Controversia et Confessio, Bd. 2


Gründlicher und wahrhaftiger Bericht - Einleitung

TEI-P5 konforme Kodierung durch Timo Steyer Nicole Krämer Controversia et Confessio Herausgegeben von Irene Dingel Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz

Einleitung


1. Historische Einleitung



Nachdem auf dem Leipziger Landtag im Dezember 1548 kontrovers über die
Leipziger Landtagsvorlage debattiert worden war, erkannte , dass die Landtagsvorlage keine solide Grundlage für eine
Neuordnung des Kultus in seinem Territorium darstellte. Auch die im
Frühjahr 1549 durch neu erstellte Kirchenordnung
wurde nicht in Kursachsen eingeführt. Bei einem Besuch in sah sich
durch zu entschlossenerem religionspoli
tischen Handeln gedrängt. Daher ließ er einen Auszug aus der Leipziger
Landtagsvorlage
fertigen und zu Beginn des Juli 1549 drucken. Da der
Auszug nicht unverzüglich, sondern erst im September an die Pfarrer und
Superintendenten versandt wurde und auch nur vereinzelt Maßnahmen zur
Umsetzung der Bestimmungen desAuszug[s] unternommen wurden, än
derte sich an den kirchlichen Riten im Kurfürstentum nur wenig.



Durch die Publikation und Versendung des Auszug[s] trat in Kursachsen
dennoch eine neue Situation ein, da für Änderungen im Ritus nun eine
legitime Grundlage bestand. Für die nach geflüchteten Theolo
gen bewahrheiteten sich damit ihre schlimmsten Befürchtungen. Das gab, so sahen sie es, die wahre Lehre, die Lehre ,
auf, um sich den Altgläubigen aus Furcht anzubiedern. Dass die Wittenber
ger Theologen, die mit gemeinsam gelebt und gelehrt hatten, sich ver
meintlich dazu hergaben, verstärkte die ablehnenden Reaktionen zusätzlich.



war einer der Hauptbeteiligten an den Verhandlungen ge
wesen, die zur Entstehung derLeipziger Landtagsvorlage geführt hatten.
Er fühlte sich daher durch die publizistischen Angriffe auf diese und auf den
Auszug besonders herausgefordert. Bevor er den hier edierten Gründ
lichen und wahrhaftigen Bericht samt einer Verantwortung
veröffentlichte,
war er bereits mit der Schrift Von den Traditionibus im Januar 1550 zur

Verteidigung der entgegenkommenden Haltung der Wittenberger Theologen
in Fragen der Zeremonien und Riten öffentlich aufgetreten.
hatte darauf mit seiner Schrift Widder die neue Reformation reagiert, in
der er auch persönlich heftig attackierte. Überdies gaben
und die Leipziger Landtagsvorlage und den Auszug mit
ihren Kommentierungen versehen heraus. antwortete mit der
hier vorliegenden Schrift dann sowohl auf die Edition der Leipziger Land
tagsvorlage
und des Auszug[s] als auch die Angriffe des auf seine
Person.



Die von geäußerte Vermutung erscheint plausibel, dass
mit der Verteidigung der kurfürstlichen Religionspolitik die Teilnehmer des
Ende Oktober 1550 beginnenden Landtag im Kurfürstentum beeinflussen
wollte, da dort auch über das kurfürstliche Vorgehen gegen die Stadt und damit auch gegen die Kontrahenten der Wittenberger Theologen
verhandelt werden sollte. war nämlich auf dem 1550 nach
einberufenen Reichstag der Oberbefehl über das Belagerungsheer
übertragen worden, das die Reichsacht gegen die Stadt exekutieren sollte.
wird somit wohl im Frühsommer mit der Abfassung der Schrift
begonnen haben. Als frühestmöglicher Zeitpunkt dafür ist wohl April 1550
anzunehmen, da anscheinend das Magdeburger Bekenntnis kann
te. soll jedoch recht schnell auf die hier edierte Schrift
reagiert haben. Sein Gegenbericht datiert auf den 1. November 1550. Es
steht daher zu vermuten, dass der Gründliche und wahrhaftige Bericht samt
einer Verantwortung
wohl frühestens im August, eher im September 1550
erschien. Denn sollte die Schrift bereits Monate vor dem Landtag bekannt
gewesen sein, wäre der Verweis von auf die angeblich intendierte
Einflussnahme durch seine Schrift auf die versammelten Land
stände wenig stichhaltig.



2. Der Autor



wurde am 27. Dezember 1493 in
geboren. Ab dem Jahr 1499 besuchte er die Lateinschule zu . Früh
zeitig schlug er die geistliche Laufbahn ein. Im Jahr 1515 wurde er Akolyth
und drei Jahre später Subdiakon in . Nach kanonischem Recht ei
gentlich noch zu jung, erhielt er einen Dispens und konnte daher nach Ostern
1518 bereits zum Priester geweiht werden. Als Priester amtierte er zunächst
in , doch noch im Jahr 1518 wechselte er nach . Ab 1521 war er als Stiftsprediger in angestellt. Dort
kam er zu Beginn der zwanziger Jahre mit der Lehre in Kontakt. Als
sich in seinen Predigten zunehmend reformatorische Gedanken wiederfinden
ließen, geriet er unter den Verdacht der Ketzerei. Dies veranlasste ihn 1523
nach zu fliehen, wo er das Studium der Theologie aufnahm. In
den Jahren 1527 bis 1530 bekleidete er das Amt des Predigers in . Dort heiratete er im Jahr 1528 , mit der er später
vier Kinder hatte. Wegen seiner reformatorischen Predigt scheint er vom
Bischof von aus vertrieben worden zu sein. Er wech
selte in kurfürstliches Gebiet und wurde Prediger in Kloster . Seine
dortige Predigttätigkeit zog offensichtlich zahlreiche reformatorisch gesinnte
Bürger der nahegelegenen Stadt an, die zu ihm in den Gottesdienst
kamen und denen er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichte, was ihn
bei höchst unbeliebt machte. Im Jahr 1532 wech
selte er ins Pfarramt nach , wo er bis 1539/40 blieb. Die Jahre
1539/40 führten durch den Tod zu reformatorischen Verän
derungen im und damit auch zu größeren
Veränderungen in Leben. Er wurde von Anfang an bei der Ein
führung der Reformation im Herzogtum maßgeblich beteiligt. Nachdem er
zwischenzeitlich kurz nach zurückgekehrt war, bekleidete er ab
1540 in die Stelle eines Superintendenten.



Dort übernahm er ab dem Wintersemester 1541/42 exegetische Vorlesungen
an der Universität, nachdem er im Jahr 1541 den Grad eines Baccalaureus
Biblicus erlangt hatte. Im Herbst 1543 wurde er zum Licentiaten und zum
Doktor der Theologie promoviert. Im folgenden Jahr trat dann in
die theologische Fakultät der Universität Leipzig ein. 1549 bekam er schließ
lich die zweite theologische Professur übertragen. Die theologische Nähe
zu zeigte sich darin, dass er in seinen
Vorlesungen vornehmlich die Loci communes behandelte.




Neben diesen akademischen Tätigkeiten war der Leipziger Superintendent
auch stark mit den organisatorischen Fragen der Kirche befasst. Im Jahr 1542
führte er die Reformation in den Schönburgischen Gebieten um
ein. Im gehörte er 1544/45 zu den Theologen, die von
zusammengerufen wurden, um eine Kirchenordnung für das
Herzogtum zu erstellen. So entwickelte sich zu einem der
wichtigsten Theologen des . Zu den Verhandlungen
über den Umgang mit dem Interim in den Jahren 1548/49 wurde er darum,
mit Ausnahme des Verhandlungstages in , stets hinzugezogen. war somit einer der Hauptbeteiligten an den Verhandlungen im Herbst
1548, die zur Erstellung der Leipziger Landtagsvorlage führten. Somit
kann es nicht verwundern, wenn er sich dann auch bei deren Verteidigung
besonders engagierte. Nachdem er bereits im Januar 1550 die umfangreiche
Schrift Von den Traditionibus verfasst hatte, publizierte er den hier edier
ten Gründlichen und wahrhaftigen Bericht samt einer Verantwortung.



Allerdings soll dieses Werk, so behauptet , nicht vollständig von
ihm verfasst worden sein. Er habe (...) zum bekentnus vnnd fernerm Bericht
der sachen auch diesen gruͤndlichen, waren bericht, wie droben erzelt, lassen
inn Druck ausgehen, der fuͤr einem Jar durch einen Gelehrten, frommen,
rechtschaffenen Christen gestelt ist worden, der bey den Hendeln inn dieser
sachen von den Adiaphoris gewesen, (...).
Vgl. den unten edierten Text, H 3v–H 4r; S. 706. teilt die Schrift somit
in einen von einem angeblich anonymen Verfasser geschriebenen Gründli
chen und wahrhaftigen Bericht
und in seine Verantwortung. Dabei
lässt sich die Schrift insgesamt jedoch in vier Teile gliedern: die Vorrede, den
Bericht, die Verantwortung und den Beschluss. kann mit
Ausnahme des Bericht[s] zweifelsfrei als Autor der anderen Teile identifi
ziert werden und soll daher auch im Folgenden als solcher bezeichnet wer
den.



Neben der Unklarheit über die Verfasserschaft stellt der Bericht auch
insoweit eine Besonderheit dar, als er wohl im Gegensatz zu den anderen
Teilen vor der Drucklegung bereits handschriftlich kursierte. Auf diesem
Wege könnte er zu gelangt sein, der ihn dann herausgab. Dafür
spricht, dass in den Verfasser desBericht[s] erkannte. Er
berief sich dabei auf nicht genannte Zeugen, die des Scribenten hand gese
hen haben
und ihm [] mitteilten, das es sein [ Hand
schrift] nicht ist.
selbst scheint dazu keine Stellung genommen zu
haben, was als Bestätigung seiner Annahme auffasste.



Außerdem stellte inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen dem Bericht
und jenem Epicurisch[en] Buch fest, das 1549 in der Landschaft
ebenfalls handschriftlich kursierte und gegen das er bereits geschrieben
hatte.  Leider konnte bisher weder der Autor jenes Epicurisch[en] Buch[s]
noch eine Ausgabe desselben identifiziert werden. Aufgrund der Wiedergabe
einiger Aussagen des Epicurisch[en] Buch[s] in der Gegenschrift des lassen sich bei einem Vergleich einige pauschale Übereinstimmungen
mit dem von veröffentlichten Bericht feststellen, und auch die
Anonymität der Verfasser beider Texte stellt eine interessante Parallele dar.
Allerdings offenbart ein solcher Vergleich auch erhebliche Differenzen zwi
schen beiden Schriften. Dennoch könnte es sein, dass der Autor des Epi
curisch[en] Buch[s]
und des handschriftlich im Umlauf befindlichen Be
richt[s]
identisch ist.



Eine Aussage in der Vorrede scheint jedoch in seltsamem Wi
derspruch zu seiner eben zitierten Ablehnung der Autorschaft am Bericht
zu stehen. Er habe als der wenigste, der dieser sachen gelegenheit weis vnd
darbey zum grossen theil gewesen, diesen Bericht vngeschickter weise, doch
Gott lob warhafftig, so viel noͤtig, zusammen gefasset.
Diese Zusammen
fassung
ließe sich einerseits dahingehend verstehen, dass eine
nicht von ihm stammende Vorlage bearbeitet haben könnte. Das Ergebnis
dieser Bearbeitung wäre dann der Bericht gewesen. Er könnte somit den
handschriftlich kursierenden Bericht, eventuell zusätzlich das Epicu
risch[e] Buch
redaktionell überarbeitet und als Grundlage für seine Zu
sammenstellung
benutzt haben. Allerdings kann es auch andererseits sein,
dass er mit dieser Formulierung andeuten will, dass er selbst die Ver
handlungen und deren Ergebnisse zusammengefasst hat. Auffällig ist näm
lich, dass in beiden zitierten Passagen ausdrücklich auf die intimen Kennt
nisse des Autors über die religionspolitischen Verhandlungen in Kursachsen
hingewiesen wird, die als Beteiligter zweifelsfrei besaß. Die Ver
fasserschaft des Bericht[s] müsste dann doch ihm zugesprochen werden,
womit man der Auffassung folgen würde, der in ein
deutig den Autor desBericht[s] wie derVerantwortung erblickte.



Falls der Autor gewesen sein sollte, ließen sich zwei mögliche
Gründe für die Verwirrung um die Verfasserschaft annehmen. Da der Be
richt
durch seine detaillierte historische Argumentation tatsächlich nur von
jemandem verfasst worden sein kann, der über ausgezeichnete Kenntnisse
der kurfürstlichen Religionspolitik im Laufe der vierziger Jahre verfügte,
könnte der Grund für Ablehnung der Verfasserschaft sein, dass er
nicht als unzuverlässiger, indiskreter Ratgeber gelten wollte, und es verbirgt
sich hinter dem Versteckspiel Vorsicht. Ein zweiter möglicher Erklärungs
ansatz wäre, dass es sich um eine von aufgebaute Fiktion handelt.
Vielleicht versuchte er eine imaginäre Person als Autor zu erzeugen, die die
Wittenberger Sicht der Dinge teilte und damit die Zahl von deren Verteidi
gern angeblich erhöhte. Letzlich kann nicht endgütig entschieden werden, ob
es sich bei um den Autor, den Kompilator oder nur den Heraus
geber des Bericht[s] handelt.



Die Versuche zu Vereinheitlichung der Gebräuche und der Erstellung einer
Kirchenordnung für das Kurfürstentum beschäftigten auch über
das Jahr 1550 hinaus. Noch im Jahr 1555 schlug er die von 1549 maßgeblich erstellte Kirchenordnung als Grundlage einer ein
heitlichen Regelung der Zeremonien im neuen Kurfürstentum Sachsen vor.
Dieser Vorstoß wurde aber von mit der Sorge um das weitere
Ausbrechen von Streitigkeiten abgelehnt.



Ab dem Jahr 1555 war Professor primarius und Senior der theolo
gischen Fakultät der Universität . Durch das Abhalten zweier Dispu
tationen in diesem Jahr löste er den synergistischen Streit aus.

erwies sich in diesem Streit abermals als ein entschiedener Anhänger melan
chthonischen Gedankenguts.



An den Entwicklungen innerhalb des Kurfürstentums Sachsens nahm bis ins hohe Alter Anteil, so an dem Dresdner Konvent im Jahr 1571.
Am 4. Advent 1572 hielt seine letzte Predigt; am 1. Januar 1573
verstarb er und wurde zwei Tage später in der Leipziger Nikolaikirche beige
setzt.


3. Inhalt



Die Schrift lässt sich in vier Teile untergliedern: die Vorrede, den
Bericht, die Verantwortung und den Beschluss. In der Vorrede schil
dert das Wirken des Teufels in dieser betrübten und gefährlichen
Zeit, der versuche, die Gemeinde Gottes zu zerstören. Er bemühe sich, die
reine Lehre mit Missbräuchen zu verdunkeln und mit Gewalt zu unter
drücken; er versuche, die Schüler gegen ihre Lehrer aufzuhetzen und diese
überall verdächtig und verachtet zu machen. Doch solle sich niemand durch
den Streit über die Adiaphora verunsichern lassen, da es schon zur Zeit der
Apostel Kontroversen gegeben habe. Er, , sei durch die gegenwär
tig kursierenden, teilweise anonymen Schriften mit ihren Unwahrheiten dazu
veranlasst worden, diesen Bericht zusammenzufassen, da er an den religions
politischen und theologischen Verhandlungen in Kursachsen teilgenommen
habe und daher gut unterrichtet sei. Es solle erstens darlegt werden, was schon
vor dem Krieg von den Adiaphora gelehrt worden sei, zweitens, was Ursa
chen, Beweggründe und Maßgaben der Verhandlungen gewesen und drittens,
welche die strittigen Artikel seien. Daraus solle ersichtlich werden, dass der
reinen Lehre kein Abbruch getan und dass kein Missbrauch eingeführt wor
den, dass vielmehr alles aus christlichen Beweggründen geschehen sei.



Der anschließende Bericht, der umfangreichste Teil der Schrift, geht chro
nologisch vor und schildert zuerst Entwicklungen vor dem Schmalkaldischen
Krieg. Durch und seien die Hauptartikel der christlichen
Lehre wieder in rechter Weise gelehrt worden. Gleich zu Beginn der Refor
mation habe es auch Irrlehrer gegeben, die durch falsch verstandene christ
liche Freiheit die äußerliche Zucht zerrüttet hätten. Vieles, was von diesen
fälschlicherweise an Zeremonien und Gebräuchen abgeschafft worden sei,
habe wieder eingeführt, anderes weiterhin geduldet. Daher sei er von
den Schwärmern auch als Päpstler gescholten worden. Der Bericht
führt für diese Sicht zahlreiche Belege aus den Schriften und Briefen
an. Anhand der Confessio Augustana und der Apologie wird belegt, dass
von den Wittenberger Theologen in den Jahren 1548/49 keine Veränderungen in
den Zeremonien bei der Messfeier vorgenommen worden seien. Um dies zu
unterstreichen, wird zusätzlich auf bestehende Kirchenordnungen für und für deutsche Territorien verwiesen, in denen ebenfalls dieselben

Zeremonien aufgeführt würden. Es sei schändlich, so wird zitiert,
wenn der Versuch unternommen werde, aus neutralen Dingen verdammens
werte Dinge zu machen. So habe sich auch zu dem aus dem Religionsgespräch 1541 hervorgegangenen Buch verhalten und sich,
die Mitteldinge betreffend, milde gezeigt. Weil aber nun nicht allein in Ober
deutschland fast alle alten Gebräuche abgeschafft worden seien und Unord
nung eingetreten sei, auch von dort aus Versuche unternommen worden
seien, Ansichten auf die sächsische Kirche zu übertragen und als
Päpstler zu brandmarken, hätten die sächsischen (albertinischen) Pfarrer
und Superintendenten ihren Landesherrn () Mitte der vierziger
Jahre bereits gebeten, für eine einheitliche Ordnung Sorge zu tragen.
Daraufhin hätten Zusammenkünfte der Theologen stattgefunden, und obwohl
es nie völlige Einheitlichkeit in den Gebräuche gegeben habe, so sei damals
doch ein Unterricht erstellt, allen Pfarrern mitgeteilt und auch
vorgelegt worden, wie und welche Zeremonien und Gebräuche zukünftig
gehalten werden sollten, und habe sein Wohlgefallen und Zustim
mung zu dieser Ordnung mitgeteilt.



Die Darstellung der Ereignisse nach dem Schmalkaldischen Krieg beginnt
mit Hinweisen auf die Wiedereröffnung der Universitäten zu und
durch und dessen Amnestie für alle sächsischen
Theologen, die sich während des Krieges negativ über die herzogliche An
lehnung an den Kaiser geäußert hatten. Erwähnt wird ebenso die Zusage des
neuen Kurfürsten, am Religionsstand keine Veränderungen vornehmen zu
wollen. Auf dem Reichstag habe aber das Interim erstel
len lassen, um äußerlichen Frieden zu gewährleisten und die religiösen
Fragen bis zu einem Konzilsentscheid zu regeln. Da ohne
seine Landstände jedoch nichts habe beschließen wollen, habe er
einen Landtag in abgehalten, um über die Bestimmungen des Interims
beraten zu lassen. Im Folgenden wird detailliert von den zahlreichen Zusam
menkünften der Wittenberger Theologen und der kurfürstlichen Räte im
Herbst und Winter 1548 berichtet. Dabei wird besonders die Gleichförmig
keit der theologischen Stellungnahmen mit vorherigen Beschlüssen hervor
gehoben. Überdies seien keine Neuerungen vorgenommen worden, da die
Gebräuche und Zeremonien in der sächsischen Kirche ohnehin schon
größtenteils so gehalten würden, wie sie nun auch festgelegt worden seien. In
äußerlichen Dingen, welche die Gewissen nicht belasten würden, könne die
Obrigkeit Entscheidungen treffen, die befolgt werden müssten. Alles andere
würde glaubensschwache Menschen nur in Verwirrung führen. Berechtigter
Widerstand dürfe darum nur zur rechten Zeit und in Bezug auf zentrale
Glaubensfragen geleistet werden. Daher sei es notwendig, sich zu versichern,
ob ein Widerstand gerechtfertigt sei, oder ob man das Volk durch übereiltes
Vorgehen nicht in noch größere Gefahren bringe. Auf dem Landtag zu
und in der Kirchenordnung seien, gemäß der Confessio

Augustana und den überkommenen alten Riten, Regelungen getroffen
worden, die von den Gegnern unzulässiger Weise und in höchst giftiger,
verleumderischer Art angegriffen würden.



Der Gliederung der Leipziger Artikel weitgehend entlanggehend, werden
sodann die einzelnen Artikel zu den Adiaphora, der Autorität der Kirche und
der Kirchendiener, der Taufe, der Firmung, der Buße, der letzten Ölung, der
Messe, den Festtagen, den Gesängen, dem Fleischessen und dem Chorrock
erläutert. Die Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelungen wird betont, in
dem erneut Übereinstimmungen mit der Confessio Augustana und Aussagen
hervorgehoben werden.



Seine Verantwortung beginnt mit der Darstellung der angeb
lichen Verwirrung und Gehässigkeit von und , die sich auch
direkt gegen seine Person gerichtet hätten. Deshalb werde er zu einer Reak
tion getrieben. Er verweist auf seine bis dahin bereits veröffentlichten Schrif
ten in der Sache und bestreitet energisch den Vorwurf, die theologischen
Zugeständnisse in den Leipziger Artikeln und dem Auszug seien
aus Furcht, Vorteilsnahme oder Korruption gemacht worden. besteht
keineswegs allein auf seiner, sondern auf der Rechtgläubigkeit aller Witten
berger Theologen. Es seien in der zentralen Frage der Rechtfertigung eben
keine Zugeständnisse gemacht worden, und die gesamten Verhandlungen
hätten auch nicht heimlich stattgefunden, sondern Landstände, Pfarrer und
Superintendenten hätten daran mitgewirkt. Besonders intensiv setzt sich
mit der Kritik des auseinander, dessen Vorwürfe er teil
weise wörtlich zitiert. Um diese zu entkräften, verweist er auf den Bericht
und auf seine bereits früher gemachten Aussagen, indem er längere Passagen
aus seiner Schrift Von den Traditionibus abermals abdruckt. Dabei unter
scheidet er zwischen unveränderbaren, da von Gott eingesetzten Dingen, wie
der Lehre und dem Gebrauch der Sakramente, und veränderbaren, da von
Menschen eingesetzten Dingen, wie äußerlichen Zeremonien und Gebräu
chen. Was die unveränderbaren Dinge anbelangte, seien keine Änderungen
vorgenommen worden. Nur in veränderbaren Dingen habe man Zugeständ
nisse gemacht und daher sei der obrigkeitlichen Anordnung auch Gehorsam
zu leisten. Zur Verstärkung der eigenen Argumentation wiederholt
dann die diesbezüglichen Aussagen sowie den allgemeinen Argumenta
tionsgang des Bericht[s] nochmals. und wirft er dabei
erneut Undankbarkeit gegen die eigenen Lehrer vor und erhebt schwere
Vorwürfe gegen sie, weil sie ihre Gemeinden durch ihren Weggang nach
ungerechtfertigter Weise im Stich gelassen hätten. Doch würden
sie sich dessen noch als besonderer Standfestigkeit im Glauben rühmen und
das Verhalten der Wittenberger durch ungerechtes Schmähen verteufeln.



Schließlich fasst im Beschluss seine Gedanken zusammen und
betont, dass nichts Wesentliches in der Lehre verändert sei, dass der Teufel
vielmehr durch diese Kritik Verwirrung und Unordnung stiften wolle. Es sei

verwunderlich, dass und gegenwärtig so über die Adiaphora
streiten würden, obwohl in der Vergangenheit dies ausdrücklich nicht
getan habe. Den Leser fordert er schließlich auf, Verständnis für seine Schrift
zu zeigen. Die Angriffe hätten ihn dazu gebracht, sich in dieser Weise
öffentlich zu verantworten, wie auch Paulus und Augustinus sich gegen
verleumderische Reden verteidigt hätten. Er selber wolle über die Dinge
nicht weiter streiten und den Teufel damit erfreuen, sondern Gott um Einigkeit bitten.


4. Ausgabe



Nachgewiesen werden kann eine Ausgabe:



A: Grüntlicher vnd || Warhafftiger Bericht der || vorigen vnd jetzigen / für
vnd || nach dem Kriege ergangen Hand= || lungen / von den Adiapho= ||
ris oder Mittel= || dingen. || Sampt einer Christlichen kur= || tzen
verantwortung / || . || Allen lieben
Christen nützlich || vnd tröstlich zu wissen. || AD GALAT. I. || Si adhuc
hominibus placerem, Christi || seruus non essem. || M. D. L. || [92]
Blatt 8° [Kolophon: Gedruckt zu || durch ||
Anno || 1550.] (VD 16 P 2326)


Vorhanden in:



, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dm 702



, Forschungsbibliothek: Th 349



, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 155 774(2)



, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 8 Theol.XXIII,2(3)



, Universitätsbibliothek: Cb 1837/1



, Ratsbücherei: Th 497(1)



, Bibliothek der Ludwig-Maximilian-Universität: 8 Theol.2610



, Österreichische Nationalbibliothek: 78.J.43



, Herzog August Bibliothek: 1158 Theol.(4), 825 Theol.(1)
[benutztes Exemplar], 988.2 Theol.(3), S 329.8 Helmst.(2)



Die Randglossen unserer Edition sind im Original kursiv und in Antiqua
gesetzt im fortlaufenden Text enthalten. Dies scheint, da es sich bei der
Länge des Texts um vergleichsweise wenige Glossen handelt, aus pragma
tischen Gründen, wohl um Platz und Papier zu sparen, erfolgt zu sein. Wir
bieten sie jedoch in margine, um ihre Bestimmung zur Kommentierung und
Vertiefung der behandelten Themen hervorzuheben.


1

 Vgl. ; Vgl. ;

2

 Vgl. ;

3

 Vgl. Kurfürstliches Mandat zur Religionsfrage. 4. Juli 1549, in: ; Auszug, in:

4

 Vgl. Begleitschreiben zum Auszug an die Superintendenten. (September 1549), in:

5

 Vgl. dazu

6

 Vgl.

7

 Vgl.

8

 Vgl. Von den || TRADITIO||NIBVS, CERE= || MONIIS, || Oder Mitteldingen / || Christlicher warer be = ||richt ... || Durch / Doctorem / zusam= || men gezogen. || ... || [Franfurt/Oder: Nikolaus Wolrab 1550] (VD 16 P 2357); die Vorrede der Schrift datiert auf den Tag Conuersionis Pauli, also auf den 25. Januar 1550: Vgl. ebd., A 5v

9

 Vgl. Widder die newe Re= || formation D. Pfeffingers / des || Meisnischen Thumbherrn. || Durch || ... || [: 1550] (VD 16 F 1562); im selben Jahr erschien eine weitere Ausgabe (VD 15 F 1561).

10

 Vgl.

11

 Vgl. Gallus, Gegenbericht, A 2r, ;

12

 Vgl.

13

 Vgl. zu den Verhandlungen auf dem Reichstag über die Belagerung und um den Oberbefehl

14

 Vgl.

15

 Vgl.

16

 Zum folgenden vgl. ; Georg Müller,; ; Karl Friedrich Ulrichs, ; ; Hellmut Zschoch,

17

Vgl. dazu

18

Vgl.

19

Vgl. Wider den Euange= || listen des heiligen Chorrocks / || . || || ... || [: 1552] (VD 16 F 1558), B 1r, in: ; vgl. auch

20

Vgl. Gruͤndliche verle= || gung aller Sophisterey / so Juncker || Jssleb/ D. Jnterim / Morus / / D. || Geitz in seinem gruͤndlichen bericht vnd jhre gesel= || len / die andere Adiaphoristen / das Leipsische || Jnterim zu beschoͤnen / gebrauchen.|| Durch . || ... || [: 1550] (VD 16 F 1410), C 3r.

21

Vgl. Flacius, Wider den Evangelisten des heiligen Chorrocks, B 1r.

22

Vgl. Flacius, Gründliche Verlegung aller Sophisterei, J 1v.

23

Vgl. Eine schrifft widder ein recht || Heidnisch ja Epicurisch Buch der Adiapho= || risten / darin das Leiptzische INTERIM ver= || teidiget wird / sich zu huͤten fuͤr den jtzigen || Verfelschern der waren Religion / || sehr nuͤtzlich zu || lesen. || ... || [: 1549] (VD 16 F 1493); im selben Jahr erschien noch eine weitere Ausgabe dieser Schrift (VD 16 F 1492).

24

Es sei auf die Betonung des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit und der Möglichkeit von Zugeständnissen in Notsituationen verwiesen. Vgl. Flacius, Wider ein recht heidnisch, epicurisch Buch, A 2v–A3 r.

25

So die angeblichen Aussagen, dass die Zehn Gebote in der Not übertreten werden dürften, dass das Volk gottesfürchtig gewesen sei, solange die papistische Kirchenordnung gehalten worden sei und dass zum Vorreiter der erklärt wurde. Vgl. ebd., A 2v–A 3r, B 1v–B 2r.

26

Vgl. unten A 5r–v; S. 657f.

27

Vgl. dazu

28

Anders ; Kaufmann verweist dort auf eine Aussage in der er die Autorschaft der Schrift Von den Traditionibus (VD 16 P 2357) unumwunden als die seine anerkennt. Zum Bericht stellt er fest, dass er ihn habe ausgehen lassen. Er verwendet damit exakt dieselbe Formulierung wie die hier edierte Schrift selbst (vgl. unten H 3v–H 4r). Dies kann daher nicht zwangsläufig als ein Bekenntnis zur Autorschaft gewertet werden. Vielmehr lässt die Formulierung weiterhin offen, ob der Autor, der Kompilator oder nur der Herausgeber des Bericht[s] ist. Auch der Hinweis Kaufmanns, dass der Titel der 1559 publizierten Schrift , Nochmals gründlicher, klarer, wahrhaftiger Bericht, nur dann Sinn ergebe, wenn auch der Bericht aus dem Jahr 1550 aus Feder stamme, ist nicht zwingend. Schließlich war Name untrennbar mit der Gesamtpublikation des Gründlichen und wahrhaftigen Berichts samt einer Verantwortung verbunden, auch wenn er nicht der Autor des Bericht[s] gewesen sein sollte.