Kurzer Unterricht auf D. Georgen Majors Antwort (1552) – Einleitung
1. Historische Einleitung
Unmittelbar nach der Aufhebung der Belagerung im November 1551 hatte eine Schrift gegen und veröffentlicht,Das Doctor Po= || mer vnd Doctor Maior mit iren || Adiaphoristen ergernis vnnd zur= || trennung angericht / Vnnd den Kirchen || Christi / vnuͤberwintlichen scha= || den gethan haben. [Magdeburg: Michael Lotter, 1551] (VD 16 A 2340, vgl. a. ). Möglicherweise wurde die Schrift noch während der Belagerung gedruckt und nach der Kapitulation aus der Stadt gebracht und verteilt; am 9. November 1551 wurde die Alte Stadt von eingenommen, am 18. November 1551 hatte Schrift in Händen; vgl. . auf die zu Beginn seiner Tätigkeit als Superintendent in mit einer Gegenschrift antwortete, in der er nachdrücklich die Aussage verteidigte, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit.(VD 16 M 1996) Vgl. . sandte seinen Text bereits am 9. Januar 1552 an die Mansfelder Pfarrer und , die allerdings in ihrer Antwort eine deutliche Nähe zur Haltung zu erkennen gaben.Vgl. . selbst sah sich zu einer Gegenschrift veranlasst, weil die von verteidigte Aussage zumindest höchst missverständlich sei und überdies geeignet, die Wahrheit des Evangeliums zu verdunkeln und die Irrlehren des Papsttums wieder aufleben zu lassen. Erwiderung auf Antwort dürfte zeitnah verfasst worden sein, noch vor ÜbersiedelungAuf Blatt C 4r schreibt : wir hie zu (unten S. 70, Z. 30). Ende Februar oder Anfang März 1552Der genaue Termin ist nicht bekannt, aber am 17. Februar 1552 schreibt an , den Kanzler in , noch aus ; vgl. . nach , wohin er unter Zusicherung einer ansehnlichen jährlichen Rente durch in das Amt des Superintendenten berufen worden war. Im Druck erschien die Schrift allerdings anscheinend erst mit einiger Verzögerung, nach Aussage in seinem Sermon von S. Pauli Bekehrung etwa zeitgleich mit Schriften von und in den Hundstagen 1552,Vgl. . also im Hochsommer. Diese Angabe mag zum Teil Ausfluss polemischer Rhetorik sein; dennoch spricht der Umstand, dass die drei von erwähnten gegnerischen Schriften zwar in bei gedruckt, aber mit der fingierten Angabe als Druckort versehen wurden, dafür, dass die Magdeburger Drucker nach der Übergabe der Stadt an die kaiserlichen und kurfürstlichen Zensuredikte nicht länger ignorieren konnten, wie sie es vor und während der Belagerung getan hatten. Deshalb dürfte es im ersten Halbjahr 1552 zu einem gewissen Produktionsstau gekommen sein. Erst allmählich, vermutlich erst während der Verhandlungen im Vor1feld des Passauer Vertrages,Vgl. . Zum Ablauf der Verhandlungen zwischen Ende Mai und Anfang August 1552 vgl. PKMS 6, 389–399 (Nr. 256, Protokoll Ulrich Mordeisens über die Verhandlungen zu Passau). wagte man es dann wieder, interimskritische und sonstige polemische Schriften herzustellen, zunächst noch mit fingiertem Druckort.Diese Rekonstruktion der zeitlichen Abläufe wird auch durch Briefe von Nikolaus Gallus gestützt: Am 22. Februar 1552 schreibt er an den Regensburger Ratskonsulenten Hiltner, es sei den Druckern in Magdeburg bei hoher Strafe verboten, ohne Einwilligung der städtischen Obrigkeit irgend etwas gegen das Interim, die Adiaphora oder das Konzil zu drucken. Am 30. Januar 1552 sendet er Abschriften von AmsdorfsKurzem Unterricht an Hiltner und an Pietro Paolo Vergerio mit der Bitte um weitere Verbreitung (vgl. Voit, Gallus, 177). Die Publikation der Gegenschriften von Amsdorf, Flacius und Gallus im Sommer 1552 gab anscheinend den Anstoss für Major, als ausführliche Widerlegung seine Antrittspredigt vom 25. Januar 1552 zu einem Buch auszuarbeiten.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5.
2. Der Autor
Nikolaus von Amsdorf,Zum folgenden vgl. Joachim Rogge, Art. Amsdorff, in: TRE 2 (1978), 487–497; Reichert, Amsdorff, 56–70, 142–162. am 3. Dezember 1483 in Torgau geboren, besuchte seit etwa 1497 in Leipzig die Thomasschule, seit 1500 die Universität. 1502 wechselte er an die neugegründete Universität Wittenberg, wo er seine akademische Ausbildung abschloss und bis 1524 im Lehramt blieb; in den Jahren 1510 und 1511 war er Dekan der philosophischen Fakultät, 1513 und 1522 Rektor der Universität. Seit 1516 kam Amsdorf in näheren Kontakt zu Martin Luther und stand ihm in entscheidenden Situationen seines Lebens zur Seite, so bei der Leipziger Disputation 1519 und auf dem Reichstag zu Worms 1521. Im Jahre 1524 folgte Amsdorf einem Ruf als Superintendent und Pfarrer an St. Ulrich in Magdeburg. Dort war er achtzehn Jahre lang tätig, um die Stadt vollends der Reformation zuzuführen. Zwischenzeitlich wurde er immer wieder beurlaubt, um in anderen Städten die Reformation voranzubringen, so in Goslar, Einbeck, Leipzig und Meißen. In den Jahren 1529 bis 1537 wirkte in Magdeburg auch Georg Major mit großem Erfolg als Schulrektor. Am 20. Januar 1542 wurde Amsdorf in Naumburg als erster evangelischer Bischof in sein Amt eingeführt, musste aber nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1547 sein Bistum verlassen und bezeichnete sich fortan als exul. Zunächst hielt er sich in Weimar, ab 1548 dann an seiner alten Wirkungsstätte Magdeburg auf und widmete seine Kraft dem Kampf gegen das Augsburger Interim, gegen den Leipziger Landtagsentwurf und gegen die damit zusammenhängenden Fehlentwicklungen innerhalb der Kirche. Im Frühjahr 1552 übersiedelte Amsdorf als Superintendent nach Eisenach. Der unverfälschten Bewahrung von Luthers theologischem Erbe galten Amsdorfs Bemühungen bis ins hohe Alter. Er setzte sich für die Gründung der Universität Jena ein und unterstützte das Projekt der Jenaer Lutherausgabe. Immer wieder griff er auch publizistisch in die theologischen Diskussionen seiner Zeit ein. Nach eigenem Zeugnis inzwischen halb blind, taub und stumm,Ohne Nachweis bei Rogge in TRE 2 (1978), S. 494, Z. 5f, und bei Lerche, S. X, zitiert; vgl. Amsdorfs Verweis auf sein alder vnd schwachheit meins leibs schon 1551 bei Reichert, Amsdorff, 254 [B137] (Text XI. Dass er mit den Moritzischen Theologen nicht wolle zu tun haben). starb er am 14. Mai 1565 und wurde im Chor der Georgenkirche in Eisenach bestattet.
3. Inhalt
Mit seinem Kurzen Unterricht verwahrt sich Nikolaus von Amsdorf scharf dagegen, er und seine Mitstreiter seien für die erneut innerhalb der Kirchen der lutherischen Reformation aufgebrochenen Streitigkeiten verantwortlich. Vielmehr sehe man sich verpflichtet, Versuchen entgegenzutreten, längst überwunden geglaubte papistische Irrlehren mit Hilfe der Interimsordnungen und unter dem Etikett angeblicher Mitteldinge wiederum in die Kirchen der Reformation einzuschwärzen.
Nach Amsdorfs Überzeugung ist das Zentrum reformatorischer Lehre und evangelischen Glaubens unmittelbar betroffen, wenn Major auf der Aussage beharrt, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit. Amsdorf bestreitet keineswegs, dass guten Taten als Früchten des Glaubens aus dankbarem Herzen zum Lob Gottes eine Bedeutung im Leben der Christen zukomme und dass die Christen den Dekalog zu befolgen schuldig seien. Wenn Major dies unterstelle, verunklare er absichtlich den Kern der Auseinandersetzung. Amsdorf geht es vielmehr darum, dass auf keine Weise der Eindruck erweckt wird, der sündige Mensch könne oder müsse das eigene Heil durch fromme Leistungen verdienen oder auch nur Voraussetzungen zu seiner Ermöglichung schaffen. Denn damit werde das Verdienst Christi geschmälert und die befreiende Gnadenbotschaft des Evangeliums entwertet.
Die Aussage Gute Werke sind notwendig zur Seligkeit könne nur so verstanden werden, dass der Glaube allein nicht selig mache, sondern dass ergänzend fromme Leistungen hinzutreten müssten. Damit werde aber entweder geistlicher Hochmut und Vermessenheit – nämlich bei denjenigen, die meinten, solche Leistungen vorweisen zu können – oder Verzweiflung hervorgerufen – nämlich bei denen, die bei sich keine hinreichenden Leistungen finden könnten, insbesondere in einer Anfechtungssituation.
Majors Aussage sei eindeutig schriftwidrig; insbesondere Paulus lehre, daß der Mensch gerecht und selig werde ohne Werke durch den Glauben. Man bedürfe also der Werke zur Seligkeit nicht. Diese Position habe er, Amsdorf, schon Jahrzehnte zuvor mit Billigung Luthers in Streitschriften vertreten.
Major sei eindeutig auf die Seite des Papsttums getreten, als er Amsdorf und seine Freunde als vom Teufel getrieben klassifiziert habe, und das nur, weil sie das Leipziger Interim ablehnten. Dass Major behaupte, er habe die Torgauer Prediger nicht vertrieben, sei bloße Wortklauberei; mitverantwortlich für die Disziplinarmaßnahmen sei er auf jeden Fall. Dass Major mit großem Pathos betone, in Wittenberg sei nichts an den kirchlichen Zeremonien geändert worden, sei nicht stichhaltig, denn das Leipziger Interim habe jedenfalls Änderungen vorgeschrieben und für viele Gemeinden auch tatsächlich gebracht.
Major rühme sich, heftiger als Flacius oder Amsdorf gegen das Papsttum vorgegangen zu sein, warum aber sehe er sich dann im Gegensatz zu den beiden? Wieso erwecke er – im Einklang mit der Polemik der papistischen Parteigänger Cochläus und Witzel – fälschlicherweise den Eindruck, Amsdorf und Flacius verböten geradezu gute Werke?
Mit der Bereitschaft, zum Konzil zu reisen, gestehe man dem Papst die Befugnis zu, ein solches Konzil überhaupt anzuberaumen, und erkenne das papistische Scheinkonzil als rechtmäßiges, allgemeines christliches Konzil an. Die Ablehnung des Trienter Konzils sei von seiten der Magdeburger Theologen längst eindeutig erfolgt; Major müsse also nicht so tun, als könne man es ihnen nicht recht machen und werde Kritik ernten, ob man teilnehme oder die Teilnahme verweigere.
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A:
Ein kurtzer vnter= || richt auff D. Georgen Maiors || Antwort / das er nit vnschuͤldig || sey / wie er sich tragice || rhuͤmet. || Das gute werck zur seligkeit nit von || noͤten sind. || Das gute werck zu eim Christlichen leben hie || auff erden noͤtig sind. || Niclas von Amßdorff Exul. || Basel. [Magdeburg: Michael Lotther] || Anno 1552. [14] Bl. 4° [letzte Seite leer] (VD 16 A 2379).
Vorhanden:
Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität: FN XI 39
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 8 in: Dg 2 R; Cu 406 R
Coburg, Landesbibliothek: Cas A 508:4
Erfurt, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 9-11 an Hs 196