Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich (1559)

A 2r Man sagt, der Teuffel sey ein tausent Kuͤnstiger,Ein tausendfach geübter Meister der Verstellung. Vgl. , 2691. Auch verwandte dieses Bild häufiger. Vgl. z.B. ,12f; . welchs er jtzundt wider die reine Lehr des Euangelij reichlich vnd meisterlich beweist, denn dazu gebraucht er all sein kunst vnd list, das er sie vnterdruͤcke oder verfelsche, wie wir die vergangne XXXIX. Jar offt vnd viel gesehen vnd erfaren haben. Denn er rugetruht. vnd feiretzögert. Vgl. , 1436f. nicht, als ein vnablessiger Feind, biss er die
besten vnd gelertesten Diener Christi erschleicheheimlich, hinterrücks anfallen. Vgl. . vnd in sein netz jage vnd gefangen, das ist, verfuͤhrt vnd in jrthumb gebracht habe. Solchs thut er jtzund mit allem fleis mit der Propositio (Gute werck sind von noͤten zur seligkeit). Dieweil wir nu ein lange zeit hefftig dawider gestritten haben vnd nu eins wurden waren vnd eintrechtig lereten, das gute werck zur seligkeit
nicht von noͤten weren vnd doch einem Christen zu einem newen leben gleichwol von noͤten sind als des Glaubens fruͤchteVgl. hier und zur weiteren Auseinandersetzung mit der These, dass gute Werke die Früchte des Glaubens seien: . zeichen vnd zeugen. Als wir nu in solcher hoffnung lebten, es solt der zwiespalt dieses Artickels halben gantz vnd gar vertragen vnd verglichen sein, so hebt der Satan ein newes an, das erger ist denn das erste,Vgl. Mt 27,64. nemlich, das er etliche aus den vn
sern erregt, die diese Propositio (gute werck sind schedlich zur seligkeit), mir zu uerdries vnd zu ehren vnd gefallen, verdamnen, dadurch die Heidnische vnd Papistische Propositio (Gute werck sind noͤtig zur seligkeit) wider erfuͤr komme vnd erhaltenbehalten, bewahrt. Vgl. , 835. werde. Nu ists je offenbar, das Paulus vnd solche Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) an
viel oͤrtern geschrieben vnd gelert vnd die ander (Gute werck sind noͤtig zur seligkeit) verdampt haben. Dieweil sie nu hoͤher vnd tewrer ach-A 2vten denn vnd jn vnd seine Propositio vmb meinet willen verdammen, das ich dieselbe seine Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) in einer Vorrede gebraucht habe,Denn , seliger vnd heiliger gedechtnus, der schreibet allenthalben und sonderlich in Galatis, das die guten werkc nicht allein nicht noͤtig, sondern auch zur seligkeit schedlich sind. . so mus ichs leiden vnd Gott
befehlen vnd zusehen, wie es jnen gelingen werde, das sie Paulum vnd vmb willen verdammen. Denn es ist je ein mal vnd gewis war, das Gott alles vnter die Suͤnde beschlossen hat, auch die fruͤchte des1 Glaubens, welche Gott gefallen vnd angeneme sind, allein aus gnade vmb Christus willen, sonst an jn selbst, sind sie so wol verdampt vnd schedlich
zur seligkeit als der Heuchler werck. Derhalben wird diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) vnbillichunrechtmäßig. Vgl. , 394. verdampt, denn auch die wort von art vnd natur nicht anders denn von den wercken, damit man gnade vnd seligkeit verdienen wil, koͤnnen verstanden werden. Darumb auch solche Propositio menschlicher vernunfft, weissheit vnd heiligkeit, als Muͤnichen,
Nonnen vnd den Hochgelerten, auffs hoͤchste ergerlich ist vnd derhalben, wie sie sich duͤncken lassen, dieselbe billichzurecht, richtigerweise. Vgl. , 27f. verdammen. Vnd es hat auch fur der Welt ein grossen schein vnd ansehen, denn Menschliche vernunfft vnd weissheit kan nicht verstehen, das gute werck zur seligkeit sollen schedlich sein, damit sie gedenckt, die seligkeit zu erwerben. Aber es ist kein
wunder, dieweil sie one Gottes Geist vnd gnad kein Gottes wort vernemen kann. Daher kompts auch, das alle die gleuben vnd lehren in Religions sachen was der vernunfft gemess ist vnd sich mit der Philosophia reimet, Ketzer sind, welche allzeit gelert vnd geschrieben haben, das man mit der vernunfft hat begreiffen vnd verstehen koͤnnen, darumb sie auch wider
Gottes wort vrteilen vnd richten vnd dasselbige drehen, glosirn vnd deuten auff A 3r jren sinn, das sichs mit der vernunfft vnd Philosophia reimen mus. Aber solchs ist ein Menschliche weissheit, jederman, auch den Heiden, bekandt vnd offenbar, denn sie leren alle in jren Kirchen vnd Schulen, das die guten werck zur seligkeit not vnd gut sind, derhalben sie in keinen weg
diese Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) dulden noch leiden koͤnnen, sondern verdammen vnd verwerffen sie als den grewlichsten jrthumb, so je auff Erden komen ist, denn sie, wie im Bapstumb, die Menschen vmb jrer werck willen erheben vnd nidrigen,erniedrigen. Vgl. , 821. seligen oder verdammen, welchs sich in des heiligen Geists Schule in keinen weg dulden noch
leiden wil, denn in dieser Schule lobt vnd preiset man die, so Gottes wort hoͤren vnd gleuben.

Aber in der Juristen vnd Sophisten Schule gehets anders zu, denn darinne wird diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) verdampt vnd da gegen gelert vnd geprediget, das gute werck zur seligkeit von noͤten sind.
Dieweil denn solchs in der heiligen Schrifft verdampt wird, die klerlich sagt, das sie vnnuͤtz vnd schedlich zur seligkeit sind, so muͤssen wir bey der Schrifft bleiben vnd Juristen vnd Sophisten farenBeiseite, unangesehen. Vgl. , 1255f. lassen, denn hie richtet vnd vrteilt man nicht nach den wercken, sondern nach Gottes wort vnd vnserm Glauben.

Vnd das ist die Goͤttliche vnd Himlische warheit, der vernunfft vnbekandt, fur aller Welt heimlich vnd verborgen, als die sich mit der Philosophia gar nicht reimet, darumb auch die Hochgelerten dauon nicht ein wort wissen. Nemlich, das alle Menschen, wie from vnd heilig sie sind, auch die gleubigen, fuͤr Gott Suͤnder vnd vngerecht, auch alle jre werck Suͤnde sind, one
allein, das die gleubigen vnd jre werck, aus lauter gnad, Gott gefellig vnd angeneme A 3v sind, sonst weren sie eben so wol als die andern verdampt vnd jre werck Suͤnde vnd schedlich zur seligkeit. Iuxta illud: Non intres in iudicium cum seruo tuo etc.Vgl. Ps 142,2 (Vg). Vnd Paulus Roma iij: Sie sind alle (Juͤden vnd Heiden, das ist, frome vnd boͤse) Suͤnder vnd mangeln des rhums den sie
an Gott haben solten.
Vgl. Röm 3,23. Sind sie Suͤnder, so sind auch alle jre werck fuͤr Gott Suͤnde vnd schedlich zur seligkeit. Diese weissheit vnd warheit ist allen Menschen verborgen vnd vnbekandt vnd wird allein vom Himel oben herab vns durch Gottes Son, der ins Vatern schoss ist, geoffenbart, welch allein mit dem Glauben vnd von keiner vernunfft kan begriffen vnd erkandt werden.
Derhalben, wenn ein Mensch gleich alles thet was Gott gebotten hat, vnd diente jm tag vnd nacht mit allerley guten wercken, so were er doch verdampt mit allen seinen wercken wenn Gott mit jm ins Gerichte gienge, das sie jm aber nicht schedlich noch verdamlich sind, das ist lauter gnade vmb Christus willen, an den sie glauben.

Darumb solten die hoffertigen,hochmütigen. Vgl. , 1667f. auffgeblasen Geister sich besser bedacht haben vnd diese Propositio (gute werck sind zur seligkeit schedlich) nicht so leichtfertig verdampt haben wie die Papisten thun, denn Heiden vnd Tuͤrcken, Pfaffen vnd Muͤnche, diese alle verdammen die gedachte Propositio, denn sie folgen der vernunfft vnd Menschlicher weisheit der Philosophia.
Darumb ists gar ein schlechte kunst, das sie Gottes wort vnd vns, vmb der Philosophia willen, zu gefallen vnd mir zuuerdries, verdammen, denn solchs kan vnd thut ein jtzlicher Muͤnch, ja Tuͤrck vnd Heide, aber das ist kein wunder, denn sie haben kein Wort noch Glauben. Von den aber ists wunder, die sich des Worts vnd Glaubens rhuͤmen vnd der Christen
Meister vnd regierer sein, das sie wider das Wort solch grob Bewrisch ding duͤrffen fuͤrgeben.

Vnd so vnuerschemt verdammen, der solche A 4r Propositio an viel oͤrtern in seinen schrifften fuͤret vnd leret, ja Paulum vnd Christum selbst, welche eben den sinn vnd die meinung, wiewol mit andern worten,
gelert vnd geschrieben haben, wie wir hoͤren werden, darumb koͤnnen vnd sollen wir die obgedachte Propositio mit gutem gewissen nicht verdammen, wir wolten denn Gott vnd sein Wort verdammen, sondern sollen vnd muͤssen sie fuͤr ein ware vnd Christliche Propositio achten vnd halten, wie denn der heilige Geist in seiner Schrifft sie acht vnd helt vnd mit ausgedruckten
worten spricht, das aller Menschen gute werck Suͤnde sind, das ist, zur seligkeit schedlich. Das aber die Hochgelarten, auffgeblasen Geister das widerfechten, das macht die Philosophia, welche in dieser sache nichts ist denn uanitas vnd mendacium, heuchlen vnd luͤgen, welche Gott hasset vnd verwirfft vnd seine Goͤttliche heimliche warheit oder weisheit liebet, welche
den hochgelerten WeltweisenAbschätzige Bezeichnung für Philosophen. Vgl. , 1725. vnbekandt ist, nemlich, das alle Menschen suͤnder vnd jre besten werck suͤnde sind, zur seligkeit schedlich. Denn diese ist ein weisheit vber vnd wider alle vernunfft, vber vnd ausser vns, allein in Gott vnd seinem Wort gegruͤndet, durch Jhesum Christum vnsern lieben Herrn vnd Heilandt vns geoffenbart vnd verkuͤndiget, darumb wir dieselbeKonjiziert aus: dieselge.
aus dem befehl des himlischen Vaters sollen vnd muͤssen annemen vnd in keinen weg verdammen. Vnd ob wol Meister Kluͤgel,Besserwisser, Neunmalkluger. Vgl. , 1281. vmb fruͤchte willen des glaubens, diese Propositio (gute werck sind zur seligkeit schedlich) aus lauter vnuerstandt verdampt, muͤssen wir geschehen lassen aber in keinen weg billichen. Denn sie kan von fruͤchten des Glaubens nicht verstanden
werden, sondern allein von den wercken, damit man gnade vnd seligkeit verdienen wil, wie denn Muͤnche, Pfaffen, Heiden vnd Tuͤrcken sie verstehen, denn sie wissen gar nicht ein wort vom Glauben vnd seinen fruͤchten. Darumb sollen vnd muͤssen wir dieselbe Propositio A 4v (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) auch von denselben wercken als de materia subiecta
verstehen, dauon alle Menschen sie verstehen, nemlich von den wercken, damit man gnad vnd seligkeit verdienen wil, derhalben kan sie, vmb der fruͤchte willen des Glaubens, nicht verstanden werden. Vnd wenn mans recht ansehen wil, so sind auch die fruͤchte des Glaubens fuͤr Gottes gerichte von art vnd natur Suͤnde vnd schedlich zur seligkeit, denn sie sind vnrein vnd vnuol
komen vnd weren verdamlich, wenn Gott sie jm, vmb des Glaubens willen an Christum, nicht gefallen liesse. Mit wasermwelchem. fugRecht. Vgl. . sie nu die gedachte Propositio verdammen, kan ein jeder achten. Dieweil denn alle Stifft, Kloͤster vnd hohe Schulen (wie das jre Buͤcher auff den heutigen tag klerlich zeugen vnd beweisen wenn man von guten wercken redet oder schreibet) das
stets nicht anders verstehen denn von den guten wercken, damit man Gottes gnad vnd seligkeit verdienen wil. Dieweil sie nu solchs also gelert, geprediget vnd geschrieben haben, so kan die gedachte Propositio von den fruͤchten des Glaubens nicht verstanden werden, wie denn auch der gemeine Spruch bey jnen ausweiset: Homo faciens quod in se est, meretur gratiam
de congruo.
Wider solche falsche lehr der Sophisten hat der hocherleuchte Man dieselbige Propositio in seinen Schrifften offt vnd viel mal repetirt vnd widerholet,Vgl. ; ; , 462; . das die guten werck nicht allein vnnoͤtig, sondern auch schedlich sind zur seligkeit, wie wir hernach anzeigen wollen. Noch darff der auffgeblasen, hoffertig Geist solche Propositio, mir
zu uerdries, aus lauter neid vnd hass verdammen.

Das sie aber fuͤrwenden, das etliche gute werck als die fruͤchte des Glaubens weder noͤtig noch schedlich sind zur B 1r seligkeit, darumb koͤnne man diese Propositio (Gute werck sind noͤtig zur seligkeit) nicht verdammen, das kompt aus vnuerstandt, das sie nicht wissen noch verstehen, was Contraria
immediataunvereinbare Gegensätze. sind. Denn ob die fruͤchte des Glaubens zur seligkeit nichts von noͤten sind, so sind sie doch von noͤten zum Glauben der die seligkeit erlangtKonjiziert aus: eerlangt. vnd gehoͤren an den ort oder an das teil, das zur seligkeit von noͤten ist, als fruͤchte, zeichen vnd zeugen des Glaubens, dem sie allezeit folgen sollen vnd muͤssen. Darumb sind vnd bleiben die beide Spruͤche (Gute werck
sind zur seligkeit von noͤten) vnd (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) rechte vnd ware Contraria immediata, als die strackdirekt. Vgl. . one mittelunmittelbar. Vgl. , 2386. wider einander sind. Denn hie sind kein mittel werck, sondern alle werck, so viel der sind, die sind noͤtig oder schedlich, sind sie nicht noͤtig zur seligkeit, so sind sie doch noͤtig zu einem newen leben, das der seligkeit oder dem
Glauben folgen mus. Derhalben folgts fein vnd am aller besten: Gute werck sind nicht schedlich zur seligkeit, darumb sind sie nuͤtz vnd not zur seligkeit. Vnd widerumb: Gute werck sind nicht not zur seligkeit, darumb sind sie zur seligkeit schedlich, denn hie ist kein mittel, denn die fruͤchte des Glaubens sind noͤtig zum newen Gehorsam, so dem Glauben folgt. Vnd ob dieser
Consequentz oder folge etwas in Dialectica feelte, als doch nicht ist, so feelt jr doch nichts vberal in Theologia, denn hie, wie gesagt, sind kein mittel werck. Ein jedes werck ist not oder schedlich, ists nicht not zur seligkeit, so ists doch not zu dem, das zur seligkeit gehoͤrt, nemlich zum Glauben, welchem ein newe leben B 1v folgen sol vnd mus. Denn auch die fruͤchte
des Glaubens fuͤr Gottes Gerichte Suͤnde weren vnd schedlich zur seligkeit, wenn sie Gott, vmb des Glaubens willen an Christum, jm nicht gefallen liesse. Darumb bleibts fest vnd gewiss, das alle gute werck in jrer art, natur vnd substantz zur seligkeit schedlich sind, wie denn Paulus solchs klerlich leret vnd schreibet, da er spricht: Qui ex operibus Legis sunt, sub maledicto
sunt
,Vgl. Gal 3,10 (Vg). das ist auff gut Deutsch gesagt: Die guten werck, auch die besten, welche Gott gebotten hat, sind nicht allein schedlich, sondern auch verflucht, denn wer mit den wercken des Gesetzes fuͤr Gott vmbgehet, der ist vermaledeiet. Dieweil nu Paulus solche rede fuͤhret vnd sich vmb des Glaubens fruͤchte willen, also zu reden, nicht schewet, so muͤssen vnd sollen
wir auch bey solcher weise zu reden bleiben vnd vmb der Philosophia willen, die es fur ein grewel vnd eckel helt, in keinen weg meiden noch schewen vnd viel weniger verdammen. Denn Paulus schreibt deutlich vnd klerlich, das seine gerechtigkeit nach dem Gesetz, das ist, seine gute werck, sind jm schedlich vnd verdamlich gewesen. Desgleichen sagen die
Propheten, das der Juͤden gute werck, als jr opffern vnd reuchern, Suͤnde sind vnd Abgoͤtterey, das ist, zur seligkeit auffs hoͤchste schedlich.Vgl. Jer 7,22f; Hos 8,11f; Am 5,22f; Mi 6,6–8.

Diesen beiden, den Propheten vnd Paulo, folgt heiliger gedechtnis vnd schreibt mehr denn an einem ort mit ausgedruͤckten worten, das gute werck zur seligkeit schedlich sind, als in seinen Galatis Tom: iij. folio xxi.
spricht er: Alle werck, auch des Gesetzes, sind Suͤnde vnd machen den Menschen nur erger.Leider konnte die erste Auflage der Jenaer Ausgabe nicht eingesehen werden. Aufgrund der Einsichtnahme der zweiten Auflage erscheint es möglich, dass das Zitat sich folgende Passage bezieht: At qui iusticiam quaerunt per opera legis, ipsi reaedificant etiam infidelitatis peccatum contra fidem in spiritu: immo perversissimi hominum peccatum in carne, quod fides expugnat per totam vitam, veluti non sit, per opera legis extollunt, et in hoc statuunt iusticiam, legis impletionem, non in fidem. : . Vnd B 2r Tom: vij: Mein gerechtigkeit mir nicht nuͤtze, sondern viel mehr mir schedlich sein kan etc.Konnte bisher leider nicht verifiziert werden. Vnd wer wissen will, was, wie vnd welcher gestalt von vnsern guten wercken redet, der lese seine Postill vber die Epistel des xxiij. Sontags, da schreibt er vnter an
dern also: Darumb ist sie (die gerechtigkeit des Gesetzes) mir fuͤr Gott nichts huͤlfflich, sondern mehr schedlich gewesen.Solchen mut kan jene gerechtigkeit des gesetzes nicht machen, Darumb ist sie mir fuͤr Gott nichts huͤlfflich, sondern mehr schedlich gewesen. . Vnd bald darnach: Hie sihe, ist das nicht allzu grob vnd verechtlich geredt von der gerechtigkeit des Gesetzes, das er (Paulus) sie helt vnd damit halten lehret fuͤr solche ding, das nicht allein hindert oder nichts nuͤtzet, sondern auch schaden thut vnd als ein
ekel vnd grewel zu halten ist. Wer duͤrffte das maul so weit auffthun vnd von solchem vnstrefflichem leben nach dem Gesetz also reden, der nicht wolte von jederman des leidigen Teuffels Apostel vnd Diener heissen, wo es S. Paulus nicht selbst thet? Oder wer wil mehr solche gerechticheit halten, wenn man also dauon predigen wil?
Vgl. Haec .

Diese weise zu reden von guten wercken koͤnnen wir nicht verdammen, sondern muͤssen vnd sollen jr folgen, vnangesehen, das sie ergerlich ist den Hochgelerten. Wer wolt doch vmb Meister Kluͤgelings willen von Paulo vnd weichen vnd der tollen vernunfft vnd blinden Philosophia folgen? Darumb solten solche vnerfarne Leute sich billich in jr hertze schemen,zutiefst schämen. Vgl. , 2114. das
sie vmb jres gutduͤnckens willen, Pauli vnd weise zu reden von guten wercken verdammen duͤrffen. Derhalben diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) in keinen weg zu verdammen ist, sondern wir sollen vnd wollen mit Paulo vnd reden, leren B 2v vnd predigen, das gute werck zur seligkeit schedlich sind. Vnd wenn Gott die fruͤchte des
Glaubens, vmb Christus willen, nicht gefielen noch angeneme weren, so weren sie eben so wol schedlich zur seligkeit vnd verdamlich, wie denn die gleubigen selbst, wenn Gott mit jnen ins Gerichte ginge, verdampt weren. Denn ausserhalb der gnade ist fur Gott kein Mensch gerecht, kein werck gut, sondern alles ist Suͤnde vnd verdampt, wie alle Schrifft zeugt vnd sagt.
Darumb koͤnnen vnd sollen wir solche rede des heiligen Geists, vns durch die Propheten vnd Paulum geoffenbart, nicht verdammen. Dieweil aber jene die gedachteerwähnte. Propositio so frech vnd vnuerschampt verdammen, so verdammen sie nicht allein Paulum vnd , sondern auch Christum vnd den heiligen Geist, welche alle gute werck der Phariseer verdammen als
zur seligkeit schedlich, unangesehen, das solchs bey den Juͤden vergeblich vnd bey den Griechen, das ist, Meister Kluͤgel lecherlich vnd thoͤrlich war. Derhalben muͤssen wir auch das ergernis vnser Kluͤgeler nicht ansehen noch achten vnd vmb jrent willen die Goͤttliche warheit verdammen, sondern wir muͤssen vnd wollen mit Christo, Paulo vnd lehren, predigen vnd
bekennen, das aller Menschen gedancken, wort vnd werck, wie gut sie scheinen vnd gleissen,vorgeben. Vgl. , 8304. Suͤnde sind vnd schedlich zur seligkeit, auch die fruͤchte des Glaubens, wenn sie Gott richten wolt. Vber das, so verdammen sie sich selbst vnd sind wider sich selbst, denn das sie zuuor verdampt haben (nemlich: gute werck sind von noͤten zur seligkeit), das wi-B 3rderruffen
sie eben damit, das sie die widerwertige Propositio (Gute werck sind schedlich zur seligkeit) verdammen, denn sie bekennen mit der that, das sie vnrecht gethan vnd diese Propositio (Gute werck sind noͤtig zur seligkeit) vnbillich verdampt haben. Denn das Figmentum de contrarijs immediatis hilfft sie nichts, geben nur jren vnuerstandt damit an tag, denn die fruͤchte
des Glaubens, wie oben gesagt, sind nicht opera media, sondern sie gehoͤren ad extrema, denn sie sind noͤtig zum Glauben als desselben fruͤchte vnd zeugen vnd doch zur seligkeit schedlich, wenn sie, vmb Christus willen, aus gnade nicht angenomen wuͤrden. Darumb sollen vnd muͤssen wir, sonderlich vmb der Muͤniche vnd Heuchler willen, diese Propositio (Gute werck sind
schedlich zur seligkeit) in vnsern Kirchen behalten, dieselbige lehren vnd predigen, denn sie alle wollen durch jre werck vnd Gottesdienst selig werden, auff das sie wissen vnd lernen, das alle jre gute werck Suͤnde sind vnd zur seligkeit schedlich. Vnd ob solchs bey der vernunfft vnd in der Philosophia ergerlich ist, so sol man doch die gedachte Propositio nicht
verdammen, sonst muste man die warheit, welche allzeit fehrlichgefährlich. vnd ergerlich ist, verdammen, ja das Euangelium selbst, denn was ist fehrlicher vnd ergerlicher, denn das Euangelium, solt mans darumb verdammen vnd nicht predigen?

Christus, vnser lieber Herr, ist ein stein des anstossens vnnd Fels der erger
nis,Vgl. I Petr 2,8. sol man jn darumb verdammen oder nicht predigen? Also auch ob diese Pro-B 3vpositio ergerlich ist (Gute werck sind schedlich zur seligkeit), sol man sie darumb verdammen? Das wolt Gott nicht. Denn vnangesehen, das sich die Welt vnd alle jre Kluͤgel daran ergern, so sol vnd mus man sie gleichwol leren vnd predigen als die Goͤttliche warheit, so in der Schrifft
gegruͤndet ist. Denn alle jre Argument, so sie da wider fuͤhren, sind Argumenta Rethorica, quae nihil probant, sed causam tantum ornant contra ueritatem. Darumb sol man vmb derselbigen willen die Goͤttliche warheit nicht verdammen, sondern viel mehr predigen vnd ausbreiten, es ergere sich wer da woͤlle, denn die sich ergern, sind blindt vnd blinden leiter, darumb auch
sie beide in die grube fallen werden.Vgl. Mt 15,14. Denn sie ergern sich mutwillig,freiwillig, aus eigenem Antrieb. Vgl. , 2835. darumb muͤssen wir, wie Christus vnser lieber Herr vns lehret vnd gebeut, sie faren lassen,Vgl. Mt 15,14. dieweil sie der vernunfft vnd Philosophia vnd nicht Gott noch seinem Wort folgen. Der Fuͤrst dieser WeltDer Teufel. Vgl. , 849. hat sie verblendet, das sie die helle warheit des Euangelij nicht annemen,Vgl. II Kor 4,4. ob sie es gleich teglich sehen
vnd hoͤren. Derhalben kan man, vmb ergernis willen, diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit schedlich) nicht verdammen. Vnd widerumb, was falsch vnd vnrecht ist, es scheine vnd gleisse wie es woͤlle, das es jederman gefalle vnd angeneme sey (wie des Bapsts lehre von der Messe vnd anruffen der Heiligen gewest ist), sol man nicht loben, lehren noch predigen, sondern
verbieten vnd verdammen. Aber die warheit, ob sich gleich alle Welt daran ergert, sol man oͤffentlich lehren vnd predigen vnd keine Potentat daran schewen noch fuͤrchten.

B 4r Es koͤnnen auch aus dieser Lehr nicht EpicurerLibertinisten, Hedonisten, die gemäß den Lehren des griechischen Philosophen (341–270 v. Chr.) nur nach eigenem Lustgewinn und eigenem Genuss streben, statt nach Erkenntnis der Wahrheit. Vgl. , 1126–1130; , 1130–1140. werden, wie sie meinen vnd fuͤrgeben,Der explizite Vorwurf gegen oder , sie würden durch ihre Ablehnung der Bedeutung von guten Werken Epikuräer machen, konnte bisher nicht gefunden werden. Die Argumentation, mit der Lehre von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit dem Libertinismus entgegentreten zu wollen, findet sich jedoch häufiger. Z.B. . denn es wird allweg daran gehangen, ob wol die guten
werck zur seligkeit schedlich sind, so sind sie doch nuͤtz vnd not zu einem Christlichen leben, als zeichen vnd zeugen des Glaubens. Darumb ist jr einrede ein erdichte ausfluͤcht, ein recht netz vnd fewriger pfeil des Teuffels,Vgl. Eph 6,16. die warheit vnterzudruͤcken vnd der luͤgen zu gleuben.

Wenn gedachte Propositio solt Epicurer machen, so muste der Spruch Christi
auch Epicurer machen (Es sey denn, das jemandt new geboren werde, so kan er das Reich Gottes nicht sehenVgl. Joh 3,3.). Das ist eben so viel gesagt: Alle gute werck sind verdampt vnd schedlich zur seligkeit, wenn wir nicht auffs new widerumb geboren werden, wie Paulus sagt: Sie sind allzumal Suͤnder,Vgl. Röm 3,23. die Juͤden (so die guten werck des Gesetzes thun) so wol als die Hei
den, so keine gute werck thun. Das ist je nichts anders gesagt, denn das aller Menschen werck, auch die Gott gebotten hat, Suͤnde sind vnd schedlich zur seligkeit. Solt man nu solche Spruͤche vmb ergernis willen nicht lehren noch predigen? So muͤste man auch das Euangelium nicht predigen? Dieweil man aber daneben allzeit predigt, das dem Glauben vnd der newen Geburt die
guten werck folgen sollen vnd muͤssen, als gewisse fruͤchte vnd zeichen des Glaubens, so kan sich daran niemand ergern noch ein Epicurer werden, denn der Glaub hindert vnd wehret solchen gedancken. Vnd ein solch new Leben ist ein anfang des ewigen Lebens, aber nicht der werck halben, so zu B 4v diesem leben gehoͤren, sondern des Glaubens halben, welcher den Menschen
one alle werck vernewet, das er ein guter Baum,Vgl. Mt 7,18. ein newe CreaturVgl. II Kor 5,17 vnd kindt GottesVgl. Röm 8,14. wird, der Gott gefellig vnd zu allen guten wercken tuͤchtig ist, der jm diene in rechtschaffner heiligkeit vnd gerechtigkeit. Vnd diese gerechtigkeit oder seligkeit wird nicht durch die werck (wie die BauchknechtIn Anlehnung an Röm 16,18 und Phil 3,19 als Schlagwort gebraucht gegen die Altgläubigen, um sie als nur ihren eigenen weltlichen Vorteil, ihr leibliches Wohlergehen im Augenhaben, letztlich als Opportunisten habend zu charakterisieren. In der Interimszeit wurde das Wort dann zunehmend auch von den Gegnern der Wittenberger gegen diese verwandt. Vgl. . vnd Feinde des Creutzes Christi fuͤrgeben) erhalten, sondern die werck wer
den durch den Glauben erhalten. Denn so lange der Glaube bleibt, so lange folgen auch gute werck. Vnd wenn wir suͤndigen, so verlieren wir nicht die seligkeit, sondern wir haben sie schon zuuor durch den vnglauben verloren. Wenn man den Glauben verleust, so ist schon gerechtigkeit vnd seligkeit verloren, vnd koͤnnen denn kein gut werck mehr thun, wenn wir gleich vns
mit fasten, singen, lesen vnd opffern zu tod marterten. Dieweil das hertz gleubig ist, so folgen gute werck vnd bringet oder treget fruͤchte des Geists, wenn es aber wancken vnd dahin fellet, so suͤndigen auch wol die fromen vnd Gottfuͤrchtigen,Konjiziert aus: Gottfuͤchtigen. aber sie keren bald wider, dieweil ein fuͤncklein des Glaubens in jn bleibt, denn sie halten sich an das wort, hoffen vnd warten
mit gedult auff huͤlffe,Vgl. Thr 3,26. welche jnen auch gewiss widerferet, denn hoffnung lesset nicht zu schanden werden,Vgl. Röm 5,5. der Glaub feilttäuscht. Vgl. . nicht, denn das wort leugt vnd treugt nicht. Aber die falschen Christen suͤndigen one vnterlas, C 1r auch wenn sie guts thun singen, lesen, opffern vnd fasten etc. Darumb sind auch alle jre werck zur seligkeit schedlich. Dieweil denn in seinem nechsten bekentnis deutlich vnd klerlich mit ausgedruͤckten worten sagt: Wenn er wolt, so kuͤndte er diese Propositio (Gute werck sind zur seligkeit von noͤten) wol vertheidigen.Jch wuͤste auch durch Gottes gnade meinen Widersachern wol zu antworten, wils aber vmb friedens willen vnd ruhe der Kirch­B 3ren, nicht mehr gezenck dadurch zu erregen, vnterwegen lassen (…). . Daraus folgt je vnwidersprechlich, das er gleubt, gute werck sind noͤtig zur seligkeit, vnd doch solchs nicht leren noch predigen, sondern zudecken vnd schweigen wil. Ob nu das einem
Christen, ich schweig einem Predicanten, eigentgut ansteht. vnd gebuͤrt, las ich ein jedern richten. Wie billich nu die vnsern thun, die nicht verdammen wollen, sondern jm beyfallen vnd dazu entschuͤldigen vnd vertheidigen, spielt hier wohl auf an, der ablehnende Gutachten zu den Bestimmungen des Augsburger Interim und des Leipziger Interim für die ernestinischen Herzöge verfasste, dann jedoch mit und anderen ernstinischen Theologen über die Frage der guten Werke in Streit geriet und schließlich das Herzogtum in Richtung des albertinischen verließ. Vgl. dazu ; . das wird jnen jr eigen gewissen zu seiner zeit wol sagen. Vnd sonderlich, dieweil er nicht allein vnser Person, sondern auch vnser Kirchen vnd
Lehr so grewlich schmehet, schendt vnd lestert, er heisset vns Antinomos, das wir gute werck verbieten, auffrur vnd vngehorsam auch Turcicam barbariem leren.Vgl. wohl . Solche grewliche vnd erschreckliche lesterung, atrocissimas iniurias muͤssen wir von leiden, des achten sie nicht, haben ein gefallen daran, fallen jm bey vnd verdammen vns vnd die Propositio, welche
Paulus vnd geprediget vnd geschrieben haben, muͤssen also vnrecht vnd vbel, recht vnd wol gethan haben. C 1v Daraus ist gut zu rechen,ermessen. Vgl. . was fuͤr ein Geist sie fuͤhret vnd treibet, nemlich der Adiaphoristische Geist, den sie nicht erzuͤrnen wollen. Das sie aber Paulum vnd , mir zu uerdries, zu ehren vnd gefallen, verdammen,
das achten sie nicht. Aber es ist einer, der es acht vnd nicht wird so hingehen lassen vnd die Lehr seines lieben Sons so schenden vnd verdammen lassen, er wird sie zu seiner zeit wol finden, sein ehre vnd Wort zu rechen. Jndes muͤssen wirs gehen lassen wie es gehet, allein das wir nicht drein willigen, sondern dawider schreiben vnd predigen so lange wir koͤnnen, vnd der zeit,
die Gott zu vnser Erloͤsung bestimpt hat, mit geduldt erwarten. Das helff vns Gott der Himlische Vater durch Jhesum Christum seinen lieben Son, vnsern Herrn. Amen. Amen.