augustin führte dazu, dass ihm am 8. Februar 1567 das Betreten des Hörsaals untersagt wurde; am 11. März 1567 wurde er entlassen. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Amberg (Oberpfalz) berief ihn Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz nach Heidelberg auf den Ethiklehrstuhl der Artesfakultät. In Heidelberg, wo er zum Calvinismus übergegangen sein soll, starb Strigel am 26. Juni 1569.
2.2 Nikolaus von Amsdorf
Nikolaus von Amsdorf wurde am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren. Seit etwa 1497 besuchte er die Thomasschule in Leipzig, seit 1500 die dortige Universität. 1502 wechselte er an die Universität Wittenberg, mit deren Organisation sein Onkel Johann von Staupitz beauftragt war. Bis 1524 blieb Amsdorf im akademischen Lehramt. Seit 1516 kam er in näheren Kontakt zu Martin Luther und stand ihm in entscheidenden Situationen seines Lebens zur Seite, so bei der Leipziger Disputation 1519 und auf dem Reichstag zu Worms 1521. Im Jahre 1524 folgte er einem Ruf als Superintendent und Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg. Dort war er achtzehn Jahre lang tätig, um die Stadt vollends der Reformation zuzuführen. Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg als erster evangelischer Bischof in sein Amt eingeführt, auf Druck Johann Friedrichs I. von Sachsen und gegen den Willen des Kapitels, das bereits Julius von Pflug gewählt hatte. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1547 musste Amsdorf sein Bistum verlassen. Er hielt sich zunächst am Hof in Weimar auf, dann ab 1548 wieder in Magdeburg, wo er den publizistischen Kampf gegen das Augsburger Interim und insbesondere gegen die Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim) unterstützte.Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 6 und Nr. 7, und Bd. 2, Nr. 8. Ab 1552 lebte Amsdorf in Eisenach, wo die ernestinischen Herzöge ihm einen in materieller Hinsicht sorgenfreien Lebensabend ermöglichten. Von Menius hatte er die Eisenacher Superintendentur übernommen, fungierte aber anscheinend als eine Art Generalsuperintendent oder Landesbischof im ernestinischen Thüringen.Er hat nach G. L. Schmidts Version der Unterschriftenliste (vgl. Anm. 8) als Bischof unterzeichnet. Vgl. außerdem v. a. Gehrt, Erzbischof.
Amsdorf war frühzeitig und entschieden gegen Georg Majors Auffassung, gute Werke seien nötig zur Seligkeit, publizistisch vorgegangen (vgl. unsere Ausgabe Bd. 3, Nr. 1 und Nr. 2, später Nr. 13), dementsprechend war er6 nicht willens, ihre Verbreitung in seinem Einflussbereich zu dulden. Er starb am 14. Mai 1565.
2.3 Justus Menius
Jost (Jodocus) Menig, latinisiert Justus Menius,Vgl. Martin Hein, Art. Menius, in: TRE 22 (1992), 439–442. wurde am 13. Dezember 1499 in Fulda geboren. Schon zu Ostern 1514 wurde er an der Universität Erfurt immatrikuliert und trat in Verbindung zu dem Humanistenkreis um (seinen Onkel?) Conradus Mutianus Rufus und später Helius Eobanus Hessus. 1516 erwarb er den Grad eines Magisters. Nach dem Studium in Erfurt und Wittenberg und nach Predigtstellen in Mühlberg (zwischen Arnstadt und Gotha), Erfurt und Gotha war Menius von 1529 bis 1552 zunächst Diakon, dann Pfarrer und Superintendent in Eisenach; nach dem Tode seines Freundes Friedrich Myconius 1546 übernahm er zusätzlich die Superintendentur Gotha, die er – im Vorfeld des Konvents zeitweilig amtsenthoben – bis 1556 innehatte. Auf Vermittlung von Melanchthon und Joachim Camerarius d. Ä. ging er 1557 als Prediger an die Leipziger Thomaskirche. Am 11. August 1558 starb er in Leipzig. Neben zahlreichen Gelegenheitsschriften veröffentlichte Menius auch biblischexegetische Werke und übersetzte mehrere Schriften Luthers aus dem Lateinischen ins Deutsche, so den großen Galaterkommentar von 1535.
2.4 Maximilian Mörlin
Maximilian Mörlin,Vgl. Julius August Wagenmann, Art. Mörlin, Maximilian, in: ADB 22 (1885), 325. geboren am 14. Oktober 1516 in Wittenberg, Bruder von Joachim Mörlin, war nach dem Studium an der Leucorea und nach verschiedenen Stationen als Prediger schließlich seit 1544 Hofprediger und seit 1548 Superintendent in Coburg; 1546 war er an der Leucorea zum Dr. theol. promoviert worden. Er half bei der Einführung der Reformation in BadenDurlach 1556 und war 1557–1558 Mitarbeiter am Weimarer Konfutationsbuch; um 1561/62 riet er Herzog Johann Friedrich dem Mittleren von Sachsen zur Einsetzung eines Konsistoriums in Weimar, dessen erster geistlicher Assessor er dann auch wurde. 1570 ging er, bei Herzog Johann Wilhelm von Sachsen in Ungnade gefallen, als Hofprediger des Grafen Johann VI. von Nassau nach Dillenburg, wo er sich erfolglos bemühte, den Übergang zum reformierten Bekenntnis zu verhindern. 1573 wurde er nach Coburg zurückberufen, wo er am 20. April 1584 starb.
2.5 Andreas Hügel
Andreas HügelVgl. Heinz Scheible, MBW 12, 333f. wurde um 1500 im bayerischen Teil der Diözese Salzburg geboren und war zunächst Priester. Ende 1538 wurde er, inzwischen verheiratet, Prediger in Amberg; auf Befehl des Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz wurde er im Oktober 1539 entlassen: am 5. Februar 1540 wurde er in7Wittenberg zum Magister promoviert und war – mit kurzen Unterbrechungen – Diaconus unter Johannes Bugenhagen, bis er 1548 zum Pfarrer an St. Katharinen in BrandenburgNeustadt berufen wurde. Da er die Annahme des Interims in der von Kurfürst Joachim II. von Brandenburg rezipierten Form ablehnte, wurde er im Februar 1549 entlassen. Hügel wurde Pfarrer in Jena, am 4. Februar 1558 auch Superintendent. Im März 1559 wurde er wegen seiner Ablehnung des Weimarer Konfutationsbuchs mit Victorin Strigel verhaftet und auf der Leuchtenburg, danach bis Anfang September auf dem Grimmenstein gefangengehalten. 1562 wurde er Pfarrer und Superintendent in Orlamünde, wo er, 1570 entlassen und 1573 wieder eingesetzt, am 16. September 1578 starb.
2.6 Kaspar Molitor
Caspar Molitor (Moller), Magister, Pastor in Orlamünde, ist nachzuweisen 1550 bis 1565.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 465[b].
2.7 Johannes Aurifaber Vinariensis
Johannes AurifaberVgl. Gustav Kawerau, Art. Aurifaber 3. Johannes, Vinariensis, in: RE³ 2 (1897), 290–293; Helmar Junghans, Art. Aurifaber, in: TRE 4 (1979), 752–755. (Goldschmidt) wurde wahrscheinlich 1519 in der Grafschaft Mansfeld geboren,So G. Kawerau in RE³ 2 (1897), 290; Junghans, TRE 4 (1979), 752, nimmt im Anschluss an Jauernig Weimar als Geburtsort an; aber der Beiname Vinariensis zur Unterscheidung von dem fast gleichaltrigen J. A. Vratislaviensis dürfte erst aus der Zeit am Weimarer Hof stammen, während das Mansfelder Stipendium für eine Herkunft aus der Grafschaft spricht. studierte seit 1537 mit Unterstützung des Grafen Albrecht von Mansfeld in Wittenberg, wo er ab 1540 Lehrer zweier Mansfelder Prinzen wurde, später diente er als Feldprediger Vollrads von Mansfeld in Frankreich. 1545 kehrte er nach Wittenberg zurück und wurde Luthers Famulus, er sammelte Schriften Luthers und schrieb Predigten und Vorlesungen mit. Im Schmalkaldischen Krieg war Aurifaber Feldprediger Johann Friedrichs von Sachsen, den er zeitweilig in seine Haft begleitete; im Herbst 1547 kam er als Assistent des Hofpredigers Johann Stoltz nach Weimar, 1550 wurde er zweiter, nach Stoltzens Tod 1556 – und nach Stössels Weggang? – einziger Hofprediger. Neben Flacius war Aurifaber an der Schlussredaktion des Weimarer Konfutationsbuchs beteiligt. Am 22. Oktober 1562 wurde er entlassen und wandte sich nach Eisleben, wo er Muße zur Herausgabe weiterer Lutherschriften fand, nachdem er bereits seit 1553 an der Vorbereitung der ab 1556 erscheinenden Jenaer Ausgabe mitgewirkt hatte. Ende 1565 übersiedelte er wegen der Pest nach Erfurt, wo er 1566 als Pfarrer an die Predigerkirche berufen wurde. Im selben Jahr erschien seine8 Sammlung von Tischreden Luthers zum ersten Mal.Tischreden || Oder || COLLOQVIA DOCT. || Mart: Luthers / So er in vielen || Jaren / gegen gelarten Leuten / auch frembden Ge= || sten / vnd seinen Tischgesellen gefGret / Nach || den Heubtstuͤcken vnserer Christli= || chen Lere / zusammen || getragen. || [umgekehrtes Pikblättchen] || Johan. 6. Cap. || Samlet die vbrigen Brocken / Auff das nichts vmbkome. || Gedruckt zu Eisleben / bey || Vrban Gaubisch. || 1566. (VD 16 L 6748). Johannes Aurifaber, seit 1572 Senior des geistlichen Ministeriums der Stadt, starb am 18. November 1575 in Erfurt.
2.8 Johann Albinus (Weiß)
Johannes Albinus (Weiß) wurde 1546 Pfarrer in Eisenach, als Menius die Gothaer Superintendentur übernahm, und ist nachzuweisen in den Jahren 1536 bis 1556.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 458[a].
2.9 Johann Stössel
Johann Stössel,Vgl. Gustav Kawerau, Art. Stössel, in: RE³ 19 (1907), 59–61. geboren am 23. Juni 1524 in Kitzingen, studierte in Wittenberg, wo er 1549 den Magistergrad erwarb, und in Jena. Von Herzog Johann Friedrich dem Mittleren wurde er als Hofprediger nach Weimar berufen und nahm mit Maximilian Mörlin an der Einführung der Reformation in BadenDurlach teil, wobei er sich als Eiferer für das reine Luthertum hervortat. 1557 trat er entsprechend beim Wormser Religionsgespräch auf. Stössel wurde Superintendent in Heldburg und war an der Abfassung des Weimarer Konfutationsbuchs 1558 beteiligt. 1560 disputierte er in Heidelberg gemeinsam mit Maximilian Mörlin für die lutherische Abendmahlslehre. 1561 wurde Stössel Superintendent in Jena und wandte sich von seiner streng gnesiolutherischen Position ab. Er betrieb die Absetzung der Professoren Flacius und Wigand, in der Folge übernahm er selbst 1562 eine theologische Professur. Seine Maßnahmen führten zur Entlassung von etwa vierzig flacianisch gesinnten Pfarrern.1567 rief sie Herzog Johann Wilhelm wieder zurück. Im Juli 1564 wurde er zum ersten jenaischen Doktor der Theologie promoviert. Als die Gnesiolutheraner erneut die Oberhand gewannen, soll Stössel am 16. Juni 1568 heimlich Jena verlassen haben. Auf Vermittlung des Kurfürsten August wurde er Superintendent in Mühlhausen, dann in Pirna, außerdem wurde er zum Kirchenrat und kurfürstlichen Beichtvater ernannt. Der Hofprediger Georg ListheniusGeorg List (Lysthenius, Listhenius), *1532 in Naumburg, Gymnasium ebd., Stiftsschule Zeitz, 1549 Univ. Jena, Univ. Wittenberg (Mag.), kurze Tätigkeit als Kantor in Wolkenstein, 1552 Pfr. in Graslitz (Böhmen), 1556 (oder 1561) in Roßbach bei Freyburg/Unstrut, ab 1566/7 Diakon in Weißenfels, 1572 Superintendent in Liebenwerda, ab 1573 in Dresden 2. Hofprediger, (1574 1. Hofprediger?), nach seiner Entlassung 1586 ab 1587 Pfr., 1590 Superintendent in Weißenfels; dort trat er gegen die angeordnete Abschaffung des Exorzismus bei der Taufe ein und konnte sich einer Verhaftung durch Flucht nach Magdeburg entziehen. Nach dem Tode des Kurfürsten Christian I. († 25. Sept. 1591) wurde er wieder in sein Amt als Hofprediger eingesetzt. Er starb am 27. Februar 1596 und wurde in Weißenfels beerdigt. Vgl. SPB II, 540; Hasse, Zensur, 304–319.9 machte Stössel des Kryptocalvinismus verdächtig. Ende März 1574 wurde Stössel daraufhin zunächst in Pirna unter Hausarrest gestellt, im August dann auf die Festung Senftenberg verbracht, wo er am 18. Februar 1576 nach längerer Krankheit verstarb.
3. Inhalt
Die Aussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig, hat Zwiespalt und Ärgernisse in der Kirche ausgelöst. Darum haben die (ernestinischen) Herzöge Sachsens eine Synode nach Eisenach einberufen, die sieben Artikel zu der Frage verabschiedete. Das Ergebnis wurde in ein kurzes Bekenntnis gefasst, um es Zeitgenossen und Nachfahren mitzuteilen:
1. Artikel: Abstractive und de idea könnte die Aussage Gute Werke sind nötig zur Seligkeit hingenommen werden, jedoch soll sie aus gewichtigen Gründen nicht in der Predigt oder in Lehrschriften gebraucht werden, denn sie ist missverständlich und missdeutbar, nicht ausdrücklich in der Schrift enthalten und geeignet, Gesetz und Evangelium zu vermischen.
2. Artikel: In der Rechtfertigungslehre soll man die Aussage keinesfalls gebrauchen, um die Ehre Christi nicht anzutasten.
3. Artikel: Gute Werke gehören zum neuen Gehorsam der Glaubenden, als Früchte des Glaubens, aber der Zusatz zur Seligkeit ist unangebracht. Der Gehorsam ist Schöpferlob, Glaubensübung und Dienst am Nächsten.
4. Artikel: Allein der Glaube macht gerecht. Die Gabe des Heiligen Geistes ist weder Teil noch Mitursache der Rechtfertigung, sondern Folge und Zugabe der Gnade.
5. Artikel: Gute Werke sind nicht nötig, um die Seligkeit zu sichern.
6. Artikel: Rechtfertigung (iustificatio) und Seligkeit (salvatio) sind Synonyme, die sachlich nicht getrennt werden können und dürfen.
7. Artikel: Obwohl vertretbare Interpretationen des fraglichen Satzes vorstellbar erscheinen, soll man wegen seiner Missverständlichkeit und wegen des möglichen Missbrauchs keinerlei Gebrauch davon machen.
Angehängt ist ein ausdrücklicher Widerruf des Menius hinsichtlich möglicher missverständlicher Formulierungen in seinen Schriften; inhaltlich freilich habe er stets in Übereinstimmung mit den hier festgestellten Sätzen gelehrt und werde das auch weiterhin tun.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:MATTHIAE FLA || cij Illyrici, de voce & re Fi || dei, quod que sola fide iustifi || cemur, contra Pharisaicum hypocri || tarum fermentum, || Liber. || eivsdem, || de ivsticia christiana, sive || Iustificatione, &10 noua obedientia, Dispu || tatio: multa accuratius alijs qui || busdam expli || cans. || item, || de velamine Mosis, eius´qᴣ de || tractione. de uestigijs ueri usus Legis. || de nomine iehova. || Cum rerum & uerborum in his omnibus prae || cipuè memorabilium copioso || indice. || 1563. [Basel: Oporinus][ (6) Bl. 272 S. 4°] (VD 16 F 1527)
Darin ist der Text abgedruckt auf den Seiten 191–201 als Anhang zum Liber de iustificatione.