Brief der Hamburger Prediger etc. (1549) – Einleitung
Einleitung
1. Historische Einleitung
Der Leipziger Landtagsentwurf vom Dezember 1548, das sogenannte Leip ziger Interim, betraf zunächst einmal nur das unter (einschließlich der neu hinzugekommenen, vor dem Schmal kaldischen Krieg noch ). Dennoch war die Rolle der Theologen bei dessen Zustandekommen auch jenseits der Gren zen des Territoriums von Interesse. Denn das Augsburger Interim, dem man mittels der Landtagsvorlage zumindest formell Genüge tun wollte, ohne die eigene konfessionelle Identität aufzugeben, galt allen protestantischen Ständen im Reich, und auch andernorts wurden angesichts der Rekatholisie rungsforderungen des Kaisers Versuche unternommen, mit Sonderbekennt nissen und neugeschaffenen Kirchenordnungen einen gangbaren Mittelweg zur Bewahrung der evangelischen Kirchentümer zu finden. Zu Ostfriesland vgl. , Anm. 372 zum deutschen Text; zu vgl. . Die Frage, wel che Zugeständnisse möglich seien, wenn überhaupt, und wo Widerstand un umgänglich notwendig sei, stellte sich in allen protestantischen Gebieten, und dies um so dringlicher, je näher das kaiserliche Heer lagerte. Nord deutschland war zunächst nicht in gleichem Maße bedroht wie die südlicher gelegenen Gebiete, aber auch dort kursierten im Januar 1549, also nicht lange nach Vorlage des Leipziger Landtagsentwurfs, Gerüchte, die Theologen hätten sich gegenüber den kaiserlichen Forderungen, die im Augsburger Interim erhoben worden waren, zu fragwürdigen Kompromissen bereitfinden lassen. Vgl. . Melanchthons Gutachten für Frankfurt am Main vom 19. Januar 1549, Leipzig, 19. Jan. 1549: . worin er Zugeständnisse hinsichtlich der heilsirrelevanten Mitteldinge empfahl, wenn man damit nur die Verkündigung des Evan geliums sicherstellen könne, wurde in der Folgezeit abschriftlich in weitere Territorien gesandt.So nach , , und , vgl. . In einem Brief vom 23. Januar 1549 bekräftigte Melan chthon auch dem Superintendenten gegenüber seine Überzeugung, man müsse in Mitteldingen nachgeben, in Grundsatzfra gen aber standhaft bleiben.Vgl. ; . Dazu erfuhr man anscheinend auch in von der im Gange befindlichen Ausarbeitung einer neuen Kirchenordung, der sogenannten Georgsagende, So genannt nach ihrem Hauptbearbeiter, . die die konkrete Umsetzung der Forderungen des Interims in die liturgische Praxis der Gemeinden regeln sollte; Anfang April 1549 wurde sie intern begutachtet, ohne dass sie schon veröffentlicht worden wäre.Vgl. . Dass Gerüchte über eine neue Kirchenordnung anscheinend bis nach gedrungen waren, dazu siehe unten im lat. Text S. B 8r bzw. im deutschen Text S. C 4v. Am 28. Februar schreibt Bugenhagen an den dänischen : Noch hat ein ehrloser Mensch, der seines namens nicht darf bekant sein, drei Quaternen wider uns lassen druͤcken, darinnen er vermanet bei dem Evangelio zu bleiben. (Bugenhagen, Briefwechsel, S. 439 [Nr. 226]). Am 10. April schreibt er an den dänischen Reformator (Johannes Tausanus) in Ribe: Nos hic, carissime Johannes, et in ecclesiis et in scholis adhuc agimus in sincero verbo Dei et ordinamus Evangelii presbyteros usque in ut ante. Nemo vobis aut dicto aut facto isthic aliud persuadeat. (aaO S. 442 [Nr. 228]) Und erkundigt sich mit Schreiben vom 16. April aus bei Bugenhagen, ob eine Schrift über die Adiaphora, die an ihn gelangt sei, auch die Haltung der betreffe (vgl. ). In reagierte man offenbar alarmiert: Die Theologen, ehemalige Mitarbeiter und Freunde Luthers, die darum in der gesamten protestantischen Welt in hohem Ansehen standen und am ehesten berufen schienen, das Erbe des Reformators zu verwalten und zu schützen, gaben den Widerstand gegen das kaiserliche Interim anscheinend zumindest teilweise auf. Das musste die Position aller anderen Interimsgegner schwä chen, weil man ihnen sowohl von seiten kompromissbereiter Vertreter inner halb der eigenen Gruppe als auch von seiten der Gegner die theologisch begründete konsequente Ablehnung der Forderungen des Kaisers oder der jeweiligen Obrigkeiten mit Hinweis auf das Beispiel als Hals starrigkeit oder Böswilligkeit auslegen konnte. Im August 1548 hatten die Theologen der Städte , und unter dem Titel Be kenntnis und Erklärung aufs InterimVgl. . eine umfängliche Widerlegung des In terims veröffentlicht, doch wurde auch der Rat mit zunehmender Kriegsgefahr vorsichtiger und versuchte, mit dem Kaiser zu verhandeln. Nicht von ungefähr erschienen die späteren Drucke des Bekenntnisses nicht mehr in , sondern in .Auch rückte allmählich von seiner schroff ablehnenden Haltung gegenüber dem Interim ab und ließ im Mai 1549 ein eigenes lateinisches Bekenntnis für den Kaiser ausarbeiten. In dieser Situation entschloss man sich seitens der Theologen, die an ihre Verantwortung zu erinnern und um eine klare und eindeutige öffentliche Stellungnahme zur Sache zu bitten. Die Beziehungen der zu den Theo logen waren recht eng: Bugenhagen, den Aepin schon aus gemeinsamen Ta gen im Kloster Belbuck bei kannte, hatte Kirchenordnung verfasst, die meisten der Theologen hatten in studiert, Aepin war gar mit Bugenhagen und Cruciger gemeinsam promoviert worden. Dementsprechend wandte man sich am 3. April 1549Vgl. unten Anm. 49. in ehrerbietigem, zugleich aber auch mahnendem Ton, bestimmt in der Sache, an die Praezeptoren, namentlich an Bugenhagen, Melanchthon und Major, mit der dringenden Bitte um eine Stellungnahme. Den dürfte diese Bitte wenig gelegen gekommen sein, doch ließen sie den mit Datum vom 16. April 1549 eine wohl unter Federführung MelanchthonsBugenhagen schreibt mit Datum 17. Juli 1549 an : Die Predicanten zu Hamburg sandten uns ire sententia de Adiaphoris und baten das wir inen wiederumb unser Sententia oder Meinung von derselben Sachen wolten zuschreiben. Das thaten wir, nemlich der Herr Philippus und ich, mit Fleis und gutem Gewissen fur Gott, dafur sie uns billich danken solten, wen inen schon unser Meinung nicht gefallen hette, den wir haben inen gedienet nach irer Bitte. Aber Magister Jochim [Westphal] sehet das wirs nicht halten mit seiner Opinion und wird feind, richtet eine Hadersache an, machet sich widerpartisch wider uns, auch zum Richter mit der Epistola cujusdam alterius, das ist mit dem spiritu Illyrico. Die beiden Richter sprechen ein Urteil, das sie recht haben und wir unrecht. Solche unerfaren Richter nehmen wir nicht an. Unser und ire sententia sind am Tage, die sollen ander Leute richten, nemlich die arme betruͤbte Kirche Christi die sich in dieser Zeit auf solche Sachen wol versteht. Wir haben in unser sententia de adiaphoris nicht gesetzt solche gotlose Stucken, wie uns Mag Jochim zumisset. Er mag meinethalben seine Opinion wol behalten, ich will darum nicht mit im hadern, so wird das stille (Bugenhagen, Briefwechsel, S. 459 [aus Nr. 232]). entstandene Antwort zugehen, die um Verständnis für die schwierige Situation der Wittenberger wirbt und die Einheit in der Lehre betont. Da der Brief nicht die erhofften deutlichen Worte zur Frage der Adia phora brachte, eignete er sich nicht zur separaten Veröffentlichung; immerhin konnte er aber als Bestätigung der Hamburger Position in Anspruch ge nommen werden, und in dieser Funktion erscheint er in unserem Druck A. Die Beobachtung oder zumindest die Befürchtung, die Argumente der Wit tenberger für eine gemäßigtere Haltung im Hinblick auf die Adiaphora möchten doch eine gewisse Wirkung unter der Leserschaft nicht verfehlen, dürfte dazu geführt haben, dass Druck B nicht nur einige verbesserte Les arten bietet, sondern auch sarkastische Marginalien des Flacius zum Brief der Wittenberger und seine Stellungnahme zur Frage, was es tatsächlich bedeute, die anvertraute Gemeinde im Stich zu lassen. Die Ausführungen bezüglich des Verlassens der Gemeinde waren durch entsprechende Bemerkungen im Schreiben der Wittenberger veranlasst, außerdem betrafen sie zunächst einmal und vornehmlich Pfarrer und Prediger, aus diesen beiden Gründen erschienen sie wohl in der deutschen Ausgabe, die sich an eine breitere Öffentlichkeit wandte, entbehrlich. Da die Wittenberger Auto ritäten im Kampf gegen die Wiedereinführung altgläubiger, fälschlich als indifferent apostrophierter Kultpraktiken offensichtlich nicht taugten und man ihren gemäßigten Argumenten keinen weiteren Raum geben mochte, verzichtet die deutschsprachige Ausgabe völlig auf die Inanspruchnahme der Wittenberger und bringt mit Westphals Auslegung von Ex 32 stattdessen die Autorität der Heiligen Schrift in beeindruckender Weise in Anschlag. Insofern lässt sich an der veränderten Gestaltung der Texte in den Drucken A bis C der rapide Verfall des Ansehens der Wittenberger Theologen bei den Gnesiolutheranern ablesen. Unsere Ausgabe bietet die zweite lateinische Fassung mit den Ergänzungen des Flacius,Die Abweichungen in Druck A sind im textkritischen Apparat vermerkt. daneben die deutsche Fassung mit der Auslegung Westphals zu Ex 32.
2. Die Autoren/Herausgeber
2.1 Die Hamburger Prediger
In allen Drucken sind lediglich pauschal die Hamburger Prediger als Absender des Briefes an die Wittenberger Theologen genannt, das Original des Briefes scheint nicht erhalten, auch in Abschriften sind anscheinend keine Unterschrif ten berücksichtigt. So bleibt nur der Blick auf die Hamburger Geistlichkeit zur Zeit der Abfassung, um den Absenderkreis zu bestimmen.Vgl. Staphorst, Jährliche Gestalt, S. 17(a). Allerdings wird man angesichts der doch recht großen Zahl von Pfarrern und Predigern davon ausgehen dürfen, dass nicht alle in gleicher Weise an der Formulierung des Schreibens beteiligt waren, sondern dass ein einzelner oder einige wenige den Entwurf erarbeitet haben, der dann möglicherweise unter Berücksichtigung von Verbesserungsvorschlägen gemeinsam verabschiedet und unterschrieben wurde. Ein gemeinsam verantwortetes Schreiben war augenscheinlich immer hin trotz des bereits seit einigen Jahren schwelenden, allerdings noch vor sei nem Höhepunkt stehenden Streits um die theologische Deutung der Aussagen über die Höllenfahrt ChristiZum Höllenfahrtsstreit vgl. Vogelsang, Weltbild, bes. 107119. Aepin hatte 1542 in lateinischen Vorlesungen am Dom über Psalm 16 im Anschluss an Luther die Auffassung vertreten, die Höllenfahrt Christi sei Teil seines stellvertretenden Leidens für uns, 1544 erschienen die Ausführungen auch im Druck (VD 16 A 375) und erregten bei einigen von Aepins Amtsbrüdern Anstoß, ab 1548 kam es zu Disputen, Kanzelstreit und Unruhen in der Gemeinde. Auch ein vom Stadtrat angefordertes Gutachten aus Wittenberg konnte die Streitigkeiten nicht schlichten, weitere Verhandlungen scheiterten, schließlich wurden drei Gegner Aepins Johannes Garcaeus sen., Tilemann Epping und Caspar Hackrath am 26. April 1551 ihrer Ämter enthoben und aus der Stadt gewiesen, weil sie ein Schweigegebot des Rates ignoriert hatten. möglich.Auch das Interimsgutachten aus dem Vorjahr (unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 9) war trotz des Streites gemeinsam verantwortet worden.
2.1.1. Johannes Aepin(us) Zu Johannes Aepin s. Jensen 3234, 44f, 128; Hans Düfel, Art. Äpinus, in: TRE 1 (1977), 535544.
Er wurde 1499 als Sohn des Ratsherrn Hans Hoeck Hoch = apeinÒj. in Ziesar in der Mark Brandenburg geboren und trat 1517 in das Prämonstratenserkloster in Bel buck Heute Białoboki. nahe Treptow Heute Trzebiatów. an der Rega in Hinterpommern ein, wo zu dieser Zeit Johannes Bugenhagen als Lehrer wirkte. Am 1. Oktober 1518 wurde Aepin an der Universität Wittenberg immatrikuliert. Nach dem Baccalaureatsexamen am 1. März 1523 ging Aepin zunächst als Lehrer zurück in seine Heimatstadt; dort als Anhänger Luthers inhaftiert, wandte er sich nach seiner Befreiung zunächst nach Greifswald, dann nach Stralsund, wo er in den Jahren 1524 bis 1528 der Schule auf dem Johannikirchhof als Rektor vorstand. 1525 verfasste er im Auftrag des Rates der Stadt eine Kirchenordnung. Im April 1529 be gleitete er Bugenhagen nach Flensburg zum Kolloquium mit dem späteren Täuferführer Melchior Hoffman, und im Oktober jenes Jahres wurde Aepin zum Pfarrer an St. Petri in Hamburg gewählt.Sein Amtsvorgänger war Johann Boldewan, sein ehemaliger Abt im Prämonstratenserkloster Belbuck. Am 18. Mai 1532 wählte ihn der Hamburger Rat zum ersten Superintendenten der Stadt, womit das Amt eines Lector primarius am Dom verbunden war. Da dessen Inhaber stiftungs gemäß die theologische Doktorwürde besitzen sollte, ermöglichte die Stadt Aepins Promotion am 17. Juni 1533 in Wittenberg, gemeinsam mit Bugenha gen und Caspar Cruciger. 1533/34 nahm Aepin im Auftrag des Rates an einer Gesandtschaft an den Hof Heinrichs VIII. von England teil, im Februar 1537 unterzeichnete er als Vertreter Hamburgs beim Bundestag zu Schmalkalden Luthers Artikel und Melanchthons Tractatus de potestate et primatu papae. 1539 überarbeitete er im Auftrag des Rates die Kirchenordnung Bugenhagens von 1529, 1544 verfasste er eine Kirchenordnung für Bergedorf und die Vierlande, 1552 für Buxtehude. Johannes Aepin starb am 13. Mai 1553.
Aepin war 1548 federführend bei der ablehnenden Stellungnahme der wendi schen Städte Lübeck, Hamburg und Lüneburg zum Augsburger Interim.Vgl. unsere Ausgabe Band 1, Nr. 9. Dass er auch beim hier vorliegenden Schreiben an die Wittenberger deutlichen Einfluss auf die Textgestaltung nahm, davon ist auszugehen.Staphorst, Bekenntnüß, S. )(2v, schreibt ihm die Verfasserschaft an dem Brief zu, allerdings gibt er nicht an, worauf er diese Aussage gründet. Neben dem so genannten Aepinschen Streit, dem Streit um die Deutung der Höllenfahrt Chri sti, beteiligte sich Aepin auch am Majoristischen und am Osiandrischen Streit.
2.1.2. Joachim FranckeJensen 72; MBW 12, 80; Hammer/Schade, I, 47.
Er stammte aus Stralsund und hatte als Dominikanermönch in Greifswald gelebt, wo er auch seit 1507 studierte. Um 1527 war Francke als Pastor in Wilster (Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein) tätig, 1531 wurde er dann zum Hauptpastor an St. Nikolai in Hamburg gewählt, und dieses Amt bekleidete der vir pius et eruditus bis zu seinem Tode im Februar 1551. Da er anscheinend nicht in Wittenberg studiert hatte, waren seine Verbindungen zu den Wittenberger Theologen vermutlich nicht so eng wie bei Aepin und anderen Kollegen.
2.1.3. Joachim Westphal Zu Joachim Westphal s. Jensen 35, 99; Hammer/Schade, I, 203; Irene Dingel, Art. Westphal, in: TRE 35 (2003), 712715, Gustav Kawerau, Art. Westphal, in: RE³ 21 (1908), 185189.
Der Sohn eines Tischlermeisters wurde 1510 in Hamburg geboren. Nach dem Besuch der Kirchenschule zu St. Nikolai und der Lateinschule in Lüneburg studierte er mit einem Stipendium seiner Vaterstadt ab 1529 an der Universität Wittenberg, wo er am 30. Januar 1532 den Grad eines Magister Artium er warb; auf Empfehlung Melanchthons übernahm Westphal zunächst die Stelle des Subrektors am Hamburger Johanneum, 1534 ging er jedoch mit einem neuerlichen Stipendium wieder nach Wittenberg, das er verließ, als die Uni versität der Pest wegen nach Jena verlegt wurde. In den Jahren 15351537 besuchte er weitere Universitäten, darunter Erfurt, Marburg, Heidelberg, Straßburg und Tübingen, anschließend hielt er in Wittenberg eine Zeitlang Vorlesungen in der artistischen Fakultät. Auf Empfehlung Melanchthons und Bugenhagens erging 1540 ein Ruf an ihn auf einen theologischen Lehrstuhl an der Universität Rostock, beinahe zeitgleich wurde er aber auch zum Hauptpastor an St. Katharinen in Hamburg gewählt, als Nachfolger des am 23. Oktober 1540 verstorbenen Magisters Stephan Kempe. Am 3. Ostertag, dem 19. April 1541, wurde Westphal, der seiner Heimatstadt der empfangenen Stipendien wegen verpflichtet war, vom Superintendenten Aepin in sein neues Amt eingeführt. Westphal beteiligte sich am Streit um die Höllenfahrt Chri sti,Vgl. oben Anm. 15. am Adiaphoristischen, am Majoristischen und am Osiandrischen Streit und trat als Gegner Calvins im sogenannten zweiten Abendmahlsstreit hervor. Nachdem er Paul von Eitzen bereits seit 1562 in diesem Amt vertreten hatte, wurde Westphal 1571 vom Rat der Stadt zum Superintendenten und Lector primarius am Dom ernannt. Am 16. Januar 1574 starb er nach kurzer Krankheit. Da seine beiden Ehen kinderlos geblieben waren, bestimmte er sein hinterlassenes Vermögen zu einer mildtätigen Stiftung.
Westphal war vermutlich neben Aepin wesentlich an der Abfassung des Briefes an die Wittenberger Theologen beteiligt. Dafür spricht nicht nur die Beigabe seiner Auslegung von Ex 32 zur deutschen Übersetzung des Schrei bens,Vgl. unten Text Nr. 2d, S. 99111. sondern auch der Umstand, dass er mehrere weitere Streitschriften in der Sache publizierte.BREVIS | COMPREHENSIO AR= | gumentorum, quibus seruitus fe= | renda in Cæremonijs a Papi= | stis per eorum ministros | imposita impro= | batur. | Autore M. Ioachimo VVestphalo, Pa- | store in Ecclesia Hamburgensi. | Lucæ XIX. | Dico uobis, quia si hi tacuerint, | lapides clamabunt. [8 Bl. 8°, Magdeburg: Michael Lotter, 1549] (VD 16 2267). Deutsch: Kurtzer begriff / der | Argument vnd Beweisungen / durch | welche die Dienstbarkeit in Cæremonien / von den Pa= | pisten vnd jhren dienern zu leiden auffgelegt /| verworffen vnd verlegt wird. | Durch M. Joachimum Westphalum | Pfarherrn zu Hamburg. | Verdeudscht. | [8 Bl. 4°, Magdeburg: Christian Rödinger, 1549] (VD 16 W 2268). DVO SCRI= | PTA M. IOACHIMI | VVESTPHALI HAMBURG. | In altero firmis rationibus adseritur, | quod obsistentes præsenti mutationi | in doctrina & ritibus Ecclesiasticis | non moueant certamina de re- | bus paruis & non ne- | cessariis. | In altero euidenter ostenditur, quod | authores & suasores legum, de doctrina | & pseudadia: hoc tempore nouandis, | Antichristo, in fraudem Ecclesiæ | Dei, gratificentur. | 1549. [23 Bl. 8°, Magdeburg: Michael Lotter] (VD 16 W 2306). Deutsch: Zwo Schrifften M. | Joachimi Westphali / Pfarherrn | zu Hamburg. | | Verdeudscht. | 1550. [20 Bl. 4°, im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburg durch Christian Roͤdinger. am. 10. Octobris. Anno 1550.] (VD 16 W 2307). Nicht von ungefähr erwähnt Bugenhagen
ausdrück lich Westphal als Hamburger Gegner.Vgl. oben Anm. 11. Westphal war mit Flacius befreun det,Vgl. unsere Ausgabe Nr. 3 (deutscher Text), Bl. S 1r (S. 321, Z. 5f). und so könnte man vermuten, dass er diesem eine korrigierte Version des Druckes A zukommen ließ, die dann als Vorlage für den Druck B und für die deutsche Übersetzung diente.Dass ein annotiertes Exemplar von A tatsächlich die Vorlage für B war, geht daraus hervor, dass auf Bl. B 8r die Kustode dem Text von A entspricht, aber nicht dem tatsächlichen Bestand in B.
2.1.4. Johannes Garcaeus (Gärtzen) d. Ä.Jensen 45, 130; MBW 12, 118f; Hammer/Schade, I, 51.
Johann Gartze, geboren im August 1502 wahrscheinlich in Pritzwalk, wurde im Jahre 1521 in Wittenberg immatrikuliert und blieb dort bis zu seiner Beru fung an das Hamburger Johanneum um 1530. Auf Trinitatis 1534 wurde er zum Nachfolger Aepins als Hauptpastor an St. Petri gewählt. Um Michaelis 1543 war er nach Spandau gewechselt, wurde aber bereits um Ostern 1546 wieder nach Hamburg zurückberufen als Hauptpastor an St. Jacobi. Im Zuge des Höllenfahrtsstreits mit Aepin wurde er am 26. April 1551 der Stadt ver wiesen und übernahm zunächst eine Theologieprofessur in Greifswald, dann als Nachfolger Erasmus Albers zu Michaelis 1553 die Superintendenten stelle in Neubrandenburg, wo er am 24. August 1558 starb.
2.1.5. Paul von EitzenJensen 34f; Hammer/Schade, I, 39.
Geboren in Hamburg am 25. Januar 1521, wurde er 1544 Rektor in Cölln an der Spree und 1547 Professor in Rostock, doch schon um die Mitte des Jahres 1548 berief man ihn als Pastor und Lector secundarius an den Dom seiner Heimatstadt. Am 17. August 1555 wurde er zum Superintendenten und Lector primarius am Dom gewählt. 1556 erwarb v. Eitzen den theologischen Doktor grad. Im Juni 1562 wurde er Generalpropst von Holstein-Gottorp in Schles wig, ließ sich am Hamburger Dom jedoch noch bis ins Jahr 1571 vertreten, ehe er seine dortige Stelle endgültig aufgab. Am 25. Februar 1598 starb er in Schleswig, nachdem er sein dortiges Amt bereits 1593 niedergelegt hatte.
2.1.6. Johannes Högel(c)ke Jensen 45f, 54, 191; Hammer/Schade, I, 75.
Er stammte aus Navendorp in Westfalen und wurde am 18. April 1521 in Wittenberg immatrikuliert, im Oktober 1522 wurde er Baccalaureus, an schließend Magister. In den Jahren 15311541 versah er das evangelische Pfarramt an der Stadtkirche zu Wilster, ehe er zu Ostern 1541 Pastor an St. Georg und am Hiobshospital in Hamburg wurde. Gegen Ende 1542 wurde er zum Diakonus an St. Petri gewählt, am 5. Juli 1549 zum Hauptpastor an derselben Kirche. Da er im Höllenfahrtsstreit in Opposition zu Aepin stand, wurde er nicht durch den Superintendenten und die andern Hauptpastoren in sein Amt eingeführt, sondern vom Bürgermeister in Verbindung mit den Kirchspielherren und Juraten, d. h. von den weltlichen Verwaltungsbeauf tragten für das Kirchenwesen. Er amtierte trotz Widerspruchs des Prediger ministeriums bis zum 27. August 1555 und starb am 1. November 1558.
2.1.7. Henrich Hartwich (Hartzwig) Jensen 27; Staphorst, Jährliche Gestalt, S. 17(a). Bei Hammer/Schade, I, 67 findet sich zu Henrich Hartwich nur die Angabe, er sei 1559 Diakon in Hamburg (St. Petri) gewesen und am 24. März 1561 verstorben. Das entspricht den Angaben bei Jensen, 56. Da bei Hammer/Schade I, 67, auch ein Paul Hartzwich (Hartwig) genannt wird, geboren in Hamburg, 1562 Magister in Greifswald, schließlich verstorben als Pastor in Oldenbrock 1593, so könnte man vermuten, dass der Diakon an St. Petri Henrich Hartwich zwei Söhne, Henrich und Paul, gehabt und die Namensgleichheit zwischen Vater und Sohn für Verwirrung gesorgt habe. Andernfalls müßte man annehmen, dass einer einzigen Person des Namens Henrich Hartwich unterschiedliche Daten zugeordnet wurden.
1540 war er bereits Prediger an St. Petri in Hamburg, wo er um 1556 starb.
2.1.8. Servatius Eggers (Eggerdes)Jensen 139; Hammer/Schade, I, 39.
Er wurde um die Mitte der 1520er Jahre zum ersten evangelischen Prediger an St. Jacobi gewählt, nachdem er zuvor bereits als altgläubiger Geistlicher tätig gewesen war, und starb am 25. November 1564.
2.1.9. Jacob Laurentii (Lorentzen)Hammer/Schade, I, 106.
Er war 1526 zum Prediger an St. Nicolai gewählt worden und starb am 29. Mai 1549.
2.1.10. Johann FlammeJensen 27, 139; Hammer/Schade, I, 46.
Der Prediger an St. Jacobi wurde 1526 oder 1529 gewählt und starb am 11. Februar 1566.
2.1.11. Matthias KroegerJensen 217; Hammer/Schade, I, 100.
Er wurde zum Pastor an der Heiligengeistkirche erwählt im Jaher 1533. Um Pfingsten 1562 legte er aus Altersgründen sein Amt nieder und starb am 2. Januar 1565.
2.1.12. Sebastian FreytagJensen 107; Hammer/Schade, I, 49.
Seit 1540 war er Prediger an St. Katharinen. Er starb am Abend des Palmsonn tages (26.03.1564) und wurde am Karfreitag, dem 31. März 1564, bestattet.
2.1.13. Meinhard (Meiner) KroegerJensen 191, 223; Hammer/Schade, I, 100.
1495 im Lüneburgischen geboren, wurde er 1540 Pastor zu (Hamburg-)^!Moor fleet, dann um Michaelis 1542 zum Pastor an St. Georg und an St. Hiob gewählt. Das Pastorat an St. Hiob legte er 1550 (1556?) nieder, während er an St. Georg weiter seinen Dienst versah, bis er ihn um Michaelis 1569 aus Altersgründen aufgab. Am 21. April 1571 starb er.
2.1.14. Tilemann EppingJensen 54f; Hammer/Schade, I, 41.
Geboren in Münster/Westfalen, wurde er 1540 der erste evangelische Predi ger in Heiligenstedten/Holstein, 1543 hielt er sich zum Studium in Witten berg auf und wurde zum Magister promoviert. Am 24. Juni 1544 wurde er zum Diakonus an St. Petri in Hamburg gewählt. Im Streit um die Bewertung der Höllenfahrt Christi stand er gegen Aepin und musste, da er die Unter schrift unter der vom Rat aufgestellten Erklärung für Aepin ablehnte, am 26. April 1551 die Stadt verlassen. Nach Aufenthalten in Dithmarschen und als Pastor zu Oldenswort in Eiderstedt kehrte er 1553 nach Hamburg zurück, wo er in großer Armut starb.
2.1.15. Caspar Hackrath (Hackrott)Jensen 139; Hammer/Schade, I, 62.
Er wurde um Ostern 1545 zum Prediger an St. Jakobi gewählt, wegen seiner massiven Gegnerschaft gegen Aepin im Höllenfahrtsstreit enthob ihn der Rat am 26. April 1551 seines Amtes und wies ihn am 11. Oktober des gleichen Jahres aus der Stadt.
2.1.16. Georg Tappius (Tappe)Jensen 107, 210; Hammer/Schade, I, 188.
Aus Lüne stammend, studierte er um 1536/37 in Wittenberg. Um Johannis 1547 wurde er zum Prediger an St. Marien Magdalenen gewählt, im Septem ber 1548 (oder um Ostern?) zum Diakonus an St. Katharinen. Dieses Amt versah er bis zu seinem Pesttod am 4. August 1565. Er galt als eifriger Ge folgsmann Westphals.
2.1.17. Dieterich Jürgens (Theodoricus Jarius Phrisius, Theodor Georgii, Dirk Frese)Jensen 203; MBW 12, 379; Hammer/Schade, I, 85.
Am 29. November 1547 wurde er erster evangelischer Pastor an der ehema ligen Dominikanerkirche St. Johannis. Am 8. März 1551 wählte man den An hänger Melanchthons zum Hauptpastor an St. Nicolai. Dieses Amt versah er bis zu seinem Tod am 25. November 1561. Vor seinem Dienstantritt in Hamburg soll er zweiter Pfarrer an St. Nicolai in Stade gewesen sein. Er stand Paul von Eitzen nahe und wurde von den Anhängern Westphals befehdet.
Er stammte aus Geseke (Kreis Soest) und wurde am 1. Juli 1525 in Witten berg immatrikuliert. Im Jahre 1538 wurde er Rektor der Katharinenschule zu Braunschweig. Um Ostern 1548 wählte man ihn zum Prediger an St. Kathari nen in Hamburg. Dieses Amt legte er wegen einer Pesterkrankung im Jahre 1555 für einige Zeit nieder, nahm aber nach überstandener Krankheit seinen Dienst wieder auf. Gerlach starb am 13. Juni 1596. JensenJensen 107. sagt von ihm, er sei einer der anhänglichsten Schüler Westphals aus dessen Wittenberger Zeit gewesen.
2.1.19. Alexander Meppen(sis)Jensen 82; Hammer/Schade, I, 119.
Er soll aus dem Lande Hadeln (an der unteren Elbe) stammen. Von 1548 an amtierte er als Diakon an St. Nicolai bis zu seiner Abdankung um Weihnach ten 1565. Er starb unverheiratet um 1568/69.
2.2 Die Wittenberger Theologen
Während in Druck A noch Melanchthon als Autor des Antwortschreibens angegeben ist, werden in B und C die Wittenberger Theologen insgemein genannt.Ein ähnliches Phänomen war auch bei der Veröffentlichung des Interimsgutachtens vom 16. Juni 1548 zu beobachten, vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 1. Vgl. allg. Kohnle, Wittenberger Autorität. Sie waren als Gruppe angeschrieben worden, unter namentlicher Hervorhebung Melanchthons,Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, S. 50. BugenhagensVgl. unsere Ausgabe Nr. 8. und Majors,Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, S. 48f. und auch die Antwort erging im Namen der Gruppe. Dabei dürfte Melanchthon feder führend gewesen sein. Bugenhagen bemerkt gegenüber König Christian III. von Dänemark, an dem Antwortschreiben mitgewirkt zu haben, während über einen Beitrag Majors nichts verlautet.Vgl. oben Anm. 11.
2.3 Matthias Flacius Illyricus
Im Frühjahr 1549 verließ FlaciusWittenberg, weil er so teilt Melanchthon in einem Brief an Georg von Anhalt mit die Veränderung der Kirchenge bräuche nicht mit ansehen Vgl. Melanchthon an Georg III. von Anhalt, 29. März 1549, CR 7, 356 (Nr. 4507 = MBW 5487): Illyricus hinc abiit, aperte causam hanc dicens, se nolle spectatorem esse mutationis rituum. Etsi autem nondum scerto scimus, de reditu quid decreverit: arbitror tamen, quaerere eum sedem, unde liberius nos criminari possit wollte. Vergeblich hatte er versucht, die einsti gen Freunde Luthers zu offenem Widerstand gegen das Interim und die Leip ziger Landtagsvorlage zu bewegen. Er besuchte mehrere norddeutsche Städte, ehe er sich schließlich in Magdeburg niederließ, wo er weitgehend ungehin dert publizieren konnte und Mitstreiter für sein Anliegen fand. Just in diese Phase fiel das Schreiben der Hamburger Prediger, die ganz im Sinne des Fla cius die Wittenberger zu einer klaren öffentlichen Stellungnahme aufforder ten. Man kann mangels einschlägiger Quellen allenfalls spekulieren, ob Flacius selbst womöglich die Hamburger Anfrage angeregt habe. Die ausweichende Antwort aus Wittenberg dürfte Flacius in seinem Entschluss bestärkt haben, nicht dorthin zurückzukehren. Zum Lebensweg des Flacius allgemein vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, Einleitung, und unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 3, S. 92f. Was er von der Antwort der Wittenberger hielt, ist jedenfalls seinen Randbemerkungen in der zweiten lateinischen Ausgabe zu entnehmen. Siehe unten S. 58106.
3. Inhalt
[a]Brief der Hamburger Geistlichen vom 3. April 1549= Mittwoch nach Laetare 1549. Datierung in MBW nach einer Kopenhagener Abschrift; vgl. MBW Nr. 5495 (CR 7, 366382, Nr. 4516A).
Angetrieben von der Sorge um die Erhaltung der reinen Lehre und der evan gelischen Gemeinden im Reich angesichts drohender großer Gefahr, wenden sich die protestantischen Geistlichen Hamburgs an die Wittenberger Theolo gen, ihre einstigen Lehrer, mit der Bitte um eine unmissverständliche, klare und eindeutige öffentliche Stellungnahme zur Frage des Umgangs mit den sogenannten Adiaphora. Offenbar werde der Versuch unternommen, unter dem Vorwand, es gehe lediglich um nicht heilsrelevante Mitteldinge, das gesamte Papsttum mit all seinen überwunden geglaubten abergläubischen Anschauungen und Praktiken wiederherzustellen. Und dabei berufe man sich auf Äußerungen der Wittenberger, wonach Pfarrer und Prediger sich in der Frage der Mitteldinge dem äußeren Zwang fügen sollten, wenn auf diese Weise die Kirche in ihrem wesentlichen Kern gesichert und erhalten werden könne, statt dass sie um solcher unbedeutender Dinge willen ihre Gemeinden verließen. Von den Adiaphoristen drohe der Kirche jedoch größerer Schaden als je zuvor von falschen Propheten. Dagegen aufzutreten seien die Witten berger verpflichtet aufgrund ihres überaus hohen Ansehens innerhalb der protestantischen Christenheit. Es gebe genügend mutige und gelehrte Männer in der Kirche, die für die Wahrheit einzutreten bereit seien, wenn man sie nur recht unterrichte. Dass die Wittenberger lieber Leiden auf sich nehmen würden als die reine Lehre zu verfälschen, daran bestehe bei den Hambur gern kein Zweifel, aber die Bereitschaft, in Mitteldingen Kompromisse zu schließen, sei missverstehbar und gebe zu Missdeutungen Anlass, arbeite so den Gegenspielern in die Hände, die jeden verunglimpften, der sich weigere, die Änderungen anzunehmen. So behaupte Johann Agricola, die Wittenber ger hätten das Interim vorbehaltlos angenommen. Die Hamburger Geistli chen bekräftigen ihren Willen, unter allen Umständen an der reinen Lehre festzuhalten und lieber Marter und Tod zu erleiden, als gegen ihr Gewissen zu handeln. Man billige der weltlichen Obrigkeit durchaus bestimmte Kom petenzen zu, es gelte jedoch klar zu unterscheiden zwischen demjenigen, was Gottes sei, und demjenigen, was des Kaisers sei. Um es den Wittenbergern zu erleichtern, ihren Ratschlag zu geben, wollen die Hamburger ihre eigene Auffassung darlegen:
Gott allein könne rechten Gottesdienst stiften. Zu dessen konkreter Gestal tung seien christliche Gebräuche und eine gute Kirchenordnung sinnvoll und notwendig. In den Bereich der Zier, Ordnung, Ehrbarkeit, Ruhe und Zucht gehörten die Mitteldinge, die Gott weder geboten noch verboten habe: or dentliches Verfahren zur Berufung der Pfarrer, schickliche Kleidung im Got tesdienst, Gottesdienstzeiten, Glockengeläut, Feiertage, Perikopenwahl, Ver wendung von Orgeln, kirchliche Kunst, moderate Kirchenzuchtmaßnahmen, Gebetszeiten, Kirchenlieder, christliches Brauchtum bei Trauungen und Be stattungen, Katechismusunterricht, Beichte, Lebensordnung für die Geistli chen, moderate Fastengebräuche und Manches mehr. Alles solle zweckmäßig gestaltet sein und zur Erbauung der Kirche dienen. Beständige Eintracht, Ruhe und Gleichförmigkeit unter den Kirchen, die in der reinen Lehre übereinstimmen, sei erstrebenswert, und wenn die kaiserlichen und sonstigen obrigkeitlichen Maßnahmen tatsächlich darauf zielten, grundsätzlich dispo nible Mitteldinge mit dem Ziel größerer Übereinstimmung zu ordnen und zu koordinieren, könne man ihnen guten Gewissens Folge leisten.
Wirkliche Mitteldinge seien allerdings daran erkennbar, dass sie der Erbauung der Kirche dienten, dass sie die Freiheit zur reinen Lehre nicht beeinträchtig ten und dass sie bei Bedarf auch frei verändert werden könnten.
Was die reine Lehre verdunkele, gehöre hingegen nicht zu den Mitteldingen, so etwa allerlei magisches Treiben wie die Weihe von Öl, Taufwasser, Salz, Weihwassser, Palmwedeln, Feuer etc., Prozessionen, gar mit Monstranz, Heili genbildern und Reliquien, allerlei symbolische Spektakel in der Karwoche, an Himmelfahrt und Pfingsten sowie an Mariae Lichtmeß, Wallfahrten und ähn liches. All dies nicht in Gottes Wort gegründete Treiben trage dazu bei, den Glauben verächtlich zu machen und zum Gespött werden zu lassen.
Es genügt nach Auffassung der Hamburger Geistlichen nicht, sich damit zu bescheiden, das vermeintlich kleinere Übel gewählt zu haben; mittels Kom promissen in der kirchlichen Praxis das geordnete Gemeindeleben und die reine Lehre retten zu wollen, sei illusorisch. Man dürfe in der Frage der Mit teldinge keinerlei Missbrauch, Anstößigkeit oder Gewissenszwang dulden; dergleichen anzuordnen stehe den Fürstenhöfen nicht zu, ganz im Gegenteil: Die Fuͤrstenhoͤfe sollen von der Kirchen durch Gottes Wort regirt werden, die kirch aber soll man durch weisheit der Fuͤrstenhoͤffe in keinen weg regie ren, sonder mit Gottes Worte. Es sollen auch die Fuͤrstenhoͤffe Christo vvnd seiner Kirchen kein Gottesdienst vorschreiben one Gottes wort; die es aber thun, die thun mehr, denn jhn befolhen ist, vnd nemen des Antichrists person vnd werck an sich. Christus sol die kirch regieren vnd nicht die Fuͤrstenh hoͤffe.Siehe unten Bl. C 1r C 1v. Die weltliche Obrigkeit habe lediglich den Auftrag, die wohlgeord neten Kirchen und Gemeinden zu schützen und zu unterstützen.
Missbräuche und von Menschen erfundene, nur vermeintlich gottwohlgefäl lige Dinge, die seit alters von Vätern, Propheten, Christus und den Aposteln für unnütz, nichtig und vergeblich erklärt worden seien, würden fälschlich den Adiaphora zugerechnet: Klosterwesen und -gelübde, Winkelmesse und Kanon, Zölibat, Heiligenverehrung, von Menschen eingesetzte Sakramente, Beichte mit vollständiger Aufzählung aller Sünden, Fasttage als verdienst liches Werk, Messen zugunsten Verstorbener, Wallfahrten und Ablaß dies alles richte sich gegen Evangelium, Glauben und christliche Freiheit. Wenn die papistischen Missbräuche unter dem Etikett Adiaphora wieder ein geführt würden und die Bischöfe ihre Jurisdiktionsgewalt wiedererhielten, sei das Papsttum vollständig wiederhergestellt, ganz entsprechend der Absicht der Gegner, die die reine Lehre des Evangeliums ausrotten wollten.
Gegen Ende ihres Briefes betonen die Hamburger Geistlichen, sie seien sich der schwierigen Lage durchaus bewusst, in der kirchliche und weltliche Amtsträger angesichts der kaiserlichen Forderungen stünden; sie seien auch zu Kompromissen bereit, soweit es ohne Verleugnung der erkannten Wahr heit möglich sei. Um aber den Missbräuchen Einhalt zu gebieten und dro henden Schaden von der Kirche abzuwenden, müssten die Wittenberger eine eindeutige Erklärung in der Sache abgeben. Jedermann sei in einer solchen Gefahrensituation zur Hilfeleistung verpflichtet; wegen ihres außerordentlich hohen Ansehens stünden die Wittenberger jedoch in einer besonders großen Verantwortung. Sei ihnen eine ausführliche Antwort zur Zeit nicht möglich, so möchten sie doch wenigstens kurz ihre Meinung zu den Darlegungen der Hamburger eröffnen.
Der Entkräftung der Argumente des Wittenberger Briefes dient in der zweiten lateinischen Ausgabe offenbar auch die Beifügung der Erörterung, was es mit dem Verlassen der Kirche auf sich habe:
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden können drei verschiedene Ausgaben:
lateinisch:
A:
DE REBVS || ADIAPHORIS EPI= || STOLA CONCIONATO- || rum Hamburgensium ad D. Phi- || lippum Melanthonem, & || responsio eius- || dem. || Psal. XXVI. || Non consideo hominibus uanis, || nec cum dolosis conuersor. [Magdeburg: Michael Lotter, 1549]Zur Offizin von Michael Lotter in Magdeburg vgl. Reske, Buchdrucker, 580. [18] Bl. 8° (VD 16: E 1673)
Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: 28.8.3733,angeb.2; Theol.ev.dogm. 906 m, misc.5
Frankfurt/M.
, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg: Flugschriftensammlung Gustav Freytag, XVII,714 (Hohenemser Nr. 3572) [benutztes Exemplar] Microfiche-Ausgabe: Hohenemser Nr. 3572.
, Herzog August Bibliothek: 1021.27 Theol.(13); 1040.6 Theol.(4); 1165.4 Theol.(9); 1173.1 Theol.(3); 925.14 Theol.(3); G 303.8 Helmst.(9); S 251.8 Helmst.(2) [benutztes Exemplar]Köhler, Flugschriften II-889 (Nr. 1591).; Yv 538.8 Helmst.(3)
Zwickau
Ratsschulbibliothek: 8.10.33.(11)
deutsch:
C:
Ein Brieff der Pre= || diger zu Hamburg / an die Theolo= || gen zu Wittembergk / in welchem gehandelt wirt || von Mitteldingen / zu dieser zeit sehr nuͤtz= || lich zu lesen. || Jtem / die Historia vom guͤldenen || Kalbe Aaronis / aus dem XXXII. Capitel || des andern Buchs Moses / auff die jtzi= || ge zeit gedeutet / durch M. Joachi= || mum Westphalum von || Hamburg. || Verdeudscht. || Galat. I. || So jemand euch Euangelion prediget / anders denn || das jr empfangen habt / der sey verfluchet. || II. Corinth. VI. || Was hat das Liecht fuͤr gemeinschafft mit dem fin= || sternis? Wie stimpt Christus mit Belial? || M. D. XLIX. [Kolophon: Gedruckt zu Magde= || burg bey Christian Roͤdinger. || Anno M. D. XLIX.]Zu Christian Rödingers d. Ä. Tätigkeit in Magdeburg vgl. Reske, Buchdrucker, 581. [20] Bl. 4° (VD 16: E 1674)
Der Druck A liegt dem Abdruck der beiden Briefe in CR 7, 366386 (No. 4516) zugrunde.
Der Druck C ist bei Staphorst, Bekenntnüß, S. 260282 wieder abgedruckt.Im Vorwort [S. )(2v] schreibt Staphorst, Westphal habe den Text des von Aepin verfassten Briefes übersetzt. Das ist aber vermutlich eine Fehldeutung der Titelaufschrift der deutschen Ausgabe; wahrscheinlicher hat Flacius die Übersetzung von Brief und Auslegung in Auftrag gegeben.
Den Brief der Hamburger lateinisch gibt Staphorst, Bekenntnüß, S. 136146 , nach Schlüsselburg, Bd. XIII, 657683; die Antwort der Wittenberger lateinisch und die Ausführungen des Flacius Quid sit ecclesiam deserere finden sich bei Staphorst, Bekenntnüß, S. 282284; 285286, anscheinend nach Druck B.
Wir folgen beim lateinischen Text dem Druck B, der auch der Übersetzung in C zugrunde liegt und eine korrigierte, teilweise evtl. auch zugespitzte Version von A darstellt, wesentliche Abweichungen von A sind im textkritischen Ap parat verzeichnet. Der deutsche Text folgt der einzigen bekannten Auflage C.