Georg Majors Antwort an Nikolaus von Amsdorf (1552) – Einleitung

1. Historische Einleitung

Der Versuch, den im Augsburger Interim von 1548 erhobenen kaiserlichen Forderungen nach weitestgehender Restituierung des altgläubigen Ritus Genüge zu tun, ohne den Kernbestand evangelischen Glaubens und protestantischer Lehre aufzugeben, wie ihn mit der Leipziger Landtagsvorlage von 1548/49 unternahm, löste den sogenannten adiaphoristischen Streit aus.Vgl. unsere Ausgabe Bd. 2. Das geächtete mit seinen leistungsfähigen Druckereien entwickelte sich zum Zentrum des Widerstandes. Unmittelbar nach dem Ende der Belagerung im November 1551 veröffentlichte eine Flugschrift, in der er den Vorwurf zurückwies, mit ihrer übertrieben unbeugsamen Haltung spalteten und zerstörten die Magdeburger Interimsgegner die Kirche der Reformation. Er hielt dagegen, dass die Kirche vielmehr von den pflichtvergessenen Wittenberger Theologen in große Gefahr gebracht worden sei, und zwar durch deren übergroße Bereitschaft zu Zugeständnissen an die Kirchenpolitik des neuen Kurfürsten. Dies entfaltete er in seiner Schrift Das Doctor Pomer vnd Doctor Maior mit iren Adiaphoristen ergernis vnnd zurtrennung angericht Vnnd den Kirchen Christi vnuͤberwintlichen schaden gethan haben. Derhalben sie vnd nicht wir zu vom Teuffel erwegt seint, wie sie vns schmehen vnd lestern.Vgl. . Darin fragte , an gewandt: Wer wil [um] das wort Sola im Artickel der iustification, jtzt wo es am hoͤchsten von noͤten ist, nicht streitten? Wer schreibt, das der glaub furnemlich selig mache, gute werck zur seligkeit noͤtig sein, daraus folgen wil, das die liebe mit dem glauben den menschen from vnd gerecht mache?Vgl.. und unterstellte ihm damit, die evangelische Rechtfertigungslehre aufzugeben. Unter anderem mit diesem Vorwurf setzte sich in seiner Antwort auseinander und beharrte auf der Aussage, gute Werke seien zur Seligkeit nötig.

Gerade erst, im Dezember 1551, hatte er sein Amt als Superintendent in angetreten. Die Magdeburger Polemik hatte dafür gesorgt, dass er keinen leichten Stand in dieser neuen Position hatte, galt er doch den Gnesiolutheranern – nicht völlig grundlos – als Mitverantwortlicher für das Leipziger Interim und Parteigänger der Kirchenpolitik des . Um so nötiger dürfte es erschienen sein, die Vorwürfe der Gegner möglichst zu entkräften und die eigene Position zu festigen. Dazu diente die zunächst eher moderat auftretende, im einzelnen dann freilich doch auch geharnischte Antwort an den weithin hohes Ansehen genießenden . sandte die Schrift am 9. Januar 1552 an die Mansfelder Stadtpfarrer und1 .Wartenberg, Major 223. Zu und vgl. unten Einleitung zu Nr. 6, S. 285. Deren Reaktion fiel allerdings nicht so aus, wie sie sich vermutlich erhofft hatte, vielmehr verlangten sie in ihrem Antwortschreiben vom 15. Januar 1552 eine deutlichere Positionierung im Hinblick auf die von erhobenen Anschuldigungen und identifizierten sich im Wesentlichen mit dessen Anfragen an Haltung, auch wenn sie aufgrund der gräflichen Entscheidung als ihren künftigen Superintendenten akzeptierten und ihm zum neuen Amt gratulierten.Wartenberg, Major 224. Die selbstbewusste, dem Leipziger Interim gegenüber kritische Haltung führender Geistlicher seines neuen Amtsbezirks, die aus diesem Schreiben sprach, dürfte Majors Auftreten mitbestimmt haben, als er am Montag, dem 25. Januar 1552 (Conversio Pauli), in der Eislebener Andreaskirche – höchstwahrscheinlich anlässlich seiner Amtseinführung war zwar seit Mitte Dezember 1551 in , aber es dürfte in der Weihnachtszeit keine Gelegenheit gewesen sein, die Pfarrerschaft in zu versammeln. Die Zusammenkunft am 25. Januar 1552 war wohl der erste Pfarrkonvent unter seinem Vorsitz (dafür spricht auch, dass von Coelius und am 15. Januar noch als Superintendens noster futurus bezeichnet wird), wobei er aber offenbar nicht die üblichen Sitzungen und Gespräche abhielt, sondern es anscheinend im Wesentlichen bei dem Gottesdienst beließ. – eine programmatische Predigt über die Bekehrung des Paulus hielt,Sie bildete später den Grundstock zu dem unter Nr. 5 edierten Sermo von S. Pauli Bekehrung. mit der er die Geistlichen seines Sprengels gegen sich aufbrachte. Ursächlich für die erhebliche Empörung dürfte dabei weniger der theologische Gehalt seiner Ausführungen gewesen sein als vielmehr der anscheinend unerhört respektlose Ton, den er vor versammelter Gemeinde gegenüber den in großer Zahl anwesenden Pfarrern und Predigern der Grafschaft anschlug. Ein Beschwerdeschreiben vom 28. Januar 1552 gibt davon Zeugnis;Vgl. . Der Brief trägt die Unterschriften von , , , , und , allesamt in tätig; vgl. unten . ein Nachhall findet sich auch im Appendix zum Bedenken der Mansfelder Prediger.Vgl. .

2. Der Autor

,Vgl. , 85‒91; , 725–730; . am 25. April 1502 in geboren, kam bereits als Neunjähriger als Sängerknabe in der kurfürstlichen Kapelle nach und wurde an der Leucorea immatrikuliert. Das Studium an der Artes- Fakultät nahm er 1521 auf, am 31. März 1522 wurde er Baccalaureus, wohl im Oktober 1523 Magister. Auf Fürsprache erhielt im selben Jahr ein Stipendium seiner Heimatstadt . 1529 wurde Rektor der Lateinschule in , die unter seiner Leitung eine Blütezeit erlebte. Im Jahr zuvor hatte er sich mit verheiratet.Schwestern von Frau waren mit , genannt Karlstadt, bzw. mit verheiratet. überlebte ihren Mann um etwa drei Jahre und starb 1577. Zu den zwölf Kindern des Paares vgl. . Während Magdeburger Rektorat war dort als Pfarrer an St. Ulrich um die Durchsetzung der Reformation bemüht. 1537 kehrte nach zurück und wurde von zum Schlossprediger ordiniert, außerdem übernahm er die theologischen Vorlesungen des , der nach gewechselt war, ohne zunächst seine Wittenberger Ämter aufzugeben.Vgl. . 1542 wurde Assessor am Wittenberger Konsistorium. Am 18. Dezember 1544 unter Vorsitz zum Dr. theol. promoviert, trat er am 31. Mai 1545 in die theologische Fakultät ein. 1546 wurde anstelle zum Religionsgespräch nach entsandt. Wegen des Schmalkaldischen Krieges übersiedelte er 1547 mit seiner Familie nach , wurde aber bald von zum Feldprediger, dann zum Superintendenten in ernannt. 1548 kehrte nach in seine früheren Ämter zurück. Im Dezember 1551 übernahm er die Superintendentur in , doch kehrte er auf Druck des nach Differenzen mit einem Großteil der Geistlichkeit der im Dezember 1552 wieder nach zurück.Allerdings war ursprünglich ohnehin nur eine Entleihung nach für ein Jahr vorgesehen gewesen. Vgl. unten S. 43 (bei Anm. 165). Nach dem Tode amtierte er ab 1558 als ständiger Dekan der theologischen Fakultät und war mehrfach Rektor der Universität. Die Streitigkeiten um die Frage der Bedeutung der guten Werke für das christliche Leben bzw. um die Interpretation der Aussage, gute Werke seien notwendig zur Seligkeit, dauerten bis zu Tod am 28. November 1574 in an.

3. Inhalt

sieht sich von zu Unrecht angegriffen und will sich mit seiner hier edierten Antwort in aller Höflichkeit dagegen verwahren. Er referiert acht Vorwürfe : 1. sei für das Interim und damit für die Zerrüttung der Kirche mitverantwortlich; 2. er sei von der reinen christlichen Lehre abgefallen; 3. er habe den Antichrist als obersten Bischof anerkannt; 4. er betreibe die Restitution abgeschaffter päpstlicher Zeremonien und Irrlehren; 5. er habe an der Absetzung der Prediger in mitgewirkt; 6. er sei ein Glaubensverräter; 7. er habe bei Neuauflagen seiner Schriften Passagen in ihrer Tendenz massiv geändert gegenüber dem Stand vor dem Schmalkaldischen Krieg; 8. er behaupte fälschlich, und seine Gesinnungsgenossen trachteten ihm nach dem Leben. bemüht sich, diese Punkte der Reihe nach zu entkräften und erhebt dabei auch Vorwürfe gegen seine Gegner. Im Zusammenhang des sechsten Punktes erörtert er eine mögliche Teilnahme am Konzil von und zu erwartende Reaktionen der Gegner. Die Punkte 7 und 8 weist er als wirklichkeitsfremd ab. klagt mehrfach über die Lästerschriften des . Er bittet , eventuelle Meinungsverschiedenheiten brieflich oder im persönlichen Gespräch auszuräumen, anstatt sie durch Druckschriften in die Öffentlichkeit zu tragen.

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:

A:

Auff des Ehrenwir || digen Herren Niclas von Ambsdorff || schrifft / so jtzundt neulich Men= || se Nouembri Anno 1551. wider || Georgen Maior oͤffentlich im || Druck ausgegangen. || Antwort || Georg: Maior. || Galat. 5. || So jr euch vnternander beisset vnd fresset / so || sehet zu / das jr nicht vnternander verzeret werdet. || Wittemberg. || Durch Georgen Rhawen Erben. || ANNO M. D. LII. [18] Bl. 4° (VD 16 M 1996).

Vorhanden:

Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 6 in: Dg 8 R; Dm 1100 R

Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 4965(11)

Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Theol.ev.pol. 484m,misc.4

Emden, Johannes a Lasco Bibliothek: Theol. 4° 0302 H [benutztes Exemplar]

Erfurt, Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: Th 423.9

Erfurt, Universitätsbibliothek, Depositum Erfurt (ehemals Stadt- und Regionalbibliothek): 9 an Hs 196

Gotha, Forschungsbibliothek: Theol.4 230/2(4)

Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT 507 (26)

Jena, Thüringer Universitäts­ und Landesbibliothek: 8 MS 25 494(10)

Lüneburg, Ratsbücherei: Th 496(5)

Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 281 d

Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut VIb (24)

Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.218

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 329.6 Theol.(22); G 676.4 Helmst.(14); H 121.4 Helmst.(7)