Vorwort
Der dritte Band unserer Editionsreihe Controversia et Confessio
, den wir hier vorlegen, dokumentiert eine Auseinandersetzung, die im Kern die reformatorische Rechtfertigungslehre und ihre theologische Ausformulierung betraf. Noch während der Adiaphoristische Streit
(Controversia et Confessio 2) ausgetragen wurde, begann man über den Stellenwert und
die Rolle der guten Werke im Leben des Christen zu diskutieren, womit im weitesten Sinne auch die Frage der Bewertung ethischen Handelns angesprochen war. Die Kontroverse wurde nach , einem der Hauptakteure der Auseinandersetzung, der Majoristische Streit
genannt. Unsere Edition schreitet in 17 Texten die Entwicklung der Debatte ab, be
ginnend im Jahre 1552 bis 1570. Auf diese Weise wird sichtbar, in welch vielfältige Konstellationen die Suche nach klaren Aussagen und das Streben nach einem theologischen Konsens eingebunden waren. Nicht nur die durch das Interim und den Leipziger Alternativentwurf geschaffenen Bedingungen spielten ein Rolle, sondern auch das Erbe ähnlicher Diskussio
nen in der Frühzeit der Reformation, die Interaktion mit religionspolitischen Anliegen der Fürsten, persönliche Konstellationen und das Streben nach Abgrenzung von Lehren, die man in gefährliche Nähe von altgläubigen Vorstellungen rücken sah. Auch in diesem Streit ging es deshalb im Grunde darum, in welcher Weise man das Erbe der Wittenberger Refor
mation bewahren und überliefern wollte: in Konzentration auf solche Lehren, in denen man den genuinen zu finden meinte, oder unter Integration sowohl Lutherscher als auch Melanchthonischer Positionen. Zu Unrecht sind heutzutage meist nur noch die Extrempositionen be
kannt, die im Zuge des Streits formuliert wurden, nämlich die Aussage , dass die guten Werke notwendig zur Seligkeit seien, und diejenige , der das schroffe Gegenteil behauptete, nämlich die Schädlichkeit guter Werke in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Diese Spitzenaussagen haben dazu geführt, dass man dem Ma
später oft von vornherein mit Unverständnis begegnete. Die hier versammelten Texte und ihre inhaltliche Kommentierung wollen diese Bewertung und die Reduzierung auf eine einschichtige Opposition in Frage stellen und die Komplexität der theologischen Fragestellung aufdecken. Darüber hinaus führen sie das theologiebildende Potential von
joristischen Streit
Rede und Gegenrede vor Augen und geben Einblick in die Mechanismen der frühneuzeitlichen Kontroverse.1
Dass der Band termingerecht im Jahr 2014 erscheinen kann, ist vor allem den beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern in der Mainzer Arbeitsstelle zu danken. Herr Dr. Jan Martin Lies und Herr Dipl. Theol. HansOtto
Schneider haben die für die Edition ausgewählten Quellen in bewährter Weise textkritisch und sachlich erschlossen. Einleitungen und Anmerkungen, die die Stücke in den historischen und theologiegeschichtlichen Entstehungskontext einbetten und Erläuterungen geben, sind so konzipiert, dass dem Benutzer eine rasche Orientierung ermöglicht und das Textver
ständnis gewährleistet wird. Parallel zu diesen Arbeiten schreitet die Bereitstellung unserer Edition digital im Internet fort. Demnächst verfügbar ist Band 8 unserer Edition: Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574)
[http://diglib.hab.de/edoc/ ed000211/start.htm]. Der den Interimistischen Streit
dokumentierende
Band 1 wird – dank der ausgezeichneten Kooperation mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, bei der die digitale Edition technisch angesiedelt ist – in den kommenden zwei Jahren folgen. All jenen, die an diesen Arbeiten Anteil haben und durch ihren Einsatz die Edition voranbringen und ihre Qualität sichern, sei an dieser Stelle sehr herzlich
gedankt.
Mainz, im Oktober 2014 Irene Dingel