Georg Majors Antwort an Nikolaus von Amsdorf (1552) – Einleitung

Georg Majors Antwort an Nikolaus von Amsdorf (1552) – EinleitungNr. 1 ULB Darmstadt info:isil/DE-17 Darmstadt Letzte Änderung: 2021-10-27 Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY)

1. Historische Einleitung

Der Versuch, den im Augsburger Interim von 1548 erhobenen kaiserlichen Forderungen nach weitestgehender Restituierung des altgläubigen Ritus Genüge zu tun, ohne den Kernbestand evangelischen Glaubens und protestantischer Lehre aufzugeben, wie ihn Moritz von Sachsen mit der Leipziger Landtagsvorlage von 1548/49 unternahm, löste den sogenannten adiaphoristischen Streit aus.Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2. Das geächtete Magdeburg mit seinen leistungsfähigen Druckereien entwickelte sich zum Zentrum des Widerstandes. Unmittelbar nach dem Ende der Belagerung Magdeburgs im November 1551 veröffentlichte Nikolaus von Amsdorf eine Flugschrift, in der er den Vorwurf zurückwies, mit ihrer übertrieben unbeugsamen Haltung spalteten und zerstörten die Magdeburger Interimsgegner die Kirche der Reformation. Er hielt dagegen, dass die Kirche vielmehr von den pflichtvergessenen Wittenberger Theologen in große Gefahr gebracht worden sei, und zwar durch deren übergroße Bereitschaft zu Zugeständnissen an die Kirchenpolitik des neuen Kurfürsten. Dies entfaltete er in seiner Schrift Das Doctor Pomer vnd Doctor Maior mit iren Adiaphoristen ergernis vnnd zurtrennung angericht Vnnd den Kirchen Christi vnuͤberwintlichen schaden gethan haben. Derhalben sie vnd nicht wir zu Magdeburg vom Teuffel erwegt seint, wie sie vns schmehen vnd lestern.Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 752–777. Darin fragte Amsdorf, an Major gewandt: Wer wil [um] das wort Sola im Artickel der iustification, jtzt wo es am hoͤchsten von noͤten ist, nicht streitten? Wer schreibt, das der glaub furnemlich selig mache, gute werck zur seligkeit noͤtig sein, daraus folgen wil, das die liebe mit dem glauben den menschen from vnd gerecht mache?Vgl.unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 8, S. 763,30–34. und unterstellte ihm damit, die evangelische Rechtfertigungslehre aufzugeben. Unter anderem mit diesem Vorwurf setzte sich Major in seiner Antwort auseinander und beharrte auf der Aussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig.

Gerade erst, im Dezember 1551, hatte er sein Amt als Superintendent in Eisleben angetreten. Die Magdeburger Polemik hatte dafür gesorgt, dass er keinen leichten Stand in dieser neuen Position hatte, galt er doch den Gnesiolutheranern – nicht völlig grundlos – als Mitverantwortlicher für das Leipziger Interim und Parteigänger der Kirchenpolitik des Kurfürsten Moritz. Um so nötiger dürfte es Major erschienen sein, die Vorwürfe der Gegner möglichst zu entkräften und die eigene Position zu festigen. Dazu diente die zunächst eher moderat auftretende, im einzelnen dann freilich doch auch geharnischte Antwort an den weithin hohes Ansehen genießenden Amsdorf. Major sandte die Schrift am 9. Januar 1552 an die Mansfelder Stadtpfarrer Coelius und Wigand.Wartenberg, Major 223. Zu Michael Coelius und Johannes Wigand vgl. unten Einleitung zu Nr. 6, S. 285. Deren Reaktion fiel allerdings nicht so aus, wie Major sie sich vermutlich erhofft hatte, vielmehr verlangten sie in ihrem Antwortschreiben vom 15. Januar 1552 eine deutlichere Positionierung Majors im Hinblick auf die von Amsdorf erhobenen Anschuldigungen und identifizierten sich im Wesentlichen mit dessen Anfragen an Majors Haltung, auch wenn sie Major aufgrund der gräflichen Entscheidung als ihren künftigen Superintendenten akzeptierten und ihm zum neuen Amt gratulierten.Wartenberg, Major 224. Die selbstbewusste, dem Leipziger Interim gegenüber kritische Haltung führender Geistlicher seines neuen Amtsbezirks, die aus diesem Schreiben sprach, dürfte Majors Auftreten mitbestimmt haben, als er am Montag, dem 25. Januar 1552 (Conversio Pauli), in der Eislebener Andreaskirche – höchstwahrscheinlich anlässlich seiner AmtseinführungMajor war zwar seit Mitte Dezember 1551 in Eisleben, aber es dürfte in der Weihnachtszeit keine Gelegenheit gewesen sein, die Pfarrerschaft in Eisleben zu versammeln. Die Zusammenkunft am 25. Januar 1552 war wohl der erste Pfarrkonvent unter seinem Vorsitz (dafür spricht auch, dass Major von Coelius und Wigand am 15. Januar noch als Superintendens noster futurus bezeichnet wird), wobei er aber offenbar nicht die üblichen Sitzungen und Gespräche abhielt, sondern es anscheinend im Wesentlichen bei dem Gottesdienst beließ. – eine programmatische Predigt über die Bekehrung des Paulus hielt,Sie bildete später den Grundstock zu dem unter Nr. 5 edierten Sermo von S. Pauli Bekehrung. mit der er die Geistlichen seines Sprengels gegen sich aufbrachte. Ursächlich für die erhebliche Empörung dürfte dabei weniger der theologische Gehalt seiner Ausführungen gewesen sein als vielmehr der anscheinend unerhört respektlose Ton, den er vor versammelter Gemeinde gegenüber den in großer Zahl anwesenden Pfarrern und Predigern der Grafschaft anschlug. Ein Beschwerdeschreiben vom 28. Januar 1552 gibt davon Zeugnis;Vgl. Wartenberg, Major 225. Der Brief trägt die Unterschriften von Friedrich Reuber, Jodocus Rucker, Johannes Behem, Andreas Theobaldus, Andreas Krause und Andreas Rhemus, allesamt in Eisleben tätig; vgl. unten unsere Ausgabe Nr. 6, Anm. 152‒154, 157, 159, 161. ein Nachhall findet sich auch im Appendix zum Bedenken der Mansfelder Prediger.Vgl. unsere Ausgabe Nr. 6, S. 313f.

2. Der Autor

Georg Major,Vgl. Gustav Kawerau, Art. Major, in: RE3 12 (1905), 85‒91; Heinz Scheible, Art. Major, in: TRE 21 (1991), 725–730; Dingel/Wartenberg, Major. am 25. April 1502 in Nürnberg geboren, kam bereits als Neunjähriger als Sängerknabe in der kurfürstlichen Kapelle nach Wittenberg und wurde an der Leucorea immatrikuliert. Das Studium an der Artes- Fakultät nahm er 1521 auf, am 31. März 1522 wurde er Baccalaureus, wohl im Oktober 1523 Magister. Auf Fürsprache Luthers erhielt Major im selben Jahr ein Stipendium seiner Heimatstadt Nürnberg. 1529 wurde Major Rektor der Lateinschule in Magdeburg, die unter seiner Leitung eine Blütezeit erlebte. Im Jahr zuvor hatte er sich mit Margarethe von Mochau verheiratet.Schwestern von Majors Frau waren mit Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, bzw. mit Gerhard Westerburg verheiratet. Margarethe von Mochau überlebte ihren Mann um etwa drei Jahre und starb 1577. Zu den zwölf Kindern des Paares vgl. Wartenberg, Major 221, Anm. 66. Während Majors Magdeburger Rektorat war dort Nikolaus von Amsdorf als Pfarrer an St. Ulrich um die Durchsetzung der Reformation bemüht. 1537 kehrte Major nach Wittenberg zurück und wurde von Luther zum Schlossprediger ordiniert, außerdem übernahm er die theologischen Vorlesungen des Justus Jonas, der nach Halle gewechselt war, ohne zunächst seine Wittenberger Ämter aufzugeben.Vgl. Wolgast, Kollektivautorität, 98. 1542 wurde Major Assessor am Wittenberger Konsistorium. Am 18. Dezember 1544 unter Luthers Vorsitz zum Dr. theol. promoviert, trat er am 31. Mai 1545 in die theologische Fakultät ein. 1546 wurde Major anstelle Melanchthons zum Religionsgespräch nach Regensburg entsandt. Wegen des Schmalkaldischen Krieges übersiedelte er 1547 mit seiner Familie nach Magdeburg, wurde aber bald von Herzog Moritz zum Feldprediger, dann zum Superintendenten in Merseburg ernannt. 1548 kehrte Major nach Wittenberg in seine früheren Ämter zurück. Im Dezember 1551 übernahm er die Superintendentur in Eisleben, doch kehrte er auf Druck des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort nach Differenzen mit einem Großteil der Geistlichkeit der Grafschaft Mansfeld im Dezember 1552 wieder nach Wittenberg zurück.Allerdings war ursprünglich ohnehin nur eine Entleihung Majors nach Eisleben für ein Jahr vorgesehen gewesen. Vgl. unten S. 43 (bei Anm. 165). Nach dem Tode Bugenhagens amtierte er ab 1558 als ständiger Dekan der theologischen Fakultät und war mehrfach Rektor der Universität. Die Streitigkeiten um die Frage der Bedeutung der guten Werke für das christliche Leben bzw. um die Interpretation der Aussage, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit, dauerten bis zu Majors Tod am 28. November 1574 in Wittenberg an.

3. Inhalt

Major sieht sich von Amsdorf zu Unrecht angegriffen und will sich mit seiner hier edierten Antwort in aller Höflichkeit dagegen verwahren. Er referiert acht Vorwürfe Amsdorfs: 1. Major sei für das Interim und damit für die Zerrüttung der Kirche mitverantwortlich; 2. er sei von der reinen christlichen Lehre abgefallen; 3. er habe den Antichrist als obersten Bischof anerkannt; 4. er betreibe die Restitution abgeschaffter päpstlicher Zeremonien und Irrlehren; 5. er habe an der Absetzung der Prediger in Torgau mitgewirkt; 6. er sei ein Glaubensverräter; 7. er habe bei Neuauflagen seiner Schriften Passagen in ihrer Tendenz massiv geändert gegenüber dem Stand vor dem Schmalkaldischen Krieg; 8. er behaupte fälschlich, Amsdorf und seine Gesinnungsgenossen trachteten ihm nach dem Leben. Major bemüht sich, diese Punkte der Reihe nach zu entkräften und erhebt dabei auch Vorwürfe gegen seine Gegner. Im Zusammenhang des sechsten Punktes erörtert er eine mögliche Teilnahme am Konzil von Trient und zu erwartende Reaktionen der Gegner. Die Punkte 7 und 8 weist er als wirklichkeitsfremd ab. Major klagt mehrfach über die Lästerschriften des Flacius. Er bittet Amsdorf, eventuelle Meinungsverschiedenheiten brieflich oder im persönlichen Gespräch auszuräumen, anstatt sie durch Druckschriften in die Öffentlichkeit zu tragen.

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

Auff des Ehrenwir || digen Herren Niclas von Ambsdorff || schrifft / so jtzundt neulich Men= || se Nouembri Anno 1551. wider || Georgen Maior oͤffentlich im || Druck ausgegangen. || Antwort || Georg: Maior. || Galat. 5. || So jr euch vnternander beisset vnd fresset / so || sehet zu / das jr nicht vnternander verzeret werdet. || Wittemberg. || Durch Georgen Rhawen Erben. || ANNO M. D. LII. [18] Bl. 4° (VD 16 M 1996).

Vorhanden:

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 6 in: Dg 8 R; Dm 1100 R

Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 4965(11)

Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol.ev.pol. 484m,misc.4

Emden, Johannes a Lasco Bibliothek: Theol. 4° 0302 H [benutztes Exemplar]

Erfurt, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: Th 423.9

Erfurt, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 9 an Hs 196

Gotha, Forschungsbibliothek: Theol.4 230/2(4)

Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507 (26)

Jena, Thüringer Universitäts­ und Landesbibliothek: 8 MS 25 494(10)

Lüneburg, Ratsbücherei: Th 496(5)

Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 281 d

Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut VIb (24)

Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.218

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 329.6 Theol.(22); G 676.4 Helmst.(14); H 121.4 Helmst.(7)