Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich (1559) – Einleitung
1. Historische Einleitung
Im Jahr 1555 verfasste eine Vorrede für den ersten Band der Jenaer Ausgabe der deutschen Schriften .. Hier nannte er die These Majors von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit die schedlichste Ketzerey,Vgl. ebd., *6 v. die in den vergangenen Jahren vertreten worden sei. Für das Erscheinen des ersten Bandes der lateinischen Schriften Luthers der Jenaer Ausgabe im Jahr 1556 wurde diese Vorrede dann übersetzt und dem Band vorangestellt.TOMVS || PRIMVS OM= || NIVM OPERVM || Reuerendi Patris D.M.L. quae vir || Dei ab Anno XVII. vsque ad Anni || vicesimi aliquam partem, scripsit || & edidit || [Jena: Christian Rödinger d.Ä., 1556] (VD 16 L 3422). Im selben Jahr veröffentlichte Georg Major die ersten beiden Bände seiner PredigtsammlungPRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || usque ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA||RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. ||(DE OFFICIO || CONCIONATORIS || breuis Commonefactio || Philp: Melanth. ||) [Wittenberg: Johannes Lufft, 1556] (VD 16 M 2037). und einen Römerbriefkommentar,SERIES ET || DISPOSITIO ORA= || tionis in Epistola Pauli || ad Romanos. || Autore || D. Georgio Maiore. || || [Wittenberg: Hans Lufft, 1556] (VD 16 M 2185). was Flacius zu deutlichem Widerspruch herausforderte.Vgl. die Einleitung zu Nr. 12 in unserer Ausgabe, S. 445. Amsdorf spitzte seine Auffassung über die Bedeutung guter Werke im Jahr 1557 bis zu der These von deren angeblicher Schädlichkeit zur Seligkeit zu, die er in einer Vorrede zu Luthers Predigten zu den Kapiteln 18 bis 20 des Johannesevangeliums öffentlich vertrat.Das achtzehend vnd || neunzehend Capitel / vnd ein Stuͤck || aus dem zwentzigsten S. Johannis von || dem Leiden / Sterben/ vnd Aufferste= || hung vnsers HErrn Jhesu || Christi.|| Gepredigt vnd ausgelegt durch Doc. || Mart. Luth. Anno M.D.XXVIII. || vnd XXIX. || Vorhin nie im Druck ausgangen || vnd jtzt allererst zusamen bracht. || [Jena: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v; vgl. dazu auch Kolb, Good Works are Detrimental to Salvation, bes. 139f.
Gegen die Vorwürfe des Flacius sowie gegen die zugespitzte These Amsdorfs erhob Major 1558 Einspruch in seinem Bekenntnis.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12. Dies veranlasste Amsdorf wiederum, seine These von der angeblichen Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit in der hier edierten Schrift zu verteidigen und deren Richtigkeit zu beweisen.1
2. Der Autor
Nikolaus von AmsdorfZum Folgenden vgl. Dingel, Amsdorf; Reichert, Amsdorff. wurde am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren. Seit dem Jahr 1500 besuchte er die Universität Leipzig. Zwei Jahre später wechselte er an die damals eben neugegründete Leucorea in Wittenberg. Hier beendete er seine Studien und begann eine akademische Karriere; 1513 und 1522 bekleidete er sogar das Rektorenamt der Universität. Seit dem Jahr 1516 intensivierte sich Amsdorfs Kontakt zu Martin Luther immer mehr, so dass er Luther schließlich zur Leipziger Disputation 1519 und zum Wormser Reichstag 1521 begleitete und ihm zur Seite stand. Im Jahr 1524 verließ AmsdorfWittenberg, wurde Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg und gleichzeitig Superintendent der Stadt. Dort kam er auch in näheren Kontakt zu Georg Major, da dieser zwischen 1529 und 1537 mit großem Erfolg als Schulrektor in Magdeburg wirkte.
Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg dann als erster evangelischer Bischof von Luther in sein Amt eingeführt. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 war Amsdorf jedoch gezwungen, sein Amt aufzugeben und Naumburg zu verlassen. Nachdem er sich zunächst wohl in Weimar aufhielt, ging er ab dem Jahr 1548 erneut nach Magdeburg.Zur Schwierigkeit der Bestimmung der Aufenthaltsorte Amsdorfs zu jener Zeit vgl. Reichert, Amsdorff, 80f. Dort stritt er zusammen mit Matthias Flacius, Nikolaus Gallus und Erasmus Alber gegen das Augsburger Interim und gegen die Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim).
Im Frühjahr 1552 erhielt er einen Ruf als Superintendent nach Eisenach. Zwei Jahre später wurde er vom ernestinsichen Herzog in eine Kommission zur Visitation des Herzogtums berufen. Hier begann seine Auseinandersetzung mit Justus Menius, die bis zu dessen Tod im Jahr 1558 nicht beendet werden konnte.Vgl. die Einleitung zu Nr. 11 in unserer Ausgabe, S. 411–415. Seit Luthers Tod setzte sich Amsdorf vehement dafür ein, dessen Erbe möglichst unverfälscht zu erhalten. Er unterstützte darum die Gründung der Universität Jena als Hort der wahren lutherischen Lehre und das Projekt der Jenaer Lutherausgabe, zu deren erstem Band der deutschen Schriften er das Vorwort verfasste. Eben aufgrund seiner strikten Verteidigung von Luthers Lehre kritisierte er von Beginn an Majors These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 2. Dies war auch das Motiv, das ihn verlanlasste, sich in alle weiteren Kontroversen seiner Zeit einzumischen, bis er am 14. Mai 1565 verstarb.
3. Inhalt
Zu Beginn der Schrift verweist Amsdorf in einigen einleitenden Bemerkungen auf die ständigen Versuche des Teufels, die reine Lehre zu unterdrücken. Die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit stelle solch einen Versuch dar, gegen den er, Amsdorf, darum von Beginn an gestritten habe. Zwischenzeitlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gute Werke nicht zur Seligkeit dienten, aber als Früchte des Glaubens bei jedem Christen als Zeichen eines im Glauben neu begonnenen Lebens angesehen werden müssten. Doch dann hätten einige seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit angefochten und damit die papistische Auffassung von der Relevanz guter Werke gestärkt. Amsdorf beruft sich auf Paulus und Luther als Zeugen für die Richtigkeit seiner These und wirft seinen Gegnern vor, Major höher zu achten als diese beiden.
Daran schließt Amsdorf eine argumentative Verteidigung seiner Aussage von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit an. Vor Gott falle alles menschliche Handeln, auch die Früchte des Glaubens, unter die Sünde. Menschliche Werke seien ihm allein aus Gnade, um Christi willen angenehm. Ohne diese Gnade aber seien alle menschlichen Werke vor Gott ungenügend, ja sogar verdammungswürdig und daher schädlich zur Seligkeit. Menschlicher Vernunft und Weisheit entspreche solch eine Lehre freilich nicht, doch Religion und Vernunft in Einklang bringen zu wollen, sei Ketzerei. Einerseits müsse man darum all die gelehrten Philosophen und Juristen verdammen, da die Heilige Schrift klar die Schädlichkeit guter Werke bezeuge, andererseits müsse die Erkenntnis bewahrt werden, dass kein Mensch, selbst wenn er alle Gebote halte, im Jüngsten Gericht ohne Gottes Gnade und Barmherzigkeit bestehen könne. Die Deutung der hochgelarten, auffgeblasen Geister,Vgl. unten A 4r, S. 479. die seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit von den Früchten des Glaubens her verstünden, lehnt er ab. Seine These müsse vielmehr im Licht des menschlichen Bemühens um die Seligkeit verstanden werden. Amsdorf wiederholt, dass auch die Früchte des Glaubens zum Erlangen der Seligkeit nichts austragen, wenn nicht die Gnade Gottes dahinter stehe.
Gegen den Einwand, die Früchte des Glaubens seien weder nötig noch schädlich, wirft Amsdorf seinen Gegnern daraufhin Unwissenheit vor. Die beiden genannten Thesen zu der Bedeutung guter Werke stünden in diametralem Gegensatz zueinander. Denn die Früchte des Glaubens wären zur Seligkeit nicht vonnöten, gehörten aber als Zeichen und Zeugen unausweichlich zum Glauben, der die Seligkeit erlangt. Daraus folgert Amsdorf, dass gute Werke entweder nützlich oder schädlich zur Seligkeit sind; einen Mittelweg gibt es in seinen Augen nicht. Was er zugesteht ist, dass die Früchte des Glaubens nötig zum neuen Gehorsam seien, der auf den Glauben folgt. Zugleich beharrt er darauf, dass die These von der Schädlichkeit guter Werke weiterhin unbedingt in der Kirche gepredigt und gelehrt werden müsse, damit niemand versuche, mittels guter Werke selig zu werden. Sollte diese Lehre ein Ärgernis für die Kirche darstellen, so müsse sie dies aushalten. Denn die Lehre Christi habe ebenfalls ein Ärgernis dargestellt und Christus selbst sei schließlich der Stein des Anstoßes gewesen.
Amsdorf setzt sich sodann mit dem in seinen Augen verleumderischen Vorwurf auseinander, seine Lehre mache die Menschen zu Epikuräern, d.h. zu nachlässigen, ethisch gleichgültigen Individuen. Er betont, dass er die Werke stets als aus dem Glauben hervorgehende Früchte angesehen und damit als Zeichen eines christlichen Lebenswandels für nützlich erachtet habe. Wer dies nicht einsehe und seine Lehre verdamme, müsse auch Luthers Lehre und das ganze Evangelium verdammen. Zwar sei ein christliches Leben auf Erden bereits der Auftakt zum ewigen Leben, doch gründe dies nicht nicht auf den Werken, sondern auf dem Glauben. Aufgrund des Glaubens verrichte der Mensch gute Werke. Verliere er aber den Glauben, so verliere er auch die Seligkeit und die Fähigkeit zu guten Werken. Daher sei das Opfern, Predigen, Singen und Lesen der falschen Christen nichts anderes als Sünde.
Abschließend greift AmsdorfGeorg Major und dessen Bekenntnis direkt an. Dass Major seine These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit zwar für richtig halte, sie aber nicht weiter vertreten wolle, erachtet er als unangemessen für einen guten Christen und Prediger. Amsdorf verwahrt sich gegen Majors Vorwurf, eine antinomistische Lehre zu vertreten. In Majors Anschuldigung erkennt Amsdorf einen adiaphoristischen Geist, in den man nicht einwilligen dürfe, sondern den man dezidiert bekämpfen müsse, bis Gott die endzeitliche Erlösung heraufführe.
4. Ausgabe
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Das die Propositio || (Gute werck sind zur Seligkeit || schedlich) ein rechte ware Christ= || liche Propositio sey / durch die || heiligen Paulum vnd Lu= || therum gelert vnd || gepredi= || get. || Niclas von Amssdorff. || Psalm XIIII || Omnes declinauerunt simul inutiles facti sunt, non || est faciens bonum, nec unus quidem. || MDLIX || [9] Bl. 4° [Magdeburg: Ambrosius Kirchner] (VD 16 A 2236)
Berlin
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 10 in: Dm 3 R, Cu 445 R
Dresden
Sächsische Landes und Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E 233,46
Halle
Universitäts und Landesbibliothek SachsenAnhalt: AB 154 075(2), AB 154 880(3), If 2711(6a)
Jena
Thüringer Universitäts und Landesbibliothek: 8 MS 24 985(10)
Leipzig
Universitätsbibliothek: Syst.Th.233k/2a
Lüneburg
Ratsbücherei: Th 239(2)
Lutherstadt Wittenberg
Bibliothek des Lutherhauses: Kn A 341/2420
München
Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3344,28
Nürnberg
Stadtbibliothek: Strob. 8. 1637
Stuttgart
Württembergische Landesbibliothek: Theol.qt.216
Weimar
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.ben.Aut.Amsdorff,N.16
Wolfenbüttel
Herzog August Bibliothek: 329.6 Theol.(33) [benutztes Exemplar], 488.5 Theol.(2)