Die alte und neue Lehr Justi Menii (1557) – Einleitung

Die alte und neue Lehr Justi Menii (1557) – EinleitungNr. 10 ULB Darmstadt info:isil/DE-17 Darmstadt Letzte Änderung: 2021-10-27 Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY)

1. Historische Einleitung

Der Superintendent von Gotha, Justus Menius veröffentlichte im Jahr 1556 zwei Schriften,Vgl. Von der be= || reitung zum seligen || Sterben. || Justus Menius.|| || (Von der || Seligkeit. || Ein Predigt || Justi Menij || Vber das Euangelium || Lucae X. ||) [Wittenberg: Georg Rhaus Erben 1556] (VD 16 M 4590 / M 4597). die Matthias Flacius zusammen mit der Publikation zweier Predigtsammlungen durch Georg MajorVgl. PRIMA || PARS HOME= || LIARVM IN EPI= || stolas Dominicales, a prima || Dominica Aduentus Domini, || us[que] ad Dominicam quar= || tam, post Epiphania || Domini. || Autore || Georgio Maiore. D. || VVITTEBERGAE || Ex officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2036); SECVNDA || PARS HOMELIA= || RVM IN EPISTOLAS || dominicales, a Dominica tertia || post festum Epiphanias Do= || mini, usque ad festum || Paschae. || Autore || Georgio Maiore D. || VVITTENBERGAE || Ex Officina Iohannis Lufft. || 1556. || (VD 16 M 2037). aus demselben Jahr zu der Klage veranlassten, dass die beiden in iren gedruckten Buͤchern widerumb den irthumb [erregen], das die gute wercke zur seligkeit noͤtig sein.Von der einig= || keit derer / so fuͤr vnd wider || die Adiaphora in vorgangenen Ja= || ren gestritten haben / Christlicher || einfeltiger bericht / sehr nuͤtz= || lich zu lesen / durch || Matth. Flac. Jl= || lyricum. || || [Magdeburg: Michael Lotther, 1556] (VD 16 F 1536), F 7v. Bereits seit 1554 war Menius den anderen Theologen des ernestinischen Sachsen, allen voran Nikolaus von Amsdorf, verdächtig, Majors These zu unterstützen.Vgl. zum Streit zwischen Menius und den anderen ernestinischen Theologen Schmidt, Menius II, 184–286; Preger, Flacius I, 354–417; Heerdegen, Geschichte der allgemeinen Kirchenvisitation, bes. 63–67, Gehrt, Ernestinische Kirchenpolitik, 98–109. Nachdem Menius somit vorgeworfen wurde, die These: Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit, anscheinend öffentlich zu vertreten, forderten seine Landesherren, die ernestinischen Herzöge, zunächst von ihren Theologen und politischen Ratgebern Gutachten zu den Publikationen von Menius an. Während Nikolaus von Amsdorf und die Mehrzahl der politischen Berater scharf gegen ihn Position bezogen und ihn der Abtrünnigkeit von der wahren Kirche beschuldigten, war der Tenor der Gutachten von Erhard Schnepff sowie von Maximilian Mörlin und Johann Stössel zurückhaltender.Zu den Gutachten vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 104f; Schmidt, Menius II, 195–200. Auch sie erkannten in den beiden zu begutachtenden Schriften zwar missverständliche Aussagen, doch keine klare Abweichung von der rechten Lehre. Mörlin und Stössel plädierten darum, auch weil sie um weitere Auseinandersetzungen zwischen Amsdorf und Menius fürchteten, für die Einberufung eines Konvents, auf dem Menius seine Aussagen erläutern sollte. Daraufhin bestellten die ernestinischen Herzöge Menius Anfang August 1556 nach Eisenach ein, damit er sich dort vor ihnen und den führenden Theologen des Herzogtums rechtfertigte.Vgl. Ebd.; Richter, Gesetz und Heil, 137–139.

Amsdorf hatte von Beginn an keine große Hoffnung, dass diese Zusammenkunft eine Annäherung mit sich bringen würde, und Menius beteuerte nach wie vor, keine falsche Lehre vertreten zu haben. Da die ernestinischen Theologen, unter ihnen der Verhandlungsführer Victorin Strigel, keine Nachweise einer falschen Lehre aus den beiden gerade publizierten Schriften beibringen konnten, schwächte sich ihre Verhandlungsposition.Zu den Verhandlungen vgl. Richter, Gesetz und Heil, 142–145; Schmidt, Menius II, 203–237. Menius gelang es hingegen, seine Position durchzuhalten. Er unterzeichnete zwar die ihm abschließend vorgelegten, von Strigel verfassten sieben Artikel, doch nur mit dem Zusatz, dass er bisher keine falsche Lehre vertreten habe.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 145–149, Schmidt, Menius II, 236f. Dies und die Formulierung des ersten Artikels, in dem Majors Aussage von den guten Werken nicht gänzlich verworfen, sondern konstatiert wurde, dass sie in der Lehre vom Gesetz abstractive et de idea statthaftDingel, Einleitung, 20f. sei, provozierte Amsdorf erneut zu heftigem Widerspruch.Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 151–160; es entstand daraus letztlich der Zweite antinomistische Steit: vgl. Richter, Gesetz und Heil; unsere Ausgabe Bd. 4. Dass Menius von den Herzögen eine öffentliche Verteidigung verboten wurde, Amsdorf hingegen eine Schrift gegen ihn in Jena drucken lassen durfte,Das Justus Meni= || us sein Vocation vnd Kirche || heimlich verlassen / vnd von || der reinen Lere des || Euangelij abge= || fallen sey. || Niclas von Amsdorff.|| || (Kurtze Antwort M. || Anthonij Otthonis / auff das || Lesterbuch Menij. ||) [s.l., 1557] (VD 16 A 2345); zu Jena als Druckort vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 107. veranlasste ihn schließlich zur freiwilligen Aufgabe seines Amtes als Superintendent in Gotha und zu seiner Übersiedlung in das albertinische Kurfürstentum Sachsen Anfang des Jahres 1557, wo er die Superintendentur in Leipzig übernahm.Vgl. Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 107f; Schmidt, Menius II, 245–252.

Zur selben Zeit erschien die bereits zitierte Schrift von Flacius mit dem erneuerten Vorwurf, Menius würde Irrtümer verbreiten. Zudem veröffentlichte Flacius eine weitere Schrift, in der er aus Menius’ Buch Der Wiedertäufer Lehre und Geheimnis zitierte,Vgl. Der widderteu || ffer Lere vnd geheim || nis / Aus heiliger schrifft || widderlegt. || Justus Menius. || Von der Wid= || dertauffe an Zween || Pfarher / Ein Brieff. || D. Martinus Luther || Vnterricht wid || der die lere der Wid= || derteuffer. || Philip. Melancht. || [Wittenberg: Nickel Schirlentz 1534] (VD 16 M 4604; weitere Nummern: L 7241, M 2431). um anhand von dessen eigenen, früher vertretenen Positionen zu beweisen, dass er nun von der rechten Lehre abgefallen sei.Vgl. Bekentnus M. || Flac. Jllyrici von etli= || chen jrthumen Maioris. || Item etliche spruche Menij. || || [s.l. 1557] (VD 16 F 1278), C 7r–8v. Durch den Umzug nach Kursachsen nun jeglicher Druckverbote in seiner Sache ledig, reagierte Menius darauf mit einer stark polemischen Schrift.Vgl. Verantworttung || Justi Menij || Auff || Matth. Flacij Jllyrici gifftige || vnd vnwarhafftige verleumb= || dung vnd lesterung. || ANNO || M.D.LVII. || [Wittenberg: Georg Rhau, 1557] (VD 16 M 4583); im selben Jahr erschien eine weitere Auflage dieser Schrift (VD 16 M 4584). In dieser bestritt er Flacius das Recht zur Kritik, da er innerhalb der Kirche zu keinem Amt ordentlich berufen sei, was ihm dies erlauben würde.Vgl. Ebd., M1v–M 2r. Die hier edierte Schrift Die alte und neue Lehre Justi Menii von Flacius stellt wiederum die Antwort auf diese Veröffentlichung von Menius dar.

2. Der Autor

Matthias FlaciusZum folgenden und allgemein zur Person vgl. Preger, Flacius; Olson, Flacius; Gehrt, Ernestinische Konfessionspolitik, 109–114. war 1520 in Albona, dem heutigen Labin/Kroatien geboren worden. Den Rat seines Verwandten, des Franziskanerprovinzials Baldo Lupetina, befolgend, bezog er die Universitäten Basel, Tübingen und ab 1541 Wittenberg. Dort wurde Luther für ihn nicht nur in theologischen Fragen, sondern auch in persönlichen Angelegenheiten zu der maßgeblichen Zentralgestalt, da er es, wie er rückblickend selbst berichtete, Luthers Seelsorge verdankte, von jahrelangen, schweren Anfechtungen befreit worden zu sein. Nach dem Tod Luthers und den Auseinandersetzungen um die Aufrechterhaltung der reinen lutherischen Lehre nach dem Augsburger und sogenannten Leipziger Interim 1548/49 kann es daher nicht verwundern, wenn er sich massiv für die Bewahrung von Luthers Erbe einsetzte. Von 1549 an verfasste er in Magdeburg zu diesem Zweck zahlreiche Schriften und wurde so zu dem profiliertesten und produktivsten Verteidiger der lutherischen Lehre.

Die ernestinischen Herzöge von Sachsen befanden sich, bedingt durch die im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 erlittenen Verluste, mit ihren siegreichen albertinischen Vettern im territorialpolitischen Streit. Dieser wirkte sich gerade auch auf die Religionspolitik massiv aus. Die Ernestiner versuchten den Verlust der Universität Wittenberg durch die Gründung einer Universität in Jena zu kompensieren und damit den Anspruch zu erheben, die wahren Sachwalter und Erben der Lehre Luthers zu sein.Zu den Streitigkeiten zwischen den Ernestinern und Albertinern vgl. Bünz, Eine Niederlage wird bewältigt, passim. Seit 1555 unternahmen die ernestinischen Herzöge den Versuch, Flacius auf eine theologische Professur an ihrer neugegründeten Universität in Jena zu berufen. Im Juli 1556 verpflichtete sich Flacius schließlich, an Ostern des folgenden Jahres, nach Jena zu wechseln. Die Herzöge banden ihn daraufhin stark in ihre Religionspolitik ein. Auf Reichsebene nahm Flacius im Namen der Herzöge am Regensburger Reichstag und am Wormser Religionsgespräch 1556/57 teil. Auf territorialer Ebene erhofften sich die Herzöge durch Flacius die Schaffung und Aufrechterhaltung einer einheitlichen theologischen Lehre. Darum ernannten sie ihn zum Obersuperintendenten in ihrem Land.

Zeitlich parallel zu seiner Indienstnahme und seiner tatsächlichen Ankunft in Jena am 27. April 1557 verlief die Kontroverse zwischen den ernestinischen Theologen und Justus Menius sowie die Auseinandersetzungen um das Ergebnis der Eisenacher Synode,Im August 1556 hatte Strigel auf Veranlassung von Herzog Johann Friedrich II. als Ergebnis der Disputation mit Menius sieben Thesen verfasst, die festhielten, dass allein der Glaube rechtfertige und die guten Werke nicht nötig seien, um das Heil zu bewahren. Vgl. dazu Richter, Gesetz und Heil, 145–149. in die Flacius darum von den Herzögen bereits mit einbezogen wurde. Von ihm wünschten sie sich die Beruhigung der Situation durch eine Anerkennung der Eisenacher Thesen. Es zeigte sich jedoch, dass Flacius, obwohl er den Thesen nicht so kritisch begegnete wie Amsdorf,Vgl. Richter, Gesetz und Heil, 162–169. weder die Situation im Herzogtum Sachsen kurzfristig beruhigen noch langfristig die Einigung auf eine einheitliche Lehrgrundlage erreichen konnte. Vielmehr geriet er in Streit mit den anderen ernestinischen Theologen, was 1561 dazu führte, dass er seiner Ämter wieder enthoben wurde.

In den folgenden Jahren führte Flacius zusammen mit seiner Familie ein unstetes Leben, das ihn zunächst nach Regensburg (1562–1566), dann nach Antwerpen (1566–1567) und Straßburg (1567–1573) sowie schließlich nach Frankfurt am Main führte. Dort verstarb er am 11. März 1575.

3. Inhalt

Nachdem Menius in seiner Verantwortung Flacius scharf attackiert hatte, antwortete dieser mit der hier edierten Schrift. Bereits auf der Titelseite reagierte Flacius auf die schärfste Kritik von Menius. Dieser hatte die Rechtmäßigkeit seiner Berufung in Frage gestellt und ihm damit das Recht zur Kritik an anderen Theologen bestritten. Flacius verweist darum darauf, dass nach Mt 18 jeder Christ dazu berufen sei, die Sünden seines Bruders zu tadeln.

Die Schrift als solche lässt sich in zwei Teile gliedern und zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen eigenständigen Argumentationsgang aufweist. Vielmehr stellt Flacius zunächst Zitate aus unterschiedlichen Werken von Menius zusammen, um dessen Abfall von der rechten Lehre zu erweisen. Dabei geht Flacius so vor, dass er in einem ersten Teil die alte Lehre von Menius anhand der Wiedergabe von Passagen aus dessen älteren Werken darstellt. Er zieht zu diesem Zweck Menius’ Übersetzung von Luthers Galaterkommentar, Menius’ Buch gegen die TäuferVgl. Anm. 13. und Von der NotwehrVon der Notwehr || vnterricht: || Nützlich zu || lesen. || Durch Justum Menium. || [Wittenberg: Veit Kreutzer, 1547] (VD 16 M 4592); vgl. Schneider, Politischer Widerstand. sowie das Bekenntnis der ernestinischen Herzöge aus dem Jahr 1549,Confession vnd Be= || kentnis des Glau= || bens der durchleuchten Hoch= || gebornen Fuͤrsten vnd herrn herrn Johans Fridri= || chen des mitlern / herrn Johans Wilhelm / vñ herrn || Johans Fridrichen des juͤngern hertzogen zu || Sachsen Landgrauen zu Duͤringen vnd || Marggrauen zu Meissen etc. land= || schafft zu Duͤringeu vbergeben || auffm landtage zu Wei= || mar. Anno.|| M.D.XXXXIX.|| || [Königsberg: Hans Lufft, 1550] (VD 16 S 1141). das Menius verfasst haben soll, heran. Die Zitate dienen dem Beweis, dass Menius in der Vergangenheit recht gelehrt habe. Dies kontrastiert Flacius daraufhin in einem zweiten Teil mit Zitaten aus neueren Werken von Menius, um dessen neue, falsche Lehre darzustellen. Flacius bezieht sich dabei auf die ungedruckten 110 Propositiones aus dem Jahr 1554, die ebenfalls ungedruckte Verteidigungsrede von Menius während der Eisenacher Synode von 1556, die Schriften Von der Seligkeit und Von der Bereitung zum seligen SterbenVgl. Anm. 1. aus demselben Jahr sowie den ungedruckten Zusatz, den Menius seiner Unterschrift unter die sieben Artikel der Eisenacher Synode beifügte. Die Gegenüberstellung von Zitaten endet mit einem Hinweis auf Menius’ Schrift Von der Gerechtigkeit die fur Gott gilt aus dem Jahr 1552,VO] der Ge= || rechtigkeit die fuͤr || Gott gilt. || Wider die newe Alcumistische || Theologiam Andreae Osiandri. || Justus Menius. || [Erfurt: Gervasius Stürmer, 1552] (VD 16 M 4591). um die Widersprüchlickeit in Menius’ Lehre zu veranschaulichen.

4. Ausgabe

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

Die alte vnd newe || Lehr Justi Menij / jederman zur || Warnung vnd jtzt zu einem vor= || drab Matth. Fl. Illyrici. || Die Vocation aller Christen || Matth. 18. || Sundiget aber dein Bruder an dir / so || gehe hin / vnd straffe jn zwisschen dir vnd jm || alleine. Hoͤret er dich / so hastu deinen Bru= || der gewonnen. Hoͤret er dich nicht / so nim || noch einen oder zween zu dir / auff das alle || sache bestehe auff zweier oder dreier Zeugen || mund. Hoͤret er die nicht / so sage es der Ge= || meine. Hoͤret er die gemeine nicht / so halt jn || als einen Heiden vnd Zoͤlner. Warlich ich || sage euch / Was jr auff erden binden werdet / || sol auch im Himel gebunden sein / Vnd was || jr auff Erden loͤsen werdet / sol auch im Hi= || mel los sein. || Menius schreiet viel von meiner Vocation / || Da ist die Vocation aller Christen. || [6] Blatt 4° [s.l. 1557] (VD 16 M 4537)

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 2 in: Dm 3 R

Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 2547

Gotha, Forschungsbibliothek: Th 431(7)R, Theol.4 210–211(5)

Halle, Universitäts­ und Landesbibliothek Sachsen­Anhalt: AB 154 346(11)

Jena, Thüringer Universitäts­ und Landesbibliothek: 4 Theol.XLIII,6(13)

München, Bayerische Staatsbibliothek: Res/4 Polem. 3344,22

München, Bibliothek der Ludwig­Maximilians­Universität: 4 Theol.5209:2a

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 511.32 Theol.(20), H 139 A.4 Helmst.(2)

Wittenberg, Lutherhalle: Kn A 339/2357

Zwickau, Ratsschulbibliothek: 8.6.3.(1)