Gute Werke sind zur Seligkeit schädlich (1559) – Einleitung

1. Historische Einleitung

Im Jahr 1555 verfasste eine Vorrede für den ersten Band der Jenaer Ausgabe der deutschen Schriften .: Christian Rödinger d.Ä., 1555] (CD 16 L 3323). Hier nannte er die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit die schedlichste Ketzerey,Vgl. . die in den vergangenen Jahren vertreten worden sei. Für das Erscheinen des ersten Bandes der lateinischen Schriften der Jenaer Ausgabe im Jahr 1556 wurde diese Vorrede dann übersetzt und dem Band vorangestellt.: Christian Rödinger d.Ä., 1556] (VD 16 L 3422). Im selben Jahr veröffentlichte die ersten beiden Bände seiner Predigtsammlung; . und einen Römerbriefkommentar,. was zu deutlichem Widerspruch herausforderte.Vgl. die . spitzte seine Auffassung über die Bedeutung guter Werke im Jahr 1557 bis zu der These von deren angeblicher Schädlichkeit zur Seligkeit zu, die er in einer Vorrede zu Predigten zu den Kapiteln 18 bis 20 des Johannesevangeliums öffentlich vertrat.: Christian Rödinger, 1557] (VD 16 L 3637), *3r–v; vgl. dazu auch .

Gegen die Vorwürfe des sowie gegen die zugespitzte These erhob 1558 Einspruch in seinem Bekenntnis.Vgl. . Dies veranlasste wiederum, seine These von der angeblichen Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit in der hier edierten Schrift zu verteidigen und deren Richtigkeit zu beweisen.1

2. Der Autor

Zum Folgenden vgl. ; . wurde am 3. Dezember 1483 in geboren. Seit dem Jahr 1500 besuchte er die Universität Leipzig. Zwei Jahre später wechselte er an die damals eben neugegründete Leucorea in . Hier beendete er seine Studien und begann eine akademische Karriere; 1513 und 1522 bekleidete er sogar das Rektorenamt der Universität. Seit dem Jahr 1516 intensivierte sich Kontakt zu immer mehr, so dass er schließlich zur Leipziger Disputation 1519 und zum Wormser Reichstag 1521 begleitete und ihm zur Seite stand. Im Jahr 1524 verließ , wurde Pfarrer an St. Ulrich in und gleichzeitig Superintendent der Stadt. Dort kam er auch in näheren Kontakt zu , da dieser zwischen 1529 und 1537 mit großem Erfolg als Schulrektor in wirkte.

Am 20. Januar 1542 wurde in dann als erster evangelischer Bischof von in sein Amt eingeführt. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 war jedoch gezwungen, sein Amt aufzugeben und zu verlassen. Nachdem er sich zunächst wohl in aufhielt, ging er ab dem Jahr 1548 erneut nach .Zur Schwierigkeit der Bestimmung der Aufenthaltsorte zu jener Zeit vgl. . Dort stritt er zusammen mit , und gegen das Augsburger Interim und gegen die Leipziger Landtagsvorlage (Leipziger Interim).

Im Frühjahr 1552 erhielt er einen Ruf als Superintendent nach . Zwei Jahre später wurde er vom ernestinsichen Herzog in eine Kommission zur Visitation des Herzogtums berufen. Hier begann seine Auseinandersetzung mit , die bis zu dessen Tod im Jahr 1558 nicht beendet werden konnte.Vgl. die . Seit Tod setzte sich vehement dafür ein, dessen Erbe möglichst unverfälscht zu erhalten. Er unterstützte darum die Gründung der Universität Jena als Hort der wahren lutherischen Lehre und das Projekt der Jenaer Lutherausgabe, zu deren erstem Band der deutschen Schriften er das Vorwort verfasste. Eben aufgrund seiner strikten Verteidigung von Lehre kritisierte er von Beginn an These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit.Vgl. . Dies war auch das Motiv, das ihn verlanlasste, sich in alle weiteren Kontroversen seiner Zeit einzumischen, bis er am 14. Mai 1565 verstarb.

3. Inhalt

Zu Beginn der Schrift verweist in einigen einleitenden Bemerkungen auf die ständigen Versuche des Teufels, die reine Lehre zu unterdrücken. Die These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit stelle solch einen Versuch dar, gegen den er, , darum von Beginn an gestritten habe. Zwischenzeitlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gute Werke nicht zur Seligkeit dienten, aber als Früchte des Glaubens bei jedem Christen als Zeichen eines im Glauben neu begonnenen Lebens angesehen werden müssten. Doch dann hätten einige seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit angefochten und damit die papistische Auffassung von der Relevanz guter Werke gestärkt. beruft sich auf Paulus und als Zeugen für die Richtigkeit seiner These und wirft seinen Gegnern vor, höher zu achten als diese beiden.

Daran schließt eine argumentative Verteidigung seiner Aussage von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit an. Vor Gott falle alles menschliche Handeln, auch die Früchte des Glaubens, unter die Sünde. Menschliche Werke seien ihm allein aus Gnade, um Christi willen angenehm. Ohne diese Gnade aber seien alle menschlichen Werke vor Gott ungenügend, ja sogar verdammungswürdig und daher schädlich zur Seligkeit. Menschlicher Vernunft und Weisheit entspreche solch eine Lehre freilich nicht, doch Religion und Vernunft in Einklang bringen zu wollen, sei Ketzerei. Einerseits müsse man darum all die gelehrten Philosophen und Juristen verdammen, da die Heilige Schrift klar die Schädlichkeit guter Werke bezeuge, andererseits müsse die Erkenntnis bewahrt werden, dass kein Mensch, selbst wenn er alle Gebote halte, im Jüngsten Gericht ohne Gottes Gnade und Barmherzigkeit bestehen könne. Die Deutung der hochgelarten, auffgeblasen Geister,Vgl. unten A 4r, S. 479. die seine These von der Schädlichkeit guter Werke zur Seligkeit von den Früchten des Glaubens her verstünden, lehnt er ab. Seine These müsse vielmehr im Licht des menschlichen Bemühens um die Seligkeit verstanden werden. wiederholt, dass auch die Früchte des Glaubens zum Erlangen der Seligkeit nichts austragen, wenn nicht die Gnade Gottes dahinter stehe.

Gegen den Einwand, die Früchte des Glaubens seien weder nötig noch schädlich, wirft seinen Gegnern daraufhin Unwissenheit vor. Die beiden genannten Thesen zu der Bedeutung guter Werke stünden in diametralem Gegensatz zueinander. Denn die Früchte des Glaubens wären zur Seligkeit nicht vonnöten, gehörten aber als Zeichen und Zeugen unausweichlich zum Glauben, der die Seligkeit erlangt. Daraus folgert , dass gute Werke entweder nützlich oder schädlich zur Seligkeit sind; einen Mittelweg gibt es in seinen Augen nicht. Was er zugesteht ist, dass die Früchte des Glaubens nötig zum neuen Gehorsam seien, der auf den Glauben folgt. Zugleich beharrt er darauf, dass die These von der Schädlichkeit guter Werke weiterhin unbedingt in der Kirche gepredigt und gelehrt werden müsse, damit niemand versuche, mittels guter Werke selig zu werden. Sollte diese Lehre ein Ärgernis für die Kirche darstellen, so müsse sie dies aushalten. Denn die Lehre Christi habe ebenfalls ein Ärgernis dargestellt und Christus selbst sei schließlich der Stein des Anstoßes gewesen.

setzt sich sodann mit dem in seinen Augen verleumderischen Vorwurf auseinander, seine Lehre mache die Menschen zu Epikuräern, d.h. zu nachlässigen, ethisch gleichgültigen Individuen. Er betont, dass er die Werke stets als aus dem Glauben hervorgehende Früchte angesehen und damit als Zeichen eines christlichen Lebenswandels für nützlich erachtet habe. Wer dies nicht einsehe und seine Lehre verdamme, müsse auch Lehre und das ganze Evangelium verdammen. Zwar sei ein christliches Leben auf Erden bereits der Auftakt zum ewigen Leben, doch gründe dies nicht nicht auf den Werken, sondern auf dem Glauben. Aufgrund des Glaubens verrichte der Mensch gute Werke. Verliere er aber den Glauben, so verliere er auch die Seligkeit und die Fähigkeit zu guten Werken. Daher sei das Opfern, Predigen, Singen und Lesen der falschen Christen nichts anderes als Sünde.

Abschließend greift und dessen Bekenntnis direkt an. Dass seine These von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit zwar für richtig halte, sie aber nicht weiter vertreten wolle, erachtet er als unangemessen für einen guten Christen und Prediger. verwahrt sich gegen Vorwurf, eine antinomistische Lehre zu vertreten. In Anschuldigung erkennt einen adiaphoristischen Geist, in den man nicht einwilligen dürfe, sondern den man dezidiert bekämpfen müsse, bis Gott die endzeitliche Erlösung heraufführe.

4. Ausgabe

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

Das die Propositio || (Gute werck sind zur Seligkeit || schedlich) ein rechte ware Christ= || liche Propositio sey / durch die || heiligen Paulum vnd Lu= || therum gelert vnd || gepredi= || get. || Niclas von Amssdorff. || Psalm XIIII || Omnes declinauerunt simul inutiles facti sunt, non || est faciens bonum, nec unus quidem. || MDLIX || [9] Bl. 4° [Magdeburg: Ambrosius Kirchner] (VD 16 A 2236)

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