Antwort auf des Herrn D. Majors Verantwortung (1552) – Einleitung
1. Historische Einleitung
Wie die unter Nr. 2 und Nr. 3 edierten Texte von und , so gehört auch der hier vorliegende Text von zu den Schriften, von denen mitteilt, sie seien mit fingiertem Druckort in den Hundstagen 1552 gegen ihn veröffentlicht worden.Vgl. : es wissen E. W. vnd G., das inn den jetzt verschienen Hundtstagen drey geschwinde schrifft von den Magdeburgischen Scribenten aus dem erdichten im drucke wieder mich offentlichen ausgegangen. Darinnen ich von jnen auffs hoͤchste geschendet vnnd geschmehet Gegen Ende nennt er dann auch ausdrücklich Namen: da frage ich , vnd selbs umb, ob jhr glaube also scheine vnd leuchte (). Zu möglichen Hintergründen für die Camouflage des Druckortes vgl. . Auch dieser Text zielt gegen die Ausführungen in seiner Antwort auf des Ehrwürdigen Herren Schrift,Vgl. . insbesondere gegen die Spitzenaussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig. berücksichtigt außerdem zwei weitere Veröffentlichungen , die erst nach Abfassung der Gegenschriften von und erschienen waren: Die Predigt über Joh 1,29, die er am 23. Dezember 1551 in Eisleben gehalten hat,VD 16 M 2130: und zwei Predigten über Joh 1,1–14 mit einer Vorrede an den Rat zu ,VD 16 M 2214: . in der gegen seinen dortigen Opponenten , geboren um 1505 in , angeblich gelernter Küfer, bekleidete nach Studien in eine Pfarrstelle in , von 1543 bis 1568 amtierte er als Pastor primarius an St. Nicolai in , ehe er dort als Flacianer entlassen wurde. Anschließend finden wir ihn in bei , ab 1574 soll er Hausprediger der Familie vom Hagen in gewesen sein, ab 1579 Pfarrer in . Sein Sterbejahr ist unbekannt (1588?). Vgl. , nennt als erste Pfarrstelle OthosGräfenthal (Thüringen)]. stänkert.
2. Der Autor
1516 in Köthen geboren als Sohn des fürstlich-anhaltischen Rats und Bürgermeisters Petrus Hahn und dessen Ehefrau Anna, bezog Nikolaus Gallus im Juni 1530 die Universität Wittenberg, wo er 1537 zum Magister artium promoviert wurde. Am 24. Januar 1540 beendete er seine theologischen Studien mit einer Disputation über die Erbsünde. Nach etwa dreijähriger Tätigkeit als Rektor der Stadtschule in Mansfeld wurde Gallus am 11. April 15431 von Johannes Bugenhagen in Wittenberg ordiniert, ehe er im Mai seinen Dienst als Diakon in Regensburg antrat. Zur gleichen Zeit übernahm Hieronymus Noppus dort das Amt des Superintendenten, und beide betrieben bis 1548 den Aufbau des evangelischen Kirchenwesens. Sie sprachen sich vehement gegen die Annahme des Augsburger Interims aus und unterstützten den Rat der Stadt mit Gutachten und Stellungnahmen, konnten aber nicht verhindern, dass der Rat unter dem Druck der militärischen Macht des Kaisers dessen Ultimatum nachgab und das Interim schließlich am 30. Juni bedingungslos annahm. Darauf verließen die evangelischen Prediger am 1. Juli 1548 die Stadt. Ehe er im November 1548 nach Wittenberg übersiedeln konnte, hielt sich Gallus unter anderem in Nürnberg, Köthen, Halle, Magdeburg und Leipzig auf, blieb währenddessen allerdings in enger brieflicher Verbindung mit seiner Regensburger Gemeinde, insbesondere über den Regensburger Ratskonsulenten Johann Hiltner.Der Regensburger Rat hatte den Predigern nicht nur empfehlende Zeugnisse mitgegeben, sondern ließ ihnen auch ihr Gehalt zugehen, mit der Maßgabe, ohne Rücksprache mit dem Rat keine dauerhafte Verpflichtung anderwärts einzugehen, unbeschadet vorübergehender Vertretungsdienste etc.; vgl. Voit, Gallus, 9296, 110f. Dr. jur. Johann Hiltner war von 1523 bis 1567 als Ratskonsulent in Regensburg tätig und von außerordentlicher Bedeutung auch für die kirchliche Entwicklung der Stadt, bereits 1525 hatte er mit Luther wegen eines evangelischen Predigers verhandelt; vgl. Voit, Gallus, 32, Anm. 1. In Wittenberg vertrat Gallus den schwer erkrankten Schlossprediger Caspar Cruciger und führte nach dessen Tod den Predigtauftrag zunächst weiter, außerdem hielt er Vorlesungen an der Universität.Vgl. Voit, Gallus, 117f. Eine Rückkehr nach Regensburg war für Gallus auf absehbare Zeit ausgeschlossen, nachdem der Kaiser ein entsprechendes Ansuchen des Rats abschlägig beschieden hatte.Vgl. Voit, Gallus, 109f. Im Oktober 1549 erging an ihn eine Berufung aus dem geächteten und von Belagerung bedrohten Magdeburg, und Gallus verpflichtete sich zunächst für ein Jahr als Pfarrer an der dortigen Ulrichskirche; die damit üblicherweise verbundene Superintendentenwürde schlug er allerdings aus.Vgl. Voit, Gallus, 120 mit Anm. 1. Zunehmend enttäuscht von der allzu kompromissbereiten Position seines Lehrers Melanchthon und der übrigen Wittenberger Theologen, übersiedelte Gallus mit seiner Familie am 11. November 1549 nach Magdeburg, ins Zentrum des Widerstandes gegen das kaiserliche Interim. Nachdem Gallus wohl bereits im August 1548 sein antiinterimistisches Gutachten anonym in Magdeburg veröffentlicht hatte,Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 4: Einer christlichen Stadt untertänige Antwort (1548). Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vgl. die Hinweise in unserer Ausgabe Bd. 2, S. 360, Anm. 20. intensivierte er nun den publizistischen Kampf für die Erhaltung des unverfälschten Evangeliums an der Seite von Matthias Flacius, Erasmus Alber, Nikolaus von Amsdorf und anderen. Auch als der Passauer Vertrag es Gallus ermöglichte, 1553 nach Regensburg zurückzukehren, wo er bis zu seinem Tod am 17. Juni 1570Gallus starb in Bad Liebenzell; vgl. Voit, Gallus, 24, Anm. 1. das Superintendentenamt bekleidete, blieb er Flacius freundschaftlich verbunden.So fand Flacius auch in den Jahren 1562–1566 mit seiner Familie Aufnahme in Regensburg. Vgl. Preger, Flacius II, 228–284. Gallus beteiligte sich auch am Osiandrischen Streit.Vgl. unsere Ausgabe Bd. 7. Er unterstützte Flacius im Kampf gegen Schwenckfeld um die Geltung des äußeren Schriftsinns. In der Erbsündenfrage allerdings stimmte er nicht mit ihm überein.Vgl. Gerhard Simon, Art. Gallus, in: TRE 12 (1984), 21–23.
3. Inhalt
Nikolaus Gallus reiht sich mit seiner Antwort auf des Herrn D. Maiors Verantwortung ein in die Phalanx der Magdeburger Autoren Amsdorf und Flacius; auch er wendet sich gegen Majors These, gute Werke seien nötig zur Seligkeit. Pflichtwidrig hätten Major und dessen Gesinnungsgenossen am Augsburger wie am Leipziger Interim mitgewirkt; sie hätten die Einführung liturgischer und lehrmäßiger Neuerungen bzw. das Aufleben längst beseitigter papistischer Irrtümer begünstigt, statt ihrer Berufung gemäß mit allem Nachdruck zu widerstehen. Nun sei es an der Zeit, diesen Fehler zu korrigieren. Mit Rücksicht auf das Ansehen der Gegner fordert Gallus keinen förmlichen, öffentlichen Widerruf von ihnen. Nötig sei allerdings eine klare Distanzierung von den interimistischen Irrlehren, um Schaden von der Kirche abzuwenden. Major jedoch greife stattdessen eine zentrale Botschaft des Interims auf und verteidige sie vehement. Er beabsichtige anscheinend, gegen einen libertinistischen Missbrauch der evangelischen Freiheit anzugehen und das Bemühen um einen frommen Lebenswandel zu fördern. Diese an sich gute Absicht dürfe aber nicht mit einer Verfälschung des Evangeliums erreicht werden, wie sie Majors Grundthese darstelle. Theologisch sei auch nicht wirklich etwas gewonnen, wenn er in seiner kurz zuvor veröffentlichten Predigt über Joh 1,29Vgl. oben Anm. 3. folgende modifizierte Variante biete: Zwar seien gute Werke zur Erlangung der Seligkeit tatsächlich nicht nötig, wohl aber seien sie nötig, um die Seligkeit auf Dauer zu behalten und nicht wieder zu verlieren. Auch diese These bleibe schriftwidrig und für angefochtene Gewissen gefährlich, denn das Vertrauen auf das Verdienst Christi werde dadurch untergraben. Die Gefahr einer libertinistischen Missdeutung der evangelischen Freiheit durch einige Zuhörer bestehe immer; dies dürfe aber kein Anlass sein, die Lehre zu verändern. Die Predigt von Buße und Vergebung gehöre untrennbar zusammen. Wer nach der Bekehrung in Sünde falle, müsse zur Besserung ermahnt und schlimmstenfalls aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Um eine angemessene Kirchenzucht habe man sich auf Seiten der Gegner Majors immer bemüht, aber selbst bei den Aposteln sei mitunter der gewünschte Erfolg ihrer Ermahnungen ausgeblieben. Die These, gute Werke gehörten zur Seligkeit, sei günstigstenfalls so zu verstehen, dass die guten Werke unvermeidlich seien. Die Aussage sei aber gefährlich, weil die Zuhörer von Natur aus geneigt seien, sie im Sinne eines vorzuweisenden Verdienstes und einer zu erbringenden (Vor)Leistung aufzufassen. Dadurch werde aber die frohe Botschaft verfälscht. Indem man sich auf eine solch missverständliche Redeweise einlasse, verleugne man zudem das Evangelium gegenüber den Anhängern der papistischen Irrtümer.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Auff des Herrn D. || Maiors verantwortung vnd De= || claration der Leiptzigischen Pro= || position / wie gute werck zur selig= || keit noͤtig sind / zum zeugnis seiner || vnschult / das er mit der Leiptzi= || gischen handlung nichts zu || thun habe. || Antwort. || Nicolai Galli. || Galat. ij. || Da etliche falsche Bruͤder / sich mit eingedrun= || gen / vnd neben eingeschlichen waren / zuuerkundscha= || ffen vnser freyheit / die wir haben in Christo Jhesu / || das sie vns gefangen nemen / wichen wir denselbigen || nit eine stunde / vnterthan zu sein / auff das die warheit || des Euangelij bey euch bestuͤnde. || Basel. [Magdeburg: Michael Lotter] || Anno 1552. [20] Bl. 4° (VD 16 G 255).
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 7 in: Dg 2 R
Erfurt, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 10 an Hs 196; 7 an T.pol.4 11