Einleitung
1. Historische Einleitung
Die den Ständen durch die kurfürstlichen Räten und Theologen auf dem
Leipziger
Landtag Ende Dezember 1548 vorgelegten Artikel zur
Verände
rung der
Zeremonien in den Kirchen Kursachsens wurden nicht publiziert
und erlangten somit
keine Gesetzeskraft. Auch die im kurfürstlichen Auftrag
von erstellte Kirchenordnung wurde
nicht eingeführt.
Durch König Ferdinand zu entschlosseneren religionspolitischen
Maßnah
men gedrängt, entschied sich der Kurfürst, einen Auszug
aus der
Leipzi
erstellen und publizieren zu lassen. Dies bedeutete
ger Landtagsvorlage
jedoch keineswegs eine Veränderung der bis dahin und
weiterhin
lavieren
den kurfürstlichen Religionspolitik. Denn der Auszug
wurde nicht
unver
züglich an die Superintendenten und Pfarrer des
Kurfürstentums versandt.
Erst im September erreichte die Schrift die kursächsische
Geistlichkeit mit
der Aufforderung, die Bestimmungen umzusetzen. Allerdings unterblieben
konkrete Maßnahmen, die dieser Forderung Nachdruck
hätten verleihen
kön
nen, weitgehend.
Der Verzicht auf Maßnahmen, um die Umsetzung der Bestimmungen zu
erzwingen, konnte
jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der
Publi
kation
Auszugs
eine entscheidende Veränderung eingetreten war. Für
Än
derungen im
Ritus bestand nun im Kurfürstentum eine legitime Grundlage.
In den Augen der
Magdeburger Theologen setzte das Kurfürstentum Sachsen
damit das falsche Signal, ja
es entfernte sich in einer zugespitzten
Krisen
situation dadurch von der
wahren Lehre. und publizierten
die Leipziger Landtagsvorlage
– polemisch als Leip
verspottet – und den
ziger InterimAuszug
mit ihren Anmerkungen
ver
sehen, um das konziliante Verhalten der Wittenberger Theologen scharf zu
kritisieren.
verteidigte daraufhin im Gründlichen und
wahr
das Vorgehen der Wittenberger
haftigen Bericht samt einer
Verantwortung
und deren Zugeständnisse an die
kaiserliche Religionspolitik in der Frage der
Wiedereinführung altgläubiger
Zeremonien. Dies veranlasste zur
Ab
fassung des hier edierten Gegenbericht[s]
. Er tat dies nicht allein
der Sache
wegen, sondern auch um der befürchteten Beeinflussung der Teilnehmer
des
im November 1550 stattfindenden Landtags durch Verteidigung
der
kurfürstlichen Religionspolitik die Spitze zu nehmen. Denn dort sollte
auch über die Belagerung verhandelt werden, da seit dem
Sep
tember 1550 den Oberbefehls
über die
Bela
gerungstruppen vor führte, die die kaiserliche Reichsacht gegen
die Stadt
exekutieren sollten. Insofern besaß ’
Gegenbericht
eine
doppelte Intention. Zum einen wollte er die reine lutherische
Lehre gegen die
in seinen Augen schändlichen Veränderungen der Wittenberger
verteidigen.
Zum anderen versuchte er, die unterstellte Intention, nämlich die
Teilnehmer des Landtages zu beeinflussen, seinerseits zu erreichen. Er sah in
der Handlungsweise des Kurfürsten und der gleichzeitigen Veröffentlichung
einen Zusammenhang und
setzte das politisch-militärische
Vor
gehen des Kurfürsten und die
Verteidigung der Wittenberger Theologen durch
in Beziehung zueinander.
Daraus entsprang bei ihm die Sorge vor
der vollständigen Vernichtung der Opposition
– die physische durch
Erobe
rung der Stadt, die ideelle durch
Schriften der Wittenberger und ihrer
Sympa
thisanten. Er befürchtete, dass
der Widerstand auf diese Weise schließlich
ge
brochen werden könnte und man
sich letzten Endes doch an das Augsburger
Interim anpassen würde.
2. Der Autor
war einer der bedeutendsten Regensburger Theologen, der
für die Reichsstadt
1546 an dem Regensburger Religionsgespräch
teilgenom
men hatte. 1547/48
versuchte er den Rat der Stadt zu bewegen, das
kaiser
liche Interim
abzulehnen. Der Druck des Kaisers auf die Verantwortlichen
der städtischen Politik
ließ eine solche Entscheidung jedoch nicht zu. Seine
kompromisslose Haltung
zwang Gallus letztlich zum Verlassen der Stadt.
Zunächst wandte er sich nach , wo er als Prediger und Dozent
wirkte. Da er die kompromissbereite Haltung der Wittenberger Theologen
nicht
mittragen konnte, zog er 1549 nach
weiter. Gemeinsam mit
, und
wid
mete er sich dort dem Kampf gegen das Augsburger Interim. Mit den
reli
gionspolitischen Entscheidungen im Kurfürstentum Sachsen rückte dann
der
Kampf gegen die dort geplanten Veränderungen der kirchlichen Riten in den
Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Auch nachdem Gallus 1553 als Superintendent
nach gewechselt war, beteiligte er sich
weiterhin an den
theolo
gischen Streitigkeiten im Majoristischen und
dem Osiandrischen Streit. Im
Streit über die Erbsündenlehre wurden und er dann zu
Gegnern.
3. Inhalt
reagiert mit dem Gegenbericht
auf
Gründlichen und
. Er stellt seiner Schrift
den
wahrhaftigen Bericht samt einer Verantwortung
120. Psalm voran, der um die Hilfe Gottes gegen die Verleumder bittet. Der
Bericht
, der laut
Aussage bereits ein Jahr alt sei, werde erst
jetzt veröffentlicht, so , weil die Adiaphoristen erwartet
hätten, dass
die Magdeburger wegen der Belagerung nicht würden antworten können
und
der Krieg überhaupt deren Ende mit sich bringen würde. Durch den
Be
werde das Leipziger Interim, zu dem sich vorher niemand habe
beken
richt
nen wollen, nun doch verteidigt. Doch nicht allein um eine
Verteidigung
han
dele es sich hier, sondern darum, ein Urteil über die
Magdeburger zu sprechen
. Wenn die Antiadiaphoristen
tatsächlich so aufrührerische
Leute seien, wie
behauptet werde, hätten sie den Tod verdient. Tatsächlich
scheuten sich die
adiaphoristisch gesinnten Gegner aber, mit Christus zu leiden,
und würden
darüber zu Verfolgern Christi. Dafür sei der Umgang mit den Torgauer
Predi
gern ein Beispiel, die aufgrund ihrer die adiaphoristischen
Veränderungen
ablehnenden Haltung entlassen worden seien. Da sich jedoch der
Liebe zur göttlichen
Wahrheit verpflichtet sehe und die Adiaphoristen mit
diesem Buch viele verführen
könnten, habe er einen Gegenbericht verfasst.
Dabei beschränke er sich auf vier
Kernthesen:
1. In der Lehre einen Kompromiss einzugehen, der darauf hinauslaufe,
zwischen
Christus und dem Antichrist vermitteln zu wollen, ist Sünde. Die
Kompromissbereitschaft führe auch dazu, dass durch das Leipziger Interim
das
Augsburger Interim eingeführt werde.
2. Da das Papsttum klar als das Reich des Antichrist gekennzeichnet werden
könne,
käme eine Anerkennung der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt einer
Unterwerfung
unter den Antichrist gleich. Hinter dem Augsburger Interim,
das durch das
Leipziger Interim eingeführt werden solle, stecke zweifelsohne
das Papsttum und
damit der Teufel. Diesem dürfe nicht nachgegeben werden.
3. Sowohl durch das Augsburger als auch durch das Leipziger Interim werde
die
Obrigkeit ermächtigt, in rituellen Fragen Entscheidungen zu treffen. Zwar
müsse
eine christliche Obrigkeit die rechte Lehre befördern und für eine gute
Kirchenordnung sorgen, doch dehne eine Obrigkeit ihren Aufgabenbereich
unzulässig
aus, wenn damit eine Einigkeit mit den Verfolgern der Wahrheit
erreicht werden
solle.
4. Dadurch, dass die Obrigkeit ihren Einfluss und damit menschliche Gebote
in
Glaubensdingen durchzusetzen versuche, gehe die christliche Freiheit
ver
loren; die Folge seien Sünde und Werkgerechtigkeit. Christus jedoch habe
Freiheit gegenüber menschlichen Satzungen gepredigt und selbst
ausgeübt,
aus Rücksichtnahme auf die Schwachen und zur Erbauung der Kirche,
nicht
aber zu deren Zerstörung und den Halsstarrigen zu Gefallen. Durch das
Interim würde die Wiedereinführung von Zeremonien aber als gutes Werk
vor
Gott, ihre vorherige Abschaffung als Sünde bezeichnet, ja manche
Zere
monien
würden nicht einmal mehr als menschliche Satzungen, sondern als
Gottes Ordnung
angesehen. Zugeständnis, Adiaphora
um des
Frie
dens willen anzunehmen, sofern sie das Gewissen nicht
beschwerten, treffe
in der gegenwärtigen Situation nicht zu, da die Adiaphora eben
nicht als
solche behandelt, sondern zu notwendigen Glaubensdingen gemacht
würden.
Dies alles geschehe allein, um die Gegner zu befriedigen und zu
hofieren,
wodurch sie nur noch halsstarriger würden. Die Schwachen im Glauben
hin
gegen würden dadurch verunsichert und in die Irre geführt. führt als
Beleg dafür die
Verhandlungen auf dem polnischen Reichstag von 1550 an,
auf dem sich die
altgläubigen Bischöfe gegen die reformationsfreundliche
Haltung des polnischen
Königs hatten durchsetzen können.
An diesen vier Gründen sei zum einen deutlich zu sehen, dass die
Antiadia
nicht, wie dies behaupte, aus Bosheit und ohne
Zu
phoristen
grundelegung der Heiligen Schrift argumentierten, und dass es zum
anderen
keineswegs um Kleinigkeiten gehe. Die ganze christliche Lehre
stehe auf
dem Spiel. Ein Christ habe eher zu leiden, statt sich zur Sünde verführen
zu
lassen. Darüber hinaus würden sich die Antiadiaphoristen
mit dieser
Hal
tung keineswegs nur gegen die eigenen Lehrer, sondern sogar gegen
Schwes
tern und Brüder, Väter und Mütter auflehnen, wenn damit der Ehre
Gottes
gedient und eigenes Bekennen erforderlich wäre. verwahrt sich gegen
die Vorwürfe, er und
seine Gesinnungsgenossen würden auch nützliche
Zere
monien verwerfen, aus
neutralia damnabilia machen, sie trügen Gefallen an
Unordnung, würden jede
Gleichförmigkeit per se ablehnen und verstünden
die evangelische Freiheit nicht.
Vielmehr betont er, dass Adiaphora in statu
eben
keine freien Mitteldinge mehr seien. Aus all
confessionis et scandali
den vorgenannten Gründen werde klar
ersichtlich, welche Haltung
gegen
über dem Kaiser christlich und welche
unchristlich sei. Sollte die im
Augsburger Interim erhobene Forderung nach Unterwerfung unter die
endgültigen
Beschlüsse des Konzils von Trient aufgeben und stattdessen, wie
stets
gefordert, ein allgemeines, freies und christliches Konzil bewilligen,
wäre ein
Kompromiss denkbar. In diesem Sinne habe auch immer
argumentiert. Versprechungen die darüber hinausgingen seien
unrecht, eben
wie die Zugeständnisse der Adiaphoristen. Wenn sich die Altgläubigen
in der
Lehre den Evangelischen annähern sollten, könnten Zugeständnisse in den
Zeremonien gemacht werden, vergleichbar den Verhandlungen von 1541. Solange dies jedoch
nicht geschehe, solle auch nichts
verän
dert werden. Was Gott über die
Evangelischen verhänge, müssten diese
ak
zeptieren und notfalls leiden. Wenn
Gott es zulassen wolle, dass der Kaiser
die Evangelischen vernichte, so würde sich
von seinem Plan gewiss
nicht
durch Zugeständnisse in den Adiaphora abbringen lassen. Daher lüden
die
Evangelischen durch ihre Zugeständnisse große Schuld auf sich, da ihr
Handeln weder
Gott noch den Kaiser zufrieden stellen würde. ist
überzeugt davon, dass die Kirche nur auf der Grundlage eines
festen
Bekenntnisses bestehen und wachsen könne, und er ermahnt die sächsischen
Stände, seine Argumente zu bedenken. Außerdem kündigt er eine weitere,
noch umfangreichere Schrift an. Abschließend warnt er alle, die das
Leip
ziger Interim annehmen, nochmals ausdrücklich, denn sie würden sich
durch
die Verteidigung einer offenkundig schweren Sünde vor Gott, nämlich der
Abgötterei, schuldig machen. Falls die Adiaphoristen einen besseren
Entwurf
für eine Kirchenordnung hätten, so sollten sie diesen zu einer
gele
generen
Zeit präsentieren, jedoch nicht solange Druck vonseiten des Papstss
und anderer
Verfolger auf den Evangelischen laste. Mit dem Papst wolle man
sich gerne einigen,
wenn dies freiwillig geschehen könne. bittet die
versammelten Landstände dann abermals, sich aller
Abgötterei zu
wider
setzen, sich nicht an den adiaphoristischen
Maßnahmen zu beteiligen, die
ei
ner Verfolgung Christi gleichkommen.
Stattdessen sollten sie helfen, diese
zu beenden und, wenn nötig, um Christi willen
selbst leiden.
4. Ausgabe
Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:
A: Gegenbericht auff ||
vnd der Adia= || phoristen gesuchte
glosen vber jhr || Leiptzigsch Interim / mit ||
einer trewen warnung || an
alle Chri= || sten. || Durch Antiadiapho= || risten /
Pfarrhern
zu S. Vlrich der alten || Stadt . || 1.
Thess. 5. ||
Den Geist dempfet nicht / Die weissagung || verachtet nicht /
Pruͤfet aber
alles / || vnd das gute behaltet. || Gedruͤckt zu
durch / Anno 1550. den er= || sten tag Nouembris. [10] Blatt 4°
(VD 16 G 276)
Vorhanden in:
, Stiftsbibliothek:
P-442/Bb.11
, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz:
Dm 786
, Sächsische Landes- und
Universitätsbibliothek: Hist.eccl.E
262,10
, Forschungsbibliothek: Theol.4 210c(4)
, Universitäts- und Landesbibliothek
Sachsen-Anhalt: Vg 1250,QK
, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4
Theol.XLI,7(18)
, Universitätsbibliothek: Kirchg.1112b/3
, Österreichische Nationalbibliothek:
20.Dd.205
, Herzog August Bibliothek:
231.161 Theol.(3), 248.13
Theol.(20), Alv Ef 104(20), Alv U 146(8), Alv V 567(19)
[
unvoll
ständig], F 1435 Helmst.(17), G 80.4 Helmst.(16), H
130.4 Helmst.(19)
[benutztes Exemplar], Ts 393(5)
Vgl. Friedberg, Agenda; Vgl. , 98–100; , 562–567.
Vgl. , 100, und die Einleitung zu Nr. 6.
Vgl. Kurfürstliches Mandat zur Religionsfrage. 4. Juli 1549, in: , Nr. 396, S. 449f; Auszug, in: ebd., Nr. 397, S. 450–453.
Vgl. Begleitschreiben zum Auszug an die Superintendenten. (September 1549), in: , Nr. 446, S. 516.
Vgl. dazu Chalybaeus, Durchführung, passim.
Vgl.
Vgl.
Vgl. Gallus, Gegenbericht, A 2r, unsere Ausgabe Nr. 7, S. 741; , 158.
Vgl. DRTA.JR XIX,2, Nr. 180–199, S. 1012–1060; , bes. 622–644; , 182–199
Zur Biographie von Nikolaus Gallus vgl. , 17–61; Gerhard Simon, Art. Gallus, Nikolaus, in: ; Heinz Scheible, Art. Gallus, Nikolaus, in:
Vgl. und
Vgl.