Erstellt im Editionsprojekt Controversia et Confessio. Basiert auf einer Vorlage des Classical Text Editors.
Erstellt in Kooperation zwischen dem IEG Mainz und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Einleitung 1. Historische Einleitung
Das Ergebnis zäher Verhandlungen zwischen evangelischen Theologen,
alt
gläubigen Bischöfen und kurfürstlichen Räten, die im Laufe
mehrerer
Mona
te an unterschiedlichen Tagungsorten
stattgefunden hatten,
Zu den Verhandlungen in Meißen
(2.–8. Juli
1548), Pegau (22.–24/25. August 1548), Torgau (18. Oktober
1548), Alt-Zella (20.–22. November
1548) und Jüterbog
(16. Dezember 1548) vgl.
Herrmann, 54–104; PKMS 4, 73–88, 113–124, 167–169, 220–225, 239 (Anm. zu Nr. 194). wurde den über
Weihnachten 1548/49 in Leipzig versammelten Landständen des
albertini
schen Sachsen
Infolge des Schmalkaldischen Krieges gehörten mit einigen anderen
ehemals ernestinischen Gebieten auch der Kurkreis Wittenberg und die
dortige Universität dazu. Zu den territorialen Veränderungen vgl. z.
B. Perthes Atlas Geschichte, S. 161. im Auftrag ihres Landesherrn, des Kurfürsten Moritz, zur
Annahme
vorgelegt:
Zum Leipziger Landtag, der vom 21.12.1548
bis zum 01.01.1549 stattfand, vgl.
PKMS 4, 15–18; 252–277 (Nr. 210–236, bes. Nr. 210–213, 222–225, 227–235); Herrmann, 105–129. der Entwurf einer neuen Kirchenordnung. Sie sollte
der
kaiserlichen Forderung nach weitgehender Wiederherstellung des
vor
reformatorischen Kultus in den protestantischen Territorien des Reichs
Ge
nüge tun, wie sie im sogenannten Augsburger Interim vom 15. Mai 1548
er
hoben wurde,
Durch den Reichsabschied vom 30. Juni
1548 hatte das Interim Gesetzeskraft erlangt. Joachim Mehlhausens kritische Edition des Textes in:
Augsburger Interim. Zu den Reaktionen auf das Augsburger Interim
vgl. unsere Ausgabe Bd. 1. und sie sollte dennoch zugleich das evangelische Bekenntnis
unangetastet bewahren. Dies suchten die Verfasser der Landtagsvorlage zu
erreichen durch die Unterscheidung zwischen einem unaufgebbaren
Kernbe
stand evangelischer Glaubenslehre und einem weiten Bereich
von neutralen
Mitteldingen oder Adiaphora, deren konkrete Ausgestaltung
ohne Bedeutung
für die ewige Seligkeit sei. Die Vertreter der Landstände
machten allerdings
zu etlichen Punkten Einwände geltend und nahmen den
Entwurf nicht an. Er
erlangte auch später keine Rechtskraft. Kurfürst Moritz versuchte die von
den
Gegnern polemisch Leipziger Interim genannte Ordnung
dennoch
durchzu
setzen, indem er von Georg III. von Anhalt eine neue Agende
erarbeiten ließ,
Vgl. Friedberg, Agenda.
die zusammen mit einem Auszug aus dem Landtagsentwurf (kleines
Inte
rim) im Land verteilt werden sollte. Die Agende wurde im
April 1549 fertig,
insbesondere der massive Einspruch Gabriel Zwillings verhinderte aber ihre
Annahme durch die
Ständevertreter bei einem Tag in Torgau;
Am 10. April 1549. Vgl. dazu PKMS 4, 18, 377f (Nr. 327), 381–384 (Nr. 331, 333); zu Didymus auch
Chalybaeus, Durchführung, 46–55. bei
Beratun
gen in Grimma
28. April bis 1.
Mai 1549, vgl. PKMS 4, 401f (Nr. 356), 404 (Nr. 360); Herrmann, 150–154. wurde die Agende schließlich von den anwesenden
Theolo
gen
akzeptiert, eine Veröffentlichung unterblieb jedoch. Der Auszug aus dem
Leipziger Landtagsentwurf wurde im Juli 1549 gedruckt,
Das begleitende kurfürstliche Mandat datiert vom 4. Juli 1549, vgl. unten S. 427, Z. 37f. aber der Kurfürst
zögerte mit der Verteilung an die
Superintendenten und Amtleute bis in den
späten September des nämlichen
Jahres.
Vgl. Chalybaeus, Durchführung, 9–14.
Sehr viel früher setzte jedoch bereits die Polemik gegen die Adiaphora
ein,
denn spätestens seit der Verlesung des Entwurfs vor den Landständen
war die
Zahl der Eingeweihten zu groß, als dass ein Bekanntwerden
der Pläne im
Land zu verhindern gewesen wäre; es entspann sich eine
heftige
Auseinan
dersetzung darum, was tatsächlich unter die
heilsirrelevanten Mitteldinge
zu zählen sei und was entweder grundsätzlich
oder doch in der gegebenen
Situation nicht ohne Verrat am eigenen Glauben
aufgegeben werden könne.
Geraume Zeit fand diese Diskussion
allerdings statt, ohne dass der
inter
essierten Öffentlichkeit die
einschlägigen Texte zur Verfügung gestanden
hätten. Zugleich wurden von
den Befürwortern des Landtagsentwurfs die
Gegner immer wieder beschuldigt,
ohne stichhaltigen Grund die Gemeinden
zu beunruhigen und Zank in der
Kirche zu verursachen. Mit der Verteilung
des kurfürstlichen
Einführungsmandats im September 1549 war eine neue
Stufe der Durchsetzung
der Neuerungen erreicht. Als Johann Pfeffinger im
Januar 1550 schließlich eine umfängliche
Verteidigungsschrift erscheinen
ließ,
Von den || TRADITIO || NIBVS, CERE= || MONIIS, || Oder Mitteldingen / ||
Christlicher warer be= || richt allen lieben Christen || in disen
letzte vnd gefehr= || lichen zeitten / nuͤtzlich || zu
wissen. || Durch Johannem
Pfef= || finger / Doctorem / zusam= || men gezogen. || Psalm. 116. || Ich glaube /
darumb rede ich. || Lucæ 17. ||
HERR stercke vns den glauben. || EME, LEGE, IVDICA. || – | M. D. L.
[im Kolophon: Gedruͤckt durch Nico= || laum
Wolrab.] (Leipzig), 112
Bl. 8° [VD 16 P 2357]. gaben Matthias Flacius
und Nikolaus Gallus wenig später
den Text des
Landtagsentwurfs und den Auszug daraus unter dem Titel Der
Theologen
Bedenckenq in den Druck, um zusätzliche Materialien
ergänzt und mit
polemischen Glossen versehen.
Möglicherweise hatten die Vorbereitungen schon vor der Veröffentlichung
von Pfeffingers
Schrift begonnen, nach der Übersiedelung von Gallus nach Magdeburg im November 1549;
vielleicht brachte er auch einige der Dokumente mit. Dass
Gallus über einschlägige
Materialien verfügte, geht daraus hervor, dass er einem Brief
aus Halle vom 6. September 1548 an den
Regensburger Ratskonsulenten Hiltner die Kopie eines Berichts über die Pegauer Verhandlungen
beilegte, den er anscheinend während eines kurzen Aufenthalts in Wittenberg im August von einem
Verwandten seines Schwagers Merckel (siehe
unten bei Anm. 19) erhalten hatte; vgl. Voit, Gallus, 103.
Auch den Text des Leipziger Interims schickte Gallus neben anderen Materialien 1549 nach
RegensburgRegensburg; vgl.
Voit, Gallus, 113.
1516 in Köthen
geboren als Sohn des fürstlich-anhaltischen Rats und
Bürger
meisters
Petrus Hahn und dessen Ehefrau Anna, bezog Nikolaus
Gallus im
Juni 1530 die Universität Wittenberg, wo er 1537 zum Magister artium
pro
moviert wurde. Am 24. Januar
1540 beendete er seine theologischen Studien
mit einer
Disputation über die Erbsünde. Nach beinahe dreijähriger Tätigkeit
als
Rektor der Stadtschule in Mansfeld wurde
Gallus Ende 1542 auf
Empfeh
lung
Luthers und Melanchthons als Diakon nach Regensburg berufen, wo
der Rat der
Stadt die Einführung der Reformation beschlossen hatte. Am 11.
April 1543 wurde Gallus von Johannes Bugenhagen in Wittenberg ordiniert,
ehe er im Mai 1543 seinen
Dienst in Regensburg antrat. Zur
gleichen Zeit
übernahm Hieronymus
Noppus dort das Amt des Superintendenten, und
bei
de
betrieben bis 1548 den Aufbau des evangelischen Kirchenwesens. Sie
sprachen sich vehement gegen die Annahme des Augsburger Interims aus
und unterstützten den Rat der Stadt mit Gutachten und Stellungnahmen,
konnten aber nicht verhindern, dass der Rat unter dem Druck der
militäri
schen Macht des Kaisers dessen Ultimatum nachgab und das
Interim
schließ
lich am 30. Juni
bedingungslos annahm. Darauf verließen die evangelischen
Prediger am 1. Juli 1548 die Stadt. Seine schwangere Frau
Am 28. Januar 1544 hatte Gallus die Regensburger
Arztochter Eva Opsinger geehelicht. 1558
heiratete er die Witwe Agnes Fischer, 1564 die
Witwe Anna Kölacher; vgl. Voit, Gallus, 95, Anm. 2. ließ Gallus
zu
nächst unter dem Schutz von Freunden in Regensburg zurück, später brachte
er sie zu
seiner Mutter nach Köthen. Ehe er im
November 1548 nach
Wit
tenberg übersiedeln konnte, hielt sich Gallus unter anderem in Nürnberg,
Kö
then, Halle, Magdeburg und Leipzig auf, blieb währenddessen allerdings in
enger brieflicher Verbindung mit seiner Regensburger Gemeinde, insbeson
dere über den Regensburger Ratskonsulenten Johann Hiltner.
Der Regensburger Rat hatte den Predigern nicht nur empfehlende Zeugnisse
mitgegeben, sondern ließ ihnen auch ihr Gehalt zugehen, mit
der Maßgabe, ohne Rücksprache mit dem Rat keine dauerhafte
Verpflichtung anderwärts einzugehen, unbeschadet vorübergehender
Vertretungsdienste etc.; vgl. Voit, Gallus, 92–96, 110f. Dr. jur.
Johann Hiltner war von 1523 bis 1567 als Ratskonsulent in
Regensburg tätig und von
außerordentlicher Bedeutung auch für die kirchliche Entwicklung der
Stadt, bereits 1525 hatte er mit Luther wegen eines evangelischen Predigers
verhandelt; vgl. Voit, Gallus, 32, Anm. 1. In Wittenberg
vertrat Gallus den schwer erkrankten Schlossprediger Caspar Cruciger und
führte nach dessen
Tod den Predigtauftrag zunächst weiter, außerdem hielt er
Vorlesungen an
der Universität.
Vgl. Voit, Gallus, 117f. Eine Rückkehr nach Regensburg
war für
Gallus auf absehbare Zeit
ausgeschlossen, nachdem der Kaiser ein
entspre
chendes
Ansuchen des Rats abschlägig beschieden hatte.
Vgl. Voit, Gallus, 109f.
Gallus wurden
mehrere
durchaus ehrenvolle Berufungen angetragen, so als Professor und
Hofprediger nach Kopenhagen, als
Pfarrer nach Zwickau, nach Merseburg
oder ins ungarische Schemnitz.
heute Banská Štiavnica, Slowakei. Die Stellenangebote bei Voit, Gallus, 118–120. Im Oktober 1549 bot der Herzog von
Meck
lenburg
Gallus eine Anstellung in Rostock an. Beinahe gleichzeitig erging
an
ihn eine Berufung aus dem geächteten und von Belagerung
bedrohten
Magde
burg, und Gallus verpflichtete sich zunächst
für ein Jahr als Pfarrer an der
dorti
gen Ulrichskirche; die damit
üblicherweise verbundene Superintendentenwürde
schlug er
allerdings aus.
Vgl. Voit, Gallus, 120 mit Anm. 1. Zunehmend enttäuscht von der allzu
kompromiss
bereiten
Position seines Lehrers Melanchthon und der übrigen Wittenberger
Theologen, übersiedelte
Gallus mit seiner Familie am
11. November 1549
nach Magdeburg, ins Zentrum des Widerstandes gegen das
kaiserliche Interim.
Eine Rolle mag dabei auch gespielt haben, dass
Gallus’ Schwester
Margare
the seit 1541 mit dem Magdeburger
Stadtschreiber Heinrich Merckel (
Mar
cellus)
verheiratet war,
Vgl. Voit, Gallus, 21. zumindest dürfte diese Verbindung der engen
Zu
sammenarbeit
zwischen Magdeburger Rat und Predigerschaft nicht nachteilig
gewesen sein.
Nachdem Gallus wohl bereits im August 1548 sein
antiinteri
mistisches Gutachten anonym in Magdeburg veröffentlicht hatte,
Vgl. unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 4: Einer christlichen Stadt untertänige Antwort (1548).
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vgl. neben den Ausführungen von
Voit, Gallus, 73–75, das bei Voit, Gallus, S. 103, Anm.
2, referierte Schreiben von Noppus an Hiltner
vom 20. August 1548, das dort
erwähnte Bedenken dürfte das Gutachten des Gallus gewesen sein. Dagegen spricht auch
nicht die spätere Aussage des Gallus, sein Gutachten sei hernachmals
durch andere in druck kommen (
Gallus, Eine Disputation von Mitteldingen [VD 16
G 269], A 2v), denn die Verbindung zum Magdeburger Drucker
Michael Lotter mag über
Gallus’ Schwager Merckel oder sonstige Mittelsleute
zustande gekommen sein.
intensi
vierte er nun den publizistischen Kampf für die Erhaltung
des unverfälschten
Evangeliums an der Seite von Matthias Flacius, Erasmus Alber, Nikolaus
von Amsdorf und anderen. Auch als
der Passauer Vertrag es Gallus
ermög
lichte, 1553 nach Regensburg zurückzukehren, wo er bis zu seinem Tod am
17. Juni 1570
Gallus starb in Bad Liebenzell; vgl.
Voit, Gallus, 24, Anm. 1. das Superintendentenamt bekleidete, blieb er Flacius
freund
schaftlich verbunden.
So fand Flacius auch in
den Jahren 1562–1566 mit seiner Familie Aufnahme in Regensburg. Vgl. Preger, Flacius II, 228–284.
Gallus beteiligte sich neben dem
Interimistischen und
dem Adiaphoristischen Streit auch am Majoristischen
und am Osiandrischen
Streit. Er unterstützte Flacius im Kampf gegen Schwenckfeld um die Geltung
des äußeren
Schriftsinns. In der Erbsündenfrage allerdings stimmte er nicht
mit
ihm überein. Vgl. Gerhard Simon, Art. Gallus, in: TRE 12 (1984), 21–23..
Nachdem er zuvor bereits in Magdeburg
Texte gegen das Augsburger
Inte
rim hatte drucken lassen, war Flacius um Ostern 1549 aus Wittenberg
dort
hin übergesiedelt, um den Kampf gegen die Verfälschung des
Evangeliums,
wie sie nach seiner Auffassung durch Kurfürst Moritz und dessen
theolo
gische Helfer ins Werk gesetzt werden sollte, fortzusetzen
und zu verstärken.
Dabei bekleidete er kein kirchliches Amt in Magdeburg, sondern musste den
Lebensunterhalt für sich und seine Familie anderweit aufbringen.
Flacius dürfte sich vor
allem durch private Lehrtätigkeit sowie durch sein rastloses Wirken
als Lektor und Publizist und durch Spenden finanziert haben (Kaufmann, Ende der Reformation, 159). Zum
Lebensgang des Flacius
vgl. unsere Ausgabe Nr. 3, S. 118f und Band 1, S. 92f.
Gemäß dem Titel der Veröffentlichung bieten die Herausgeber darin den Text
des Leipziger Landtagsentwurfs in vielfältig kommentierter Form, vermehrt
um
teilweise ebenfalls kommentierte Dokumente, die näheren Aufschluss
über
Entstehung oder Auswirkung des Entwurfs geben; darunter ist auch der
Auszug
aus dem Interim.
[a] Vorrede
In ihrer Vorrede legen die Herausgeber dar, warum sie den
Leipziger
Land
tagsentwurf, das von ihnen so genannte Leipziger
Interim, erst so spät durch
den Druck in die Öffentlichkeit
bringen: Man hat sie von etlichen Seiten zur
Veröffentlichung
aufgefordert, damit die Legitimität ihres Kampfes gegen
die
Landtagsvorlage deutlich werde. Dennoch wollten sie den Text nicht
ver
öffentlichen, weil es ihnen fern lag, die angesehenen
Initiatoren zu
verun
glimpfen, zumal sie lange Zeit darauf hofften,
dass diese von ihrem falschen
Weg umkehrten.
[b] Sendbrief einer christlichen Person, welche mit auf dem Landtage zu
Leipzig bei den Handlungen gewesen,
deshalben an einen guten Freund
ge
schrieben (19. August 1549)
Der Sendbrief ist als Begleitschreiben zu den Texten [d] und [e] zu
verstehen,
denn auf Blatt D 1r schreibt der Verfasser, er sende
dem Empfänger die
ge
samten Verhandlungsunterlagen des Leipziger
Landtags von Weihnachten
1548, soweit sie die Religion betreffen.
Verfasser ist ein nichttheologischer
Teilnehmer des Landtages, der in dem
Sendbrief darstellt, wie sehr man die
Vertreter der Stände gedrängt habe,
den Landtagsentwurf anzunehmen und
keine Einwände im Hinblick auf
die Vereinbarkeit mit der Augsburgischen
Konfession oder die
Wiedereinführung längst abgeschaffter altgläubiger
Miss
bräuche zu
erheben. Er weist darauf hin, dass die Bischöfe den entscheidenden
Satz
zur Auslegung des Landtagsentwurfs beigesteuert haben, indem sie –
un
geachtet aller anderweitigen Deutungsversuche und angeblichen
Abmilderun
gen – darauf beharrten, der Entwurf sei als
mit dem Augsburger Interim
über
einstimmend zu betrachten. Durch
Gottes Gnade sei es dank der Unbeirrbarkeit
der Landstände bislang nicht
zur Einführung gekommen, Gott wolle seine
be
drängte Kirche auch
weiterhin in der Erkenntnis seines Wortes erhalten.
[c] Tabellarische Übersicht über die schriftwidrigen Maßnahmen, die der
Landtagsentwurf vorsieht
Auf Blatt D 3v bieten die Herausgeber einen knappen Überblick über die
nach ihrer Auffassung unchristlichen Punkte, deren Einführung der
Landtags
entwurf der Theologen vorsieht; dabei unterscheiden sie
Lehrinhalte und
Ge
bräuche, die grundsätzlich gegen Gottes
ausdrückliches Wort verstoßen, von
an sich diskutablen
Mitteldingen, deren Wiedereinführung unter Zwang aber
Gottes Wort
widerstreitet.
[d] Text des Leipzigschen Interims, im Dezember des 48. Jahrs durch die
Theologen der versammelten Landschaft zu Leipzig öffentlich aufgedrungen
Die Herausgeber bieten den authentischen Text des Landtagsentwurfs, jedoch
mit kritischen Anmerkungen versehen, die den Versuch, auf diese Weise dem
kaiserlichen Interim auch in Sachsen Eingang zu verschaffen,
abweisen und
brandmarken.
[e] Auf der Ritterschaft und Städte Bedenken der Herrn Theologen ihres
vorigen Berichts Erklärung
Die Theologen lehnen jegliche Änderung ihres Entwurfes ab, zumal sie ihn
in Verbindung mit nicht Anwesenden ausgearbeitet hätten. Die
Artikel seien
zum Besten der Kirche formuliert. Die Bedenken der Stände
hinsichtlich der
Ordination, der Firmung (einschließlich des Chrisams),
der Letzten Ölung
und der Messe (einschließlich des Fronleichnamsfestes
und des Confiteors in
der Meßliturgie) sowie der Fastengebote werden mit
dürren Worten
zurück
gewiesen. Um so intensiver ist der Text
von den Herausgebern glossiert
wor
den, um die Bedenken der Stände
zu bekräftigen und die haltlosen
Be
schwichtigungen der
stellungnehmenden Theologen, darunter Melanchthon,
bloßzustellen.
[f]Unser Beschluss auf das Leipzigsche Interim
Mit dieser Stellungnahme der Herausgeber schließt der
Dokumentations
zusammenhang [b]–[f].
[g] Das Fürstliche Mandat, im Julio nach gehaltenem Landtage zu Leipzig an
alle Amtleute und
Befehlshaber öffentlich im Druck ausgegangen (4. Juli
1549)
Moritz von Sachsen wendet sich mit
einem Erlass an seine Amtleute. Dabei
räumt er die Gefahr eines
Aufruhrs wegen der vermeintlichen
Wiedereinfüh
rung der
vorreformatorischen religiösen Missbräuche ein, beschwichtigt aber
zugleich, indem er betont, dass er nichts gegen Gottes Wort zu tun
gedenke.
Es gehe ihm vielmehr darum, seine Untertanen in Frieden und Ruhe
bei ihrer
christlichen Religion zu erhalten, im Gehorsam gegenüber dem
Kaiser. Die
Amtleute sollen deshalb ein Auge auf die örtlichen
Pfarrer haben, ob sie sich
den anliegenden Artikeln gemäß verhalten, und
gegebenenfalls Unbotmäßige
anzeigen, die dann durch das zuständige
Konsistorium oder die
Theologi
schen Fakultäten in Wittenberg und Jena
zur Ordnung gerufen würden. Die
Amtleute sollen im übrigen die Beschlüsse
auch den Untertanen verkünden.
Es folgt [h] der Auszug des Leipzigschen Interims, versehen mit einigen
Glossen der Herausgeber.
[j] Ein Brief der Prädikanten aus der Mark an die Theologen zu Wittenberg,
Montag nach Dreikönig 1549 [7. Januar 1549]
Obgleich das Schreiben stellenweise satirisch anmuten könnte, so ist es doch
im wesentlichen ernst gemeint und ein echter Brief der Berliner
Prediger an
ihre Wittenberger akademischen Lehrer, worin sie die
öffentliche Verlesung
der Jüterboger Vereinbarung zwischen Moritz von Sachsen und Joachim II.
von Brandenburg durch
dessen Hofprediger Johann
Agricola von der Kanzel
der Berliner Schlosskirche schildern und
um nähere Aufklärung hinsichtlich
unklar gebliebener Punkte bitten: 1. Sie
hätten gern eine schriftliche
Ausfer
tigung der Vereinbarung.
2. Es liegt ihnen an einer genauen Definition
des
sen, was Adiaphora
seien. 3. Sie bitten um eine genaue Anweisung, wie die
Krankensalbung zu
vollziehen sei. Gerade dieser Abschnitt mutet satirisch
an und hat auch zu
einer satirischen Erweiterung Anlass gegeben; der
Sach
verhalt
stellt sich jedoch anders dar, wenn man das Anliegen der Berliner
Prediger ernst nimmt, nicht einfach früheres, ehedem mit vermeintlich
guten
theologischen Gründen abgeschafftes altgläubiges Brauchtum wieder
aufzu
nehmen, sondern eine neue, dem Evangelium gemäße Form der
Krankensal
bung zu finden und einzuführen. 4. Die Prediger
erbitten schließlich den Rat
der Wittenberger, wie sie sich dazu verhalten
sollen, dass man gegenüber
dem Kaiser offenbar den irrigen Anschein
erwecken möchte, als akzeptierten
sie das Augsburger Interim in vollem
Umfang.
[k] Der letzte Beschluss zu einer Vermahnung
Die Herausgeber betonen noch einmal, wie schmerzlich Zweifel in
Glaubens
dingen empfunden werden und wie verwerflich deshalb die
Adiaphoristen
handelten, indem sie solche Zweifel säten. Nun
seien aber die Sachverhalte
eindeutig geklärt, und nur Mutwille könne noch
auf der adiaphoristischen
Auffassung und auf dem Leipziger Interim
beharren. Wer ein Schäflein des
Oberhirten Christus sein und bleiben
wolle, halte sich an vier Dinge: 1. Er
bleibe fest bei der Stimme seines
Erzhirten Christus und lasse sich durch
nichts davon abwendig
machen. 2. Er bekenne sich frei und offen zum
Evan
gelium und zur
Augsburgischen Konfession. 3. Er stelle sich darauf ein, zu
Gottes Ehre
und um der Wahrheit willen Verfolgung leiden zu müssen. 4.
Wenn Kreuz,
Verfolgung und Widerwärtigkeiten kommen, halte er fest am
Gebet für sich
selbst und für die Mitchristen. Allgemein rufen die
Herausge
ber zu wahrer Einigkeit unter den Christen auf, wobei sie den
Adiaphoristen
vorwerfen, sich demgegenüber auf die Seite der Feinde des
Evangeliums zu
schlagen. Der Text schließt mit einem Gebet um Gottes
baldiges richtendes
und rettendes Eingreifen.
Die Seite P 3r füllt[l] ein Spottgedicht Niemand auf die Verfechter des
Leipziger Interims.
Nachgewiesen werden kann eine
Ein Vergleich ergibt, dass VD 16 ZV 6352 (vorhanden Bayerische
Staatsbibliothek München: 4 H.ref. 349) sich von VD 16 S 926 lediglich
durch eine fehlende Klammer hinter genennet wirdt auf dem Titelblatt
unterscheidet, ansonsten handelt es sich augenscheinlich um denselben
Satz. Ausgabe:
A: ˜ Der Theologen || bedencken / odder (wie es durch die || ihren inn
offentlichem Druͤck genennet || wirdt) Beschluß des Landtages zu
Leiptzig / so im De= || cember des 48. Jars / von wegen des Auspurgi= ||
schen Jnterims gehalten ist / Welchs be= || dencken odder beschluß wir /
so
da || widder geschrieben / das || Leiptzigsche Jnterim || genennet
haben. ||
Mit einer Vorrede vnd Scho= || lien / was vnd warumb jedes
stuͤck ||
bisher fur vnchristlich dar= || in gestraffet ist. || Durch Nicolaum
Gallum vnd || Matthiam Flacium Illyricum. || Psal:
125. || Die abweichen
auff jhre krumme wege / wirdt der || Herr wegtreiben
mit den
uͤbelthetern / Aber friede sey vber || Jsrael. || 2. Tim: 3.
|| Jhre torheit
wirdt offenbar werden jederman. || 1550. [Kolophon: Gedruckt
zu Mag=
|| deburgk durch Michel ||
Lotther.] [59] Bl. 4° (VD 16 S 926)
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer
Kulturbesitz: 6 an: B.Diez 4 1843; Dm 716
Braunschweig, Stadtbibliothek: C
486(1).4
Coburg, Landesbibliothek: P I 5/34:3
Dresden, Sächsische Landes- und
Universitätsbibliothek: 3.A.9271,angeb.3
Göttingen, Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek: 8 MULERT
507(1); 8 TH IREN 60/16 (11)
Gotha, Forschungsbibliothek: Theol.4
210c(3)
Halle, Universitäts- und Landesbibliothek
Sachsen-Anhalt: Vg 1249
Jena, Thüringer Universitäts- und
Landesbibliothek: 4 Bud.Theol.160(2); 4
Theol.XLIII,4(11)
Leipzig, DNB, Deutsches Schrift- und
Buchmuseum: III:58,3l
Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des
Lutherhauses: Ag 4 245 k; Kn
A 241/1479
München, Bayerische Staatsbibliothek: 4
H.ref. 349 a
München, Bibliothek der
Ludwig-Maximilians-Universität: 4 H.eccl. 3419(2:4
Wien, Österreichische Nationalbibliothek:
20.Dd.1039
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek:
173.3 Quod.(3); 183.20 Theol.(14);
183.28 Theol.(8); 193 Theol.(1); 216.13
Theol.(19); 230.34 Theol.(13);
231.161 Theol.(2); 250.12 Theol.(8); 257
Quod.(9); 455.3 Theol.(10); Alv U
146(2); G 672.4 Helmst.(19)
[benutztes Exemplar]; H 122.4 Helmst.(10); S
215.4 Helmst.(1)
Zwickau, Ratsschulbibliothek: 12.8.11.(6);
8.7.2.(23)
Im Originaldruck wird mit Hilfe einer größeren Zahl graphischer Symbole
auf
die Anmerkungen der Herausgeber verwiesen, in unserer Ausgabe wurden
stattdessen eingeklammerte Großbuchstaben eingesetzt. Im Originaldruck
er
scheinen die Anmerkungen der Herausgeber in etwas kleinerer Type,
in
un
serer Ausgabe haben wir die Zusätze überdies kursiv
gesetzt, zum einen der
deutlicheren Unterscheidbarkeit wegen, zum andern als
Ausdruck der
Be
deutung, die die damaligen Herausgeber ihren
Anmerkungen beigemessen
haben, zum dritten zur Kennzeichnung des
Kommunikationsverlaufs. Im
textkritischen Apparat sind abschnittsweise
Abweichungen gegenüber
ander
weitigen Veröffentlichungen der
einschlägigen dokumentierten Stücke
be
rücksichtigt.
Zur Sigle M vgl. unten Anm. 174, zu Chalybaeus Anm. 461, zu CR 7 Anm.
492.