Controversia et Confessio, Bd. 2


Magdeburger Bekenntnis - Einleitung

Magdeburger Bekenntnis - Einleitung Hans-Otto Schneider TEI-P5 konforme Kodierung durch Timo Steyer Nicole Krämer Controversia et Confessio Herausgegeben von Irene Dingel Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz DFG Elektronische Ausgabe nach TEI P5 Herzog August Bibliothek WolfenbüttelLetzte Änderung: Available at (c) Herzog August Bibliothek WolfenbüttelUniversitäts- und Landesbibliothek DarmstadtLetzte Änderung: CC-By-SA 4.0

Erstellt im Projekt Controversia et Confessio

Erstellt in Kooperation zwischen dem IEG Mainz und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Einleitung
1. Historische Einleitung


Magdeburg, nächst Köln wohl die bevölkerungsstärkste Stadt des Reiches,
hatte seit 1524 die Einführung der Reformation forciert, gegen den Wider
stand von Erzbischof und Domkapitel.  Dabei genoß die Altstadt aufgrund alter Privilegien eine Sonderstellung, während die Vorstädte dem Zugriff des bischöflichen Stadtherrn stärker ausgesetzt waren. Zur Stadtgeschichte bis 1551 vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 13–38; PKMS 4, 30–32; PKMS 5, 23–26; Moritz, Interim und Apokalypse, 149–208. Früh war sie dem Schmalkaldischen
Bund beigetreten. Nach der Schlacht bei Mühlberg hatte die Stadt die Kapi
tulation gegenüber dem Kaiser verweigert und sich stattdessen mit Braun
schweig und Hamburg am Entsatz der von Kaiserlichen belagerten Hanse
stadt Bremen beteiligt. Daraufhin wurde Magdeburg durch ein kaiserliches
Mandat vom 27. Juli 1547 in die Reichsacht erklärt  Vgl. Moritz, Interim und Apokalypse, 174. Zu den Folgen der Acht aaO 174–176. Schon in den Jahren 1527 und 1537 war Magdeburg jeweils in die Acht erklärt worden, ohne dass jedoch die Mandate vollstreckt worden wären; vgl. aaO 165. und verlor seine Frei
heiten und Privilegien, insbesondere das einträgliche Stapelrecht und den
einflussreichen Schöppenstuhl. Hatte man dem Kaiser schon hinsichtlich des
Schmalkaldischen Kriegs unterstellt, es gehe ihm letztlich um eine Unter
werfung der Protestanten und die Ausrottung des evangelischen Bekennt
nisses,  Vgl. Kohler, Karl V., 300f; Rabe, Deutsche Geschichte 1500–1600, 397f. so verfestigte sich dieser Eindruck mit dem Erlass des Augsburger
Interims. Dementsprechend interpretierten auch die Magdeburger ihren Wi
derstand primär religiös. Die Stadt, in der als einziger noch Schriften gegen
das Interim gedruckt werden konnten, avancierte zu unsers Herrgotts Kanz
lei.  Zum Begriff vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 1–12, bes. 11, und 157f mit Anm. 1, außerdem unten Bl. O 2v: Cantzeley vnsers herrn Jhesu Christi. Der Kaiser forderte mehrfach zur Vollstreckung der Acht auf, doch
Kurfürst Moritz von Sachsen verhinderte zunächst ein militärisches Vorge
hen gegen die Stadt und propagierte stattdessen ein Embargo. Dennoch wur
de die Situation Magdeburgs zusehends schwieriger, und je länger die Acht
anhielt, desto wahrscheinlicher wurde ihre militärische Vollstreckung, zumal
nirgends sonst sich offener Widerstand gegen den Kaiser formierte. Es mehr
ten sich Gerüchte, als solt damit vmbgangen vnnd mit grosser gefahr practi
cirt werden, vns vnd andere, die bißher auß Gottes genaden vber seinem wa
ren Goͤttlichen wordt gehalten, mit vielem volck zu vbertziehen, vberfallen
vnd an Leibe, guth vnd der Seele zu uorterben.  Ratsausschreiben vom 24. März 1550, Bl. A 2r, siehe unten S. 633, Z. 25–28.



Anscheinend besann man sich in dieser Lage seitens des Rates und der Geist
lichkeit der Stadt darauf, dass die bislang zum Kampf gegen das Augsburger
und das Leipziger Interim eingesetzten publizistischen Mittel auch zur Ver
teidigung der Stadt selbst genutzt werden konnten: Wenn es gelang, eine mög
lichst breite Öffentlichkeit im Reich davon zu überzeugen, dass Magdeburg

aus lauteren Motiven und zur Verteidigung der christlichen Wahrheit legiti
men Widerstand leistete, durfte die Stadt auf ideelle und womöglich auch
ganz praktische Unterstützung hoffen, während der Rückhalt ihrer Gegner
schwinden musste.  So zielt das Ausschreiben auch deutlich darauf ab, Landsknechte und Offiziere anhand des Beispiels des Heiligen Mauritius und der Thebäischen Legion dazu zu bewegen, nicht gegen die Stadt und ihre Bewohner vorzugehen (vgl. unten S. 638). Dass damit überdies im Innern eine Bestätigung und Fe
stigung des Widerstandswillens der Bevölkerung erreicht werden konnte, war
eine gewiss nicht unerwünschte Begleiterscheinung.



Besondere Bedeutung im Rahmen dieser publizistischen Defensivstrategie
kommt dem Magdeburger Bekenntnis zu, das parallel in einer deutschen
und einer lateinischen Version veröffentlicht wurde, so dass ein denkbar
großer Kreis von Rezipienten erreicht werden konnte. Es ist datiert auf den
13. April 1550, den Sterbetag des offenbar allseits hoch geachteten Diakons
an der Ulrichskirche Stefan Tucher.  Zu Tucher siehe unten S. 624–627. Zum Magdeburger Bekenntnis vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 176–198 (im Kontext des Kapitels III, S. 157–207). Präludiert wurde das Bekenntnis vom
dritten Ratsausschreiben  Insgesamt veröffentlichte der Magdeburger Rat in den Jahren 1548–1550 fünf Ausschreiben, das erste datiert vom 1. August 1548 (VD 16 M 128 und M 129), das zweite vom Jahresbeginn 1549 (VD 16 M 134 und M 135), das vierte von Anfang Oktober 1550 (VD 16 M 152), das fünfte von Mitte Dezember 1550 (VD 16 M 148 und M 149), zum dritten vom 24. März 1550 siehe unten; vgl. zu den Ratsausschreiben Kaufmann, Ende der Reformation, 133–155. vom 24. März 1550, das enge Bezüge zum Be
kenntnis der Pfarrer aufweist.  So verweist es z. B. auf Bl. B 4r darauf, dass die Schrift der Theologen manches noch ausführlicher darlegen werde. Es ist unten als Beilage abgedruckt, siehe S. 630–641. Daraus ist zu schließen, dass der Inhalt des
Bekenntnisses zu dieser Zeit bereits in seinen wesentlichen Zügen feststand.
Vermutlich war auch der Druck am 13. April bereits weitgehend abgeschlos
sen und wurde nur noch um den Nachruf auf Tucher ergänzt. Das Zusam
menspiel von Ratsausschreiben und theologischem Bekenntnis illustriert die
von Flacius in seiner Schrift De veris et falsis Adiaphoris vertretene Auf
fassung, die gute Ordnung eines Gemeinwesens erfordere notwendig eine
Vorrangstellung der Theologie.  Vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 184f. Entsprechendes findet sich auch im Magdeburger Bekenntnis selbst und im Ratsausschreiben, vgl. unten S. 636. Wohl nicht von ungefähr wurde die deut
sche Übersetzung ebendieser Flacius-Schrift um dieselbe Zeit im Druck ver
öffentlicht.  Hingegen scheint erst 1551 das Klag Lied: | Deren von Magdeburgk / zu Got | vnd allen Frommen Christen. | Jm Thon des zwelfften Psal= | ms: Ach Gott vom Himel | sihe darein / Vnd las | dich das Erbarmen. (VD 16 ZV 8973, s. l. 1551; vgl. VD 16 K 1213, Coburg [Cyriakus Schnauß] 1551) veröffentlicht worden zu sein. Es nimmt allerdings ausdrücklich auf das dritte Ratsausschreiben vom 24. März 1550 und auf die Notwehr-Lehre Bezug: [6.] So wir dann nyemant leyd gethan / Was thut man vns bekrigen. Ein jeder sehe das Schreiben an / Zum dritten mal on ligen. Das wir von Magdebuͤrgk on neith / Vor vnd in der engstlichen zeit. Clerlich frey Außgeschrieben. [7.] Wer sich darinnen wol ergruͤndt / Dem wird fuͤrwar sein Hertze. Gegen vns alln mit Lieb entzuͤndt / Das gleuben wir on schertze. Druͤmb biten wir in Demut gleich / Auß Hertzen grundt beyd Arm vnd reich. Vnnd sonderlich groß Herren. [8.] O lieben Christen alle sampt / Bedenckt in Hohen stenden. Ewer von Got befolhen Ampt / Thut euch zur Warheyt wenden. Bedencket vnser schreiben wol / Dann es ist aller Demut vol. So wird euch Got erleuchten. [... 22.] Ja wer vns nuͤhn wol gleuben wil / Dem sagen wirs mit schmertzen. Das vns solches betruͤbet viel / Ja krenckt vns Leib vnnd Hertzen. Gott weyß wir han keyn schuldt daran / Ein Nothweer haben wir gethan. Keyn Freud wir daran haben. [...] Das Lied umfasst 24 Strophen, die das Akrostichon Gottes Wort bleibt ewiglich bilden; die Anfangsbuchstaben der Verse auf dem Titelblatt ergeben Magdeburgk. – Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung des Flacius-Textes vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 118, Z. 10–21.




Der Vergleich zwischen lateinischer und deutscher Fassung des Magdeburger
Bekenntnisses zeigt, dass beide Texte wohl nicht in einem einfachen Verhält
nis von Urtext und Übersetzung zueinander stehen, auch wenn Argumente für
eine größere Ursprünglichkeit des lateinischen Textes beigebracht werden
können.  Vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 179, Anm. 60. Beide Fassungen weisen erhebliche Abweichungen voneinander
auf, die vor allem auf die Absicht zurückzuführen sein dürften, unterschiedli
chen Adressatenkreisen gerechtzuwerden. Der deutsche Text ist in der Regel
sehr viel ausführlicher gestaltet als der lateinische, gelegentlich übergeht er
aber auch Details, die bei Lesern ohne gelehrte Ausbildung auf Unverständ
nis hätten stoßen können. Da beide Versionen wohl nahezu gleichzeitig veröf
fentlicht wurden, steht zu vermuten, dass sie parallel ausgearbeitet wurden
und wechselseitige Beeinflussungen vorgekommen sind. Der Titel der deut
schen Fassung spiegelt den dreiteiligen Aufbau der Schrift wider, während der
lateinische Titel an die Augsburger Konfession und ihre Apologie erinnert,
als deren kurzgefasste Wiederholung der erste Teil der Ausarbeitung, das
eigentliche Bekenntnis, ja verstanden sein will.  Vgl. Dingel, Bekenntnis und Geschichte, 75f.



Die Darlegungen zur berechtigten Notwehr einer unteren gegenüber einer
höheren Obrigkeit spiegeln den Erkenntnisstand der Wittenberger Theologie
seit etwa 1530 wider; Vgl. Scheible, Widerstandsrecht. sie nehmen insbesondere Impulse aus Luthers Thesen
zur Zirkulardisputation von 1539,  Vgl. Luther, Zirkulardisputation über das Recht des Widerstands gegen den Kaiser (Matth. 19,21). 9. Mai 1539, in: WA 39/II, (34)39–91. aus Georg Majors Deklaration gegen Kaiser Karl
V. und Papst Paul III.  [Georg Major:] Ewiger / Goͤttlicher / | Allmechtiger Mayestat | Declaration. | [Holzschnitt: Heiliger Geist in Gestalt einer Taube schwebt über dem Haupt Gottes des Vaters, der Gott den Sohn nach Art einer Pietà auf dem Schoß hält, umringt von Wolken, aus denen Engelsköpfe blicken.] | Wider | Kayser Carl / Künig zu Hispanien etc. Vnd | Bapst Paulum den dritten. | Act. 4. | Richtet jr selbs / obs vor Gott recht sey / das wir Menschen | meer gehorchen dann Gott. [Augsburg: ValentinValentin Otmar, 1546 (VD 16 M 2033); vgl. auch VD 16 M 2034 und M 2035] von 1546 und aus der Schrift des Justus
MeniusVon der Notwehr  Von der Notwehr | vnterricht: | Nützlich zu | lesen. | Durch Justum Menium. | Witteberg. | M. D. XLVII. [Veit Creutzer (VD 16 M 4592 und M 4593)]. Vgl. dazu Peterson, Unterricht. von 1547 auf.  Auf mittelalterliche Wurzeln der Widerstandstheorie geht bes. Shoenberger, Confession, ein. Die spätere Diskussion zum
Widerstandsrecht im mitteleuropäischen Raum hat insbesondere der zweite
Teil des Magdeburger Bekenntnisses konfessionenübergreifend stark beein
flusst, wobei dessen lateinische Fassung für die weitreichende Wirkung ver
antwortlich sein dürfte.  Für den reformierten Bereich war wohl die Rezeption bei Theodor Beza in seiner Schrift Du droits des Magistrats sur leurs subiets (Geneva 1574) / De iure magistratuum in subditos (Francofurti 1608) von besonderer Bedeutung. Allgemein vgl. Hildebrandt, Possible Link; Wolgast, Religionsfrage; Leppin, Beitrag; Leeb, Widerstand; Whitford, Tyranny and Resistance; Friedeburg, Defense; ders., Magdeburger Argumentationen; Rein, Chancery.



Am 22. September 1550 begann die Belagerung der Stadt durch Truppen
unter Herzog Georg von Mecklenburg.  Zur Belagerung vgl. Ißleib, Magdeburgs Belagerung. Ende des Jahres ernannte Karl V.
Kurfürst Moritz von Sachsen zum Obersten Feldhauptmann der Belagerungs
truppen vor Magdeburg. Dieser nutzte die Belagerung der Stadt, um Truppen
zu sammeln und die kaiserliche Kriegskasse zu leeren, in Vorbereitung auf
seinen Überraschungsangriff auf den Kaiser im Frühling 1552.  Zum Feldzug gegen den Kaiser und den Verhandlungen, die schließlich zum Passauer Vertrag vom August 1552 führten, vgl. PKMS 5, 30–37; PKMS 6, XIX–XIV; Rabe, Deutsche Geschichte 1500–1600, 431–439; Ißleib, Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552; Drecoll, Passauer Vertrag.



Auch wenn die Stadt schließlich im November 1551 nach mehr als dreizehn
monatiger Belagerung dem Kurfürsten Moritz von Sachsen ihre Tore öffnete, Zu den Verhandlungen zwischen Moritz und der Stadt Magdeburg vgl. PKMS 5, 25f und bes. 459–461 (Nr. 240, 4.–6. November 1551, Verhandlung mit den Gesandten der Alten Stadt MagdeburgMagdeburg), 465–469 (Nr. 243, 9. November 1551, Bericht über die Ergebung der Alten Stadt Magdeburg an Kurfürst Moritz), 554f (Nr. 299, 9. Nov./31. Dez. 1551, Geheimvertrag von Kurfürst Moritz mit der Alten Stadt Magdeburg).
war ihre Unbeugsamkeit inzwischen sprichwörtlich geworden.  So sagt man noch heute mundartlich im Hessischen, um etwas als unverrückbar und unerschütterlich zu charakterisieren: Das steht wie Magdeburg.



2. Die Autoren



Das Bekenntnis ist – seinem offiziellen Charakter entsprechend – unter
zeichnet von den Oberpfarrern sämtlicher Magdeburger Kirchen,  Zu ihren Viten vgl. die Anmerkungen zu den Unterschriften im Haupttext. ausdrück
lich auch im Namen der übrigen amtierenden Geistlichen der Stadt. An erster
Stelle der Unterzeichner jedoch steht Nikolaus von Amsdorf, der in der Stadt
zur Zeit der Abfassung des Bekenntnisses kein öffentliches Amt bekleidete.
Allerdings genoss er hohes Ansehen, denn er hatte in den Jahren 1524–1541/42
als Pfarrer an St. Ulrich und Superintendent die Durchsetzung der Reforma
tion vorangetrieben. Seine Unterschrift enthält kein Epitheton, das über die
Funktion Aufschluss gäbe, in der Amsdorf unterzeichnete, doch spricht sie
für die Vorrangstellung, die man ihm einräumte – dem engen Vertrauten Lu
thers, dem aus seiner Diözese Naumburg-Zeitz vertriebenen evangelischen
Bischof, dem Reformator und langjährigen Superintendenten Magdeburgs.



Federführend bei der Abfassung scheint allerdings der erst im November 1549
als Oberpfarrer an St. Ulrich nach Magdeburg gekommene Nikolaus Gallus

gewesen zu sein, der nach Einführung des Interims in seiner Regensburger
Gemeinde nicht mehr hatte bleiben können. Zum Lebensweg des Gallus vgl. unsere Ausgabe Nr. 4. Gallus war mit dem Magdeburger Stadtsekretär Merckel verschwägert. Nach Voit, Gallus, 120 mit Anm. 1, übernahm er mit der Pfarrstelle an St. Ulrich nicht die damit üblicherweise verbundene Superintendentur; dafür spricht, dass er das Bekenntnis nicht als Suprintendent unterzeichnet. De facto ruhte wohl das Amt des Superintendenten, doch war Gallus als Pfarrer an St. Ulrich princeps inter pares, und Amsdorf dürfte eine Art Ehrenprimat zugestanden worden sein (vgl. Voit, Gallus, 141f). Dass Gallus bei der Abfassung des Bekenntnisses zu den treibenden Kräften gehörte und federführend tätig war, legen einige Umstände nahe, wenn sie auch nicht seine alleinige Verfasserschaft beweisen: Wigand vermerkte auf seinem Exemplar, das er von Gallus erhalten hatte [HAB: 183.28 Theol.(1)]: Authore M. Nicolao Gallo per omnia. Bereits zur Jahreswende 1549/50 schrieb Gallus, der mit Gewaltmaßnahmen gegen Magdeburg rechnete, es sei nun an der Zeit, Bekenntnis abzulegen und für den Glauben etwas zu wagen und zu leiden (Voit, Gallus, 138 mit Anm. 5). Gallus sandte zudem mehrere Exemplare der Texte nach Regensburg und an Fürst Wolfgang von Anhalt (Voit, Gallus, 141, Anm. 2). Vgl. Kaufmann, Ende der Reformation, 157f mit Anm. 1, der zu bedenken gibt: ... Freilich ist nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar sehr wahrscheinlich, daß der entstehende Text der Magdeburger Confessio Gegenstand intensiverer Beratungen im Kreis der Magdeburger Theologen gewesen ist: Auch mit der beratenden Teilnahme derjenigen Exulanten, die, wie Flacius oder Alber, nicht zu den Unterzeichnern der Confessio gehörten – wohl weil sie kein Magdeburger Amt innehatten –, ist zu rechnen. Auch wenn Gallus als Superintendent die redaktionelle Führung bei der Abfassung des Bekenntnisses gehabt haben dürfte, so ist die Confessio als Gemeinschaftstext der Prediger zu würdigen und zu interpretieren ... Vgl. auch unten die Anm. 53 zum lateinischen Text.



Als ausdrücklicher Unterstützer des Bekenntnisvorhabens, an dem er bis zuletzt
intensiv Anteil genommen habe, wird in einer Nachbemerkung der Diakon
Stefan Tucher genannt, der kurz vor bzw. während der Drucklegung starb.  Er wird als Unterstützer und Motivator auch von Flacius in der Protestation genannt, mit der er die deutsche Übersetzung von De veris et falsis Adiaphoris (unsere Ausgabe Nr. 3, oben S. 347–353, bes. 349,4f) schließt.



3. Inhalt



Obrigkeiten niedereren Ranges seien verpflichtet, ihre Untertanen gegen
ungerechtfertigte Übergriffe von Obrigkeiten höheren Ranges zu verteidigen
und zu schützen, wenn sie gegen göttliches Recht oder Naturrecht, reine
Lehre oder Gottesdienst gerichtet sind. Die Maßnahmen des Kaisers gegen
die Stadt Magdeburg seien in der Absicht begründet, die christliche Religion
zu unterdrücken und das Papsttum wieder einzuführen, darum müsse der
städtische Rat Widerstand leisten.



Diese beiden Grundthesen stehen am Anfang der Ausführungen, gefolgt von
einer knappen Übersicht über den Aufbau der Schrift, die – nach einer Vorrede
– drei Hauptteile umfasst: Der erste bietet eine kurze Zusammenfassung der
christlichen Lehre, die die Rechtgläubigkeit der Magdeburger erweisen soll.
Sieben Hauptartikel christlicher Lehre werden darin knapp erörtert: 1. Von
Gott und vom Unterschied der Personen – 2. Von der Schöpfung und von der
Sünde – 3. Vom Gesetz und von guten Werken – 4. Vom Evangelium und
von der Rechtfertigung – 5. Von den heiligen Sakramenten (Taufe, Abend
mahl, Absolution) – 6. Von der Kirche und Kirchendienern – 7. Von weltli
chem und Hausregiment und von deren Machtbefugnissen. Dabei wird in
jedem Abschnitt zunächst die positive Lehre dargestellt, anschließend wer
den Irrtümer benannt, insbesondere solche der Papisten, der Interimisten und
Adiaphoristen.



Der zweite Hauptteil handelt Von der Notwehr und enthält einen offenen
Brief an den Kaiser, in dem dieser zur Umkehr gerufen wird. Drei Argu
mente für eine berechtigte Notwehr werden angeführt: 1. Der göttliche Auf
trag an die Obrigkeit geht gemäß Röm 13 dahin, die Bösen zu strafen und die
Guten zu schützen. Vier Grade des Machtmissbrauchs werden unterschieden,
die teils leidend hingenommen werden sollen, teils zum aktiven Widerstand
berechtigen. 2. Aus Stellen wie Mt 22,21 und Act 5,29 ergibt sich, dass man
der Obrigkeit nicht mehr geben soll, als was ihr gebührt, also nichts, was
Gott oder auch dem Nächsten gebührt. 3. Gott stützt nicht das Böse, das täte
er aber, wenn er es verböte, einer dem Teufel verfallenen Obrigkeit zu wi
derstehen.



Der dritte Hauptteil enthält eine ausführliche Vermahnung, in der darge
legt wird, dass Christen verpflichtet seien, den Gegnern der Magdeburger
jede Unterstützung zu verweigern, dass sie die Einwohner in ihrem Wider
stand, den sie stellvertretend für alle Evangelischen im Reich führen, vielmehr
durch Gebete und durch öffentliche Kundgebungen unterstützen sollten, selbst
um die Gefahr eigenen Leidens.



Die Schrift schließt mit Psalm 93.



4. Ausgaben



Nachgewiesen werden können folgende Ausgaben:



deutsch:



A: Bekentnis, Vnter= || richt vnd vermanung / der Pfarr= || hern vnd
Prediger / der Christlichen || Kirchen zu Magdeburgk. || Anno 1550. Den
13. Aprilis. || Psalm. 119. || Jch rede von deinen zeugnissen fuͤr Koͤnigen
/ vnd sche= || me mich derselben nicht. || Roma. 13. || Die Gewaltigen
sind von Gott nicht den guten wer= || cken / sondern den boͤsen
zufuͤrchten verordnet. || Acto. 9. || Saul / Saul / was verfolgestu MJCH?
Es wird dir || schwer werden / wider den stachel lecken. || [Holzschnitt:
Stadtwappen von Magedeburg, getragen von zwei Putten] || [64] Bl. 4°
[im Kolophon: Gedruckt zu Magdeburgk durch Michel Lotther.]  Vgl. Reske, Buchdrucker, 580. (VD
16 A 2333)



Vorhanden:


Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 11 in: Dg 1; Te 7768, Nr. 9 R



Braunschweig, Stadtbibliothek: C 667(5).4; I 23/251



Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 2494



Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 1 an: 8
MULERT 260(4)



Gotha, Forschungsbibliothek: Th 713/136R; Theol. 4 333-334(46)R

Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: If 4390 (16);
Ung VI 199(12); Yd 796,QK



Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Ded.54(10); 4
Bud.Theol. 183(1); 4 Bud.Var.250



Leipzig, Universitätsbibliothek: Symb.248



Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Ag 4 289 i; Kn A
175/1121



München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Polem. 336 [benutztes Exemplar]



Neuburg an der Donau, Staatliche Bibliothek: 4 Theol.281



New Haven (Connecticut), Yale University Beinecke Rare Book and
Manuscript Library: Call Number Mzt20 G2 A7 1550



New York, Union Theological Seminary: D 557



Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek: Theol.qt.645



Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Aut.IV(24)



Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.1024; 39.G.48



Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 183.28 Theol.(2); 184.10
Theol.(7); 230.34 Theol.(3); F 1367 Helmst.(6); G 672.4 Helmst.(7); G
730.4 Helmst.(12); H 112.4 Helmst.(4); H 122.4 Helmst.(4); H 411.4
Helmst.(3); H 465.4 Helmst.(14); S 8.4 Helmst.(6); T 733.4 Helmst.(3);
Ts 393(1); YT 5.4 Helmst.(21)



lateinisch:



B: CONFESSIO || ET APOLOGIA PASTO= || rum & reliquorum
ministro= || rum Ecclesiæ Magde= || burgensis. || Anno 1550. Idibus ||
Aprilis. || Psal: 18. || Loquebar de testimonijs tuis in conspectu regum, ||
& non confundebar. || Rom: 13. || Principes non sunt timori bono operi,
sed malo. || Act: 9. || Saule, Saule, quid me persequeris? Durum est ti- ||
bi contra stimulum calcitrare. || [Holzschnitt: Stadtwappen von
Magdeburg, getragen von zwei Putten]  Derselbe Holzschnitt wie beim deutschen Druck A, er füllt die gesamte Breite des Satzspiegels, während bei dem lateinischen Druck C der Text über die Ränder des Holzschnitts mit dem Stadtwappen hinausreicht. || Impressum Magdeburgi per
Micha- || elem Lottherum. || [40] Bl. 4° (VD 16 A 2332)



Vorhanden:


Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 1 an: Dg 4636



Gotha, Forschungsbibliothek: Theol. 4 333-334(45)R



Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Var.427



München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 Conc. 326#Beibd.1 [benutztes
Exemplar]



Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 289.5 Quod.(1); 455.3
Theol.(18); 522 Theol.(3); Alv De 82(3); H 112.4 Helmst.(6)



C: CONFESSIO || ET APOLOGIA PASTO= || rum & reliquorum
ministro= || rum Ecclesiæ Magde= || burgensis. || Anno 1550. Idibus ||
Aprilis. || Psal: 18. || Loquebar de testimonijs tuis in conspectu regum, ||
& non confundebar. || Rom: 13. || Principes non sunt timori bono operi,
sed || malo. || Act: 9.|| Saule, Saule, quid me persequeris? Durum est tibi
|| contra stimulum calcitrare. || [Holzschnitt: Stadtwappen von Magde
burg, getragen von zwei Engeln]  Abgebildet bei Kaufmann, Ende der Reformation, 574. Derselbe Holzschnitt wurde auch für das Titelblatt von Der Von Magdeburgk Ausschreiben an alle Christen. Anno M. D. L. den XXIIII. Marcij. (Magdeburg, Michel Lotther) verwendet (VD 16 M 126). || Impressum Magdeburgi per Micha
|| elem Lottherum. || [40] Bl. 4° (VD 16 A 2331)



Vorhanden:


Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: 4 an: Dk 4260



Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.Sax.C652,misc.8



Erfurt: Bibliothek des Evangelischen Ministeriums: Th 423



Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 MULERT
507(10)



Gotha, Forschungsbibliothek: Th 2723(1); Theol. 4 322 l-m(8)R



Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 53 352(5);
Yd 795,QK