Propositiones de bonis operibus (1553) ­ Einleitung

1. Historische Einleitung

stand möglicherweise seit 1548 im Kirchendienst der , seine Anstellung war jedenfalls unter der Herrschaft des dem Interim gegenüber kompromissbereiten Teils der Grafen erfolgt.Vgl. . Und wenn für die Anstellung auch der Aspekt der Versorgung der Hinterbliebenen eine Rolle gespielt haben dürfte, war wohl von 1546 bis zu seinem Tode im April 1547 Pfarrer in gewesen. Zu seinem Lebensweg vgl. den , 253–255. Ob seine Ehefrau oder weitere unversorgte Kinder ihn überlebten, geht daraus allerdings nicht hervor. , schreibt, sei bereits Pfarrer in gewesen. so zeigt doch nicht zuletzt die hier edierte Schrift, dass die theologische Position des jüngeren sich zur Kirchenpolitik des , der Mansfelder Grafen und ihres Superintendenten durchaus fügte, während die übrige Pfarrerschaft zum großen Teil dem Leipziger Interim schroff ablehnend gegenüberstand.Vgl. auch Aussage in der Vorbemerkung zu seinen Thesen, er werde angefeindet, weil er die Opposition gegen nicht unterstütze. Das Bedenken der Mansfelder Prediger, die sich darin gegen die Lehren wandten, wurde wahrscheinlich in der zweiten Novemberhälfte verfasst.Vgl. die Erwägungen zur Datierung in der Einleitung, . Vermutlich wurde es auch zur Unterschrift zugeleitet, und dieser beließ es nicht dabei, die Unterzeichnung abzulehnen, sondern wurde dadurch zur Abfassung der hier edierten Propositiones veranlasst.Eine deutsche Fassung ist handschriftlich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel erhalten: von Guten Wercken vnd der Frage Ob gute Werck zur seligkeit nötig sind. (). Das Vorwort dazu datiert vom 26. November 1552. Daraus geht hervor, dass um die Existenz von Sermon von S. Pauli BekehrungVgl. . wusste, er setzte ihn als bekannt voraus.Evtl. war , von dessen positiver Einstellung ihm gegenüber ja zweifellos wusste, einer der ersten, die den Text zur Lektüre erhielten? Möglicherweise hatte der Text aber zu dieser Zeit noch kaum kursiert, denn das Bedenken der Prediger nimmt nicht explizit Bezug darauf. Vielleicht war bekannt geworden, dass daran arbeitete, vielleicht hatte er die Schrift auch verschiedentlich in Predigten oder bei anderen Gelegenheiten angekündigt, aber eine detaillierte Bezugnahme liegt nicht vor und wäre in der Kürze der Zeit auch schwerlich zu leisten gewesen. Erst der Appendix des Magdeburger Herausgebers,Vermutlich ; vgl. . geht in scharfer Form auf die Schrift und insbesondere auf deren Vorwort ein. Man darf annehmen, dass zur Zeit der1 Drucklegung dieses Texts das lange CommentSo wird Sermo im Appendix zum Bedenken genannt; siehe oben S. 313,13. von gedruckt vorlag. Das war allerdings bereits nach dem Weggang aus , denn schon seine Nachschrift an die christlichen Leser formuliert er aus der Perspektive /. Der Schlussteil von Sermon ist also erst im Januar 1553 geschrieben, womöglich erst im Februar. Das Bedenken mit dem Appendix wurde dann wohl auch erst in der zweiten Januarhälfte oder im Februar gedruckt. Von Propositiones wusste man zu dieser Zeit in und noch nichts.Zumindest hatte man offiziell keine Notiz davon genommen, sie waren demnach noch nicht im Druck erschienen; möglicherweise hatte die Thesen zunächst handschriftlich kursieren lassen. Erst das zweite Schreiben der Mansfelder, das relativ kurze Zeit nach der Drucklegung des ersten verfasst und gedruckt wurde,Wohl keine sechs Wochen später, also vielleicht Anfang/Mitte März oder früher, denn anstelle der Unterschriften wird einfach auf die Unterzeichner des vorigen Schreibens verwiesen. So hätte man bei deutlichem zeitlichem Abstand schwerlich verfahren können, abgesehen davon, dass Mitte März anstelle von Oberpfarrer an St. Nicolai zu wurde, so dass späterhin eine solche pauschale Angabe der Unterzeichner nicht mehr möglich war, wenn man es damit genau nahm. zielt ausdrücklich auf ; daher dürften dessen Thesen erst relativ kurz zuvor erschienen sein, also vermutlich Anfang März, allenfalls Ende Februar 1553.Der Magdeburger Pfarrer erwähnt Thesen anscheinend im Vorwort zu seiner Neuausgabe (VD 16 L 4442) der Promotionsthesen von Palladius und Tilemann (vgl. ), das zu Pfingsten 1553 verfasst wurde, vgl. . Da auf dem Titel der Propositiones als Pfarrer in der bezeichnet wird und die Gegenschrift der Mansfelder Prediger ihn als Pfarrherrn zu apostrophiert, ist davon auszugehen, dass die Drucklegung der Thesen nach Rückkehr aus erfolgte,Wären Propositiones noch im Jahr 1552 erschienen, hätten die Mansfelder früher darauf geantwortet. Dass das Vorwort vom 26. November 1552 datiert, spricht nicht dagegen. wo er im Januar und Februar 1553 als Pfarrer an St. Georg tätig gewesen war. Der Weggang aus hatte vermutlich veranlasst, sich ebenfalls nach einer anderen Wirkungsstätte umzusehen, und hatte ihn nach empfohlen, wo man nach Abschluss des Passauer Vertrages das Kirchenwesen restituieren wollte und auf der Suche nach Predigern war., 10. Dezember 1552; ); präsentiert in am 4. Januar 1553, wohl von selbst; aus dem Schreiben des Rates an vom 27. Januar 1553 () geht hervor, das inzwischen in eingetroffen ist. Möglicherweise hatte die Propositiones dem Augsburger Rat gegenüber genutzt, um seine Position darzulegen. Dazu könnte sowohl die vergleichsweise pauschale Angabe des Aufenthaltsortes zur Zeit der Abfassung (, nicht das Örtchen , dessen Kenntnis in nicht vorauszusetzen gewesen wäre) wie auch die dezidierte Unterzeichnung als Augustanus passen. Allerdings ist im Vorwort von Auseinandersetzungen innerhalb der Grafschaft die Rede, um derentwillen die Thesen herausbringe. Wegen Unstimmigkeiten mit dem Rat u. a. bezüglich der kirchlichen Zeremonien kam Anfang März 1553 nach (vgl. ; ); möglicherweise kehrte er nicht nach zurück, jedenfalls endete seine dortige Tätigkeit abrupt. Dass man nach seiner Rückkehr aus in der Grafschaft wieder aufnahm, könnte damit zu tun haben, dass im Druck noch keine missliebigen Äußerungen von ihm bekannt geworden waren und dass sein verstorbener Vater als ehemaliger Beinahe-Märtyrer war 1522 in als Ketzer gefangengenommen worden und erwartete in den Tod auf dem Scheiterhaufen, kam aber frei und fand 1524 Aufnahme und Anstellung in . Vgl. , 104f. und Förderer der Reformation in noch immer einen guten Ruf genoss, auch wenn er nur kurz in tätig gewesen war. Die Veröffentlichung der Propositiones kann in der Absicht erfolgt sein, den eigenen Standpunkt durchzusetzen und sich gegen fortbestehende Angriffe aus dem Kollegenkreis zu verteidigen. Man konnte die einleitenden Bemerkungen aber auch als eine Empfehlung gegenüber den Grafen lesen; denn führte die Aversionen seiner Kollegen darauf zurück, dass er sich an deren Revolte gegen den Superintendenten nicht beteiligt habe.

Die Veröffentlichung sorgte offenbar für erhebliches Aufsehen und Empörung unter den Amtsbrüdern, was sich in einer gedruckten Antwort niederschlug. außgegangene schlußreden || vnd schmeschrifften / die newen lere || in vnsern Kirchen / Das gute || werck zur seligkeit noͤ= || tig sein / belan= || gende. || Anno 1553. (VD 16 P 4744) Im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk bey || Michael Lotther. || Anno 1553. [12 Bl. 4°] Auf der letzten bedruckten Seite, Bl. C 4r, steht oberhalb des Kolophons: Subscriptio. Die Prediger inn der Herrschafft / welche sich dem vorigen bedencken vnterschrieben haben. (Vgl. ) Damit wird unmittelbar auf das in edierte Stück Bezug genommen. In der Folgezeit holten die Mansfelder Grafen über ein Bekenntnis – möglicherweise handelte es sich um die vorliegenden Propositiones – ein Gutachten der theologischen Fakultät der Universität Leipzig ein, das anscheinend für günstig ausfiel.Vgl. den . Könnte es sich bei dem begutachteten Bekenntnis um die hier edierten Thesen gehandelt haben? Dennoch musste er sich im Februar 1554 vor einer Synode in unter Vorsitz des Superintendenten Erasmus SarceriusDiesen hatte in seiner These XVII noch als Gewährsmann angeführt. Zu seiner Vita vgl. unten Einleitung zu Nr. 9, S. 357, Anm. 1. verantworten. fand sich bereit, über das strittige Thema niemals wieder zu lehren, zu reden oder zu disputieren und an der Augsburger Konfession festzuhalten. Seine Thesen ausdrücklich zu verwerfen, lehnte er jedoch ab, und so verlor er sein Amt.Vgl. .

2. Der Autor

,Über ihn vgl. , 362–364; ; , 62; . wurde in geboren, wo sein Vater, , zwischen 1524 und März 1531 an St. Anna als evangelischer Prediger tätig war. Im Sommersemester 1544 immatrikulierte er sich an der Universität Leipzig. Nach dem Tod des Vaters im April 1547 suchte er vermutlich seine Studien zügig abzuschließen und übernahm wohl um 1548 den Dienst in der Pfarrei Helbra in der .Aus den hier edierten Propositiones geht hervor, dass Ende November 1552 im Kirchendienst der stand. Im , wird angegeben, dass bereits 1548–1553 Pfarrer in gewesen sei, allerdings erfasst die Pfarrerliste für in diesen Zeitraum noch nicht. In den Jahren 1549 bis 1551 betätigte sich der jüngere als Übersetzer lateinischer Schriften von , , und anderen ins Deutsche. Mit der Rückkehr des in seine Besitzungen, ermöglicht durch den Passauer Vertrag, wurde anscheinend nicht nur die Stellung des seitherigen Superintendenten problematisch, sondern auch sein Unterstützer versuchte offenbar, außerhalb der Grafschaft eine neue Stelle zu erhalten. empfahl ihn mit Schreiben vom 10. Dezember 1552 als Prediger an den Rat der Stadt ;Vgl. oben Anm. 11. im Januar und Februar 1553 war dort als Pfarrer an St. Georg tätig, konnte sich jedoch mit den örtlichen liturgischen Gepflogenheiten nicht arrangieren, und es mag wohl auch zu sonstigen Misshelligkeiten gekommen sein. Jedenfalls finden wir nach wenigen Wochen in seiner Geburtsstadt und nach einem kurzen Aufenthalt in – wieder? – als Pfarrer im mansfeldischen . Nach dem Verlust der dortigen Pfarrstelle wurde er mit Datum vom 24. Juni 1554 an der Leucorea immatrikuliert und erwarb den Magistergrad. 1555 wurde Pfarrer an St. Maximin in . Hier übersetzte er Kommentare zu den Propheten Obadja, Nahum, Zephanja und Maleachi.Abgedruckt in der Altenburger und der Leipziger Ausgabe der Werke . Auch in blieben Ausführungen zur Frage der Notwendigkeit guter Werke nicht unbeanstandet; dabei dürfte es seiner Stellung nicht genutzt haben, dass die altgläubigen Bischöfe und erklärten, in diesem Punkt mit dem evangelischen Prediger völlig übereinzustimmen. 1557 ging als Domprediger nach . An Pfingsten 1560 legte er sein Amt nieder und konvertierte zur römischen Kirche; der Naumburger Bischof sorgte in Verbindung mit dem Kardinal und Augsburger Bischof für die Übersiedelung von Frau Apollonia, geb. Riplitz,Vgl. . und ihren beiden Kindern nach zum dortigen Domprediger . Im selben Jahr unternahm auch eine Reise nach . Auf den Rat des hin soll er sich bis zu seinem Tode 1562 in ein Kloster zurückgezogen haben. Von protestantischer Seite wurde kolportiert, er habe sich verzweifelt in die Adria gestürzt bzw. sei im Tiber ertrunken.Möglicherweise starb er auf einer Reise nach ; vgl. . Als er starb, war vermutlich erst etwa 36 Jahre alt.

3. Inhalt

Die Druckschrift, mit der sich an der Auseinandersetzung um die Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit einschaltete, besteht im wesentlichen aus drei Teilen: 1. In der Vorrede legt dar, dass er zur Veröffentlichung genötigt sei durch die Verleumdungen von Amtsgenossen, er verbreite falsche Lehre bezüglich der Notwendigkeit guter Werke; dabei nehme man es ihm vor allem übel, dass er sich nicht an den Intrigen gegen den Superintendenten und andere seiner hochgeschätzten Lehrer beteiligt habe. 2. Es folgen 19 Thesen, in denen darlegt, dass in der Rechtfertigungslehre die Exklusivpartikel sola unaufgebbar sei, dass damit aber gute Werke als notwendiger Bestandteil eines christlichen Lebens keineswegs ausgeschlossen seien, sondern im Gegenteil dazugehörten. Auch der Trost für reuige Sünder, die sich erst auf dem Sterbebett bekehrten, sei dadurch nicht ausgeschlossen, man könne auf das Verdienst Christi und das im Sterbenden begonnene gute Werk der Bekehrung verweisen; das sei besser, als fälschlich zu behaupten, gute Werke seien unnötig. 3. Abschließend führt vier Begründungen an, die sein Gewissen an dem Satz festhalten ließen, gute Werke seien notwendig zum Heil.

In Anbetracht des opaken Stils und der gedrängten Kürze der Darlegungen wird im folgenden ausnahmsweise eine vollständige Übersetzung des Textes geboten:

Thesen aus ,

Dieners der Kirche Christi in der ,

über gute Werke und die Frage, ob Werke zum Heil notwendig seien.

Epheser 2[,10]: Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

Was wahr ist, bleibt allezeit wahr.

Den unvoreingenommenen Lesern Heil in Christus!

Ich hatte nicht vor, diese Thesen herauszugeben, weil ich wusste, dass dieser Stoff auch früher schon klar genug von unseren Herren Praezeptoren überliefert und neuerdings in einer frommen und sehr gediegenen Schrift von dem Hochwürdigen ausführlich erläutert worden ist, wenn nicht die Frechheit meiner Gegner, die allein aus dem Grunde mit mir uneins sind, dass ich die Kirche Christi mit ihnen nicht dadurch verwirren will, unsere Lehrer und die wahre Lehre wütend zu verdammen und zu verhöhnen, mich dazu genötigt hätte. Sie haben nämlich mit großem Ärgernis für die Kirche Christi, der ich Unwürdiger diene, Gerüchte ausgestreut, ich verwirrte die Gewissen durch meine öffentlichen Predigten, weil ich diese Sache nicht recht einsähe. Damit ich daher entweder von ihnen belehrt werden kann, worin ich irre, oder aber, wenn sie dies nicht tun sollten oder könnten, öffentlich darlege, dass dieses Gerücht über mich nichtig und falsch ist, gebe ich gezwungenermaßen diese Thesen heraus. Seht es ihnen nach, beste Leser, dass sie an Gewandtheit des Stils denjenigen nicht gleichkommen, die schon früher von hochgelehrten Männern zu dieser Frage herausgegeben worden sind, und urteilt günstig und ohne Rücksicht auf persönliche Gefühle darüber, und lebt wohl in Christus. Aus meinem ländlichen Musensitz in der , 26. November 1552.

, aus gebürtig

Mit Christi Hilfe.

I.

Wie es nötig war, ist und immer sein wird, um die erschrockenen Gewissen zu trösten und um dem Sohne Gottes und der göttlichen Barmherzigkeit die schuldige Ehre zu erweisen, die Partikel Sola in der Rechtfertigungslehre zu verteidigen, ungeachtet, auf welche Weise diese Lehre von unseren Gegnern in einem von unserer Auffassung unterschiedenen Sinn erläutert und aufgefasst wird, nämlich als schlössen wir gleichsam durch diese Partikel notwendig vorausgehende, gleichzeitige und nachfolgende Tugendhandlungen aus, obgleich ihnen allein die Würde des Verdienstes, und damit sie nicht Ursache der Versöhnung seien, abgesprochen werden soll,

II.

so ist es nicht weniger nötig, ohne in dieser Hinsicht Rücksicht auf die Gegner zu nehmen, damit nicht deren abwegige und falsche Auslegung unserer Aussage schließlich für wahr gehalten werde, und damit nicht auch unsere Hörer selbst eine von unserer Auffassung abweichende Meinung annehmen, besonders zu dieser Zeit, zu der von gewissen Leuten, die sich zu den unsern zählen wollen, die gegenteilige Auffassung mit großer Anstrengung verteidigt wird, aufs beharrlichste zu bestätigen und zu verteidigen, dass gute Werke zum Heil in der Weise notwendig sind, dass niemand gerettet werden kann, wenn sie fehlen und dem Glauben nicht nachfolgen.

III.

Denjenigen aber, die fragen, auf welche Weise dies geschehen könne, dass wir allein durch das Verdienst Christi und durch den Glauben, der dieses ergreift, gerettet werden, antworten wir kurz: Dies sei das Wesen des Glaubens, dass er, wenn er auch allein rechtfertige und errette, dennoch nicht ohne Werke sein könne, und es sei die Bewegung des Heiligen Geistes, der den Menschen, der die Verheißung von Christus, dem Versöhner, annimmt, erneuert und neugebiert. Mit dieser [Bewegung] sind stets verbunden, und ohne jene können sie nicht sein, viele herrliche Werke der Ersten Tafel, Liebe zu Gott, Furcht Gottes, die hierauf folgen, und weitere äußerliche und der Zweiten Tafel gemäße (mit Verlaub) Werke. Wo sie aber nicht folgen, ist der Glaube nicht wahr und errettet nicht. Wir werden nämlich errettet durch jenen lebendigen, wahren und lebendigmachenden Glauben.

IIII.

Denjenigen aber, die darüberhinaus fragen, warum wir, wenn doch die Werke von sich aus irgendwie in den Gläubigen durch Bewegung des Heiligen Geistes folgen, gleichwohl auf sie dringen, als wären sie notwendig, antworten wir: Dies geschieht, damit die Menschen sich nicht schmeicheln über irgendeinen Glauben, der zum Heil angeblich hinreiche, und damit aus diesem Grund das tote Fleisch um so leichter sich dem Geist zu unterwerfen lernt.

V.

Denjenigen, die widersprechen und sagen, durch diese Aussage werde der Trost denjenigen verwehrt, die sich im letzten Kampf winden, antworten wir folgendermaßen: Diejenigen tun übel, die diese durch einen leeren und toten Glauben trösten wollen, und es kann nichts Besseres geschehen, als dass sie zu diesem lebendigen, wahren und lebendigmachenden Glauben geführt werden, was durch den folgenden Schluss geschehen wird.

VI.

Menschen, die sich im Todeskampf abmühen, soll man nicht in solcher Weise trösten, dass Werke nicht nötig wären zum Heil, sondern in Gewissensschrecken wegen der Sünden soll man sie zum Verdienst Christi und [seinen] Verheißungen führen, und allein diese soll man ihnen einprägen, und man soll sie ermahnen, dass sie jenen zustimmen und vertrauen. Wenn sie diesen glauben und weiter darüber klagen, dass sie an den Werken zweifeln, soll man sie an jenen durch die Bewegungen des Heiligen Geistes bereits in ihnen begonnenen und gottgefälligen Gehorsam (wie unvollkommen er auch immer sei) und an die zu vergebende Unvollkommenheit erinnern, wie es bisher immer von frommen und in der Lehre erfahrenen Dienern der Kirche geschehen ist.

VII.

Wenn man dies berücksichtigt, kann jeder leicht urteilen, was jenem zu antworten sei, der neulich nach seiner eigenen Einschätzung sehr naheliegend und scharfsinnig von uns wissen wollte, wieviel Pfund guter Werke zum Heil notwendig seien.

VIII.

Diejenigen, die aus diesem Lehrsatz, den wir bejahen, im Widerspruch zu unserer Erklärung und zur vollständigen Gestalt unserer Lehre folgern, dass wir lehrten, oder dass, auch wenn wir nicht [ausdrücklich] so lehrten, doch offenbar folge, dass Werke Ursache oder Verdienst des Heils seien, tun dies mit derselben Aufrichtigkeit, mit der die Papisten unserem Lehrsatz über den allein rechtfertigenden Glauben widersprechen, wie wir oben angezeigt haben.

IX.

Eine falsche Auffassung haben diejenigen, die glauben, daraus, dass die Wahrheit gelehrt wird, könne irgend etwas Schlechtes folgen, oder daraus, dass sie verschwiegen wird, etwas Gutes.

X.

Es werde daher einfach, klar und beständig gelehrt, und es werde die Wahrheit über beide Artikel, sowohl über die Rechtfertigung ohne Werke, als auch über die Notwendigkeit guter Werke zum Heil, nicht verschwiegen, auch wenn die Welt in Trümmer fällt.

XI .

Denn es ist nichts Gutes zu erwarten bei unseren Gegnern, auch wenn von uns der guten Werke keinerlei Erwähnung mehr geschehen sollte, bei den unsern aber in diesem verderbten Zeitalter sehr viel Schlechtes.

XII.

Diejenigen, die meinen, durch diesen Lehrsatz, wenn er deutlich vorgetragen wird, würden die Gewissen verwirrt, irren sich; sie [die Gewissen] werden aber verwirrt, wenn er [der Lehrsatz] mit solch großer Hartnäckigkeit zurückgewiesen wird, oder wenn Leute, die bislang anscheinend das Evangelium rein und klar gelehrt haben, den Zurückweisenden Beifall klatschen.

XIII.

Nicht recht unterwiesen ist in Fragen der Frömmigkeit, wer nicht ohne Widerwillen beide Lehrsätze, sowohl denjenigen über den allein rechtfertigenden Glauben, als auch denjenigen über die zum Heil notwendigen guten Werke, hört und versteht.

XIIII.

Zu lehren, gute Werke seien nicht zum Heil notwendig, ist eine verderblichere Lehre als die der Antinomer, wobei sie in vielem übereinstimmen. Jene nämlich waren dieser Auffassung in bezug auf die der Rechtfertigung vorangehenden Werke, diese schlicht in bezug auf alle.

XV.

Haarspalterisch handeln, die in Schlussfolgerungen gegen uns die Rechtfertigung und das Heil verbinden (Dass zur Rechtfertigung nämlich gute Werke nicht notwendig sind, wissen, bekennen und lehren wir selbst.) oder faseln, es sei dasselbe, dass man gerettet werde und dass Werke zum Heil notwendig seien.

XVI.

Mit welcher Treue außerdem an uns handelt, wer dem Wort bewahren eine gegenüber unserer Auffassung so fremde Bedeutung beilegt, gleich als behaupteten wir, die Werke bewahrten das Heil aus eigener Kraft, und dabei doch genau weiß, dass eine ganz andere, allen bekannte Bedeutung von uns angewandt wird, überlassen wir allen Frommen zur Beurteilung.

XVII.

In unsern Kirchen haben immer mit großer Übereinstimmung die hervorragenden Doktoren so gedacht, gepredigt und gelehrt, , , , , , , , , etc. Dies können wir mit handgreiflichen und deutlichen Zeugnissen aus ihren Schriften beweisen.

XVIII.

Wohl wird in D. Schriften öfters der Satz verworfen, das wir durch die werck selig werden / das die werck selig machen / das die werck, von menschen erdacht, zur seligkeit nötig sein, dennoch wird dieser Lehrsatz nicht einfach von ihm verworfen, sondern wir wissen, dass er öfters, soviel diesen gängigen Satz anbetrifft, auf höchste Sorgfalt gedrungen hat, und seine Schriften zeugen davon.

XIX.

Wir hoffen zwar, dass diese unsere Darlegungen deutlich genug sind, dennoch erbieten wir uns, sie ausführlicher zu erklären und zu bekräftigen und allen, die darüber in Zweifel sind, zu antworten und die Einwände der Gegner aufzulösen, und wir unterbreiten sie zur Beurteilung den wahrhaft Frommen und allen Gliedern der Kirche.

Durch diese folgenden vier Begründungen wird mein Gewissen gefangengehalten, so dass es nicht jenen beipflichten kann, die lehren, Werke seien nicht auf irgendeine Weise zum Heil notwendig.

I

Größer:

Ein wahrer, nicht ein falscher oder erfundener Glaube ist zum Heil notwendig, damit er rechtfertige und rette.

Kleiner:

Nicht kann aber ein wahrer Glaube in Herzen sein, wenn nicht mit gewissen vorangehenden, gleichzeitigen und folgenden von Gott angeordneten Werken.

Folgerung:

Also sind Werke notwendig zum Heil, wenn sie auch weder rechtfertigen noch retten.

II.

Vorangehend:

Die den neuen Gehorsam nicht beginnen, verlieren das allein durch den Glauben erworbene Heil.

Folgend:

Daher sind zum Bewahren des Heils, damit es nicht wieder verlorengehe, Werke notwendig.

III.

Größer: Dies ist aus dem Munde Christi selbst entnommen, der sagt:Zeilen sinnentsprechend umgestellt gegenüber dem lateinischen Druck, vgl. unten S. 331, 15f.

Wer nicht wiedergeboren wird aus Wasser und Geist, kann nicht ins Reich Gottes eingehen. [Joh 3,5]

Kleiner: Ein Wort des Apostels Johannes:

Schlussfolgerung:

Also ist es notwendig zum Heil, keine Sünden zu tun bzw. gute Werke zu tun.

IIII.

Größer: Ein Wort Johannes des Täufers:

Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen werden. [Mt 3,10]

Kleiner:

Zum Heil notwendig ist, nicht ins Feuer geworfen zu werden.

[Schlussfolgerung:]

Also ist es notwendig zum Heil, gute Frucht zu bringen.

Wenn die Gegner diese Thesen auflösen können, liegt der Sieg bei ihnen, mit folgendem Triumphgesang: Wer eines von jenen kleinsten Geboten auflöst, wird der Kleinste im Himmelreich genannt werden. [Mt 5,19]

ENDE.

1.
Joh. 3[,9]:Wer aus Gott geboren ist, tut keine Sünde; das ist die Erfüllung des größten Teils des Dekalogs.

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

PROPOSITIONES || STEPHANI || AGRICOLAE AVGVS= || TANI, ECCLESIAE CHRISTI || in Comitatu Mansfeldensi Mi || nistri, De bonis ope= || ribus, Et Quæs= || tione: || An opera sint ad salutem necessaria. || Ephes. 2. || Ipsius sumus figmentum, conditi in Christo Ihesu || ad opera bona, quæ præparauit Deus, ut in eis || ambularemus. || Quod uerum est uerum tempus in omne manet. [7] Bl. 8°

Vorhanden:

Soest, Wissenschaftliche Stadtbibliothek: V. A. 9.5 [benutztes Exemplar]

Die Blattbezeichnung im Druck ist fehlerhaft, auf Blatt 4 A fehlt die Angabe,

auf Blatt 6 A steht fälschlich 4 A. Die Rückseite des Titelblatts ist leer.