Historischer Kontext
Situation in den Niederlanden bis zum Jahr 1578
Seit der Schlacht von Heiligerlee am 23. Mai 1568 befanden sich die aufständischen niederländischen Provinzen im offenen Konflikt mit der spanischen Krone. Die Auseinandersetzungen waren von einer Reihe von Initiativen begleitet,
einen Religionsfrieden in den Niederlanden zustande zu bringen, nicht zuletzt als Voraussetzung dafür, eine politische Union zwischen den Provinzen gegen die spanische Krone zu erreichen.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 41. Vgl. zur Publizistik von 1578 Elkan, Entstehung, S. 468.
Alle siebzehn Provinzen schlossen sich 1576 in der Pazifikation von Gent zusammen, die am 30. Oktober vereinbart und am 8. November unterzeichnet wurde. Hierin wurde die vorläufige Wahrung des religiösen Status quo beschlossen:
Holland und Seeland sollten ebenso wie die altgläubigen Provinzen in ihrer Religion, bis eine Entscheidung über die Religionsfrage auf der zeitnah anzuberaumenden Versammlung der Generalstaaten getroffen worden war, unbehelligt bleiben.
Verfolgungen, Verleumdungen und sonstige Übergriffe wegen der Religion wurden verboten und die Häresieverfahren suspendiert (Art. III-IV).Vgl. Schrevel, Recueil 2, S. VI; Parker, Aufstand, S. 211f.; Marnef, Multiconfessionalism, S. 83.
Die Pazifikation war vor allem ein pragmatisches Zugeständnis, um den als größeres Übel betrachteten Bürgerkrieg beizulegen.Zu der Einschätzung auch Ubachs, Religievrede, S. 45. Vgl. zum zeitgenössischen Diskurs um Toleranz und Glaubensfreiheit Lademacher, Freiheit.
Die meisten Mitglieder der Generalstaaten unterzeichneten am 8. Januar 1577 die Union von Brüssel, in der die Umsetzung der Pazifikation von Gent gefordert war.Vgl. Parker, Aufstand, S. 215.
Der neue königliche Generalstatthalter Don Juan de Austria, der uneheliche Bruder Philipps II., stimmte im Ewigen Edikt (12. Februar 1577) der Annahme der Genter Pazifikation zu. Auch die Wahrung des alten Glaubens, die Anerkennung Don Juans,
die Auflösung der Generalstaatenversammlung von 1577 und der Abzug der spanischen Soldaten wurden in dem Edikt geregelt.Vgl. Parker, Aufstand, S. 216; Prims, Religionsvrede, S. 12.
Wilhelm von Oranien sowie die reformatorisch gesinnten Deputierten der Provinzen Holland und Seeland verweigerten gleichwohl dem Ewigen Edikt ihre Zustimmung.Vgl. Parker, Aufstand, S. 216f.; Prims, Religionsvrede, S. 12.
Angesichts der unschlüssigen Haltung der Abgeordneten der Provinzialstaaten und der Frontstellung zu Wilhelm von Oranien entschloss sich Don Juan zur Flucht von Brüssel nach Namur und eröffnete erneut die Kampfhandlungen.
Damit vollzog Don Juan den offenen Bruch mit den Generalstaaten, welche in der Folge am 6. September 1577 Wilhelm von Oranien einluden, mit ihnen über die Regierungsorganisation zu verhandeln.Vgl. Parker, Aufstand, S. 218; Lademacher, Stellung, S. 95.
Doch kurz darauf verkündeten Vertreter der südlichen Niederlande unter Führung Herzog Philipps von Aarschot, den habsburgischen Erzherzog Matthias als neuen königlichen Generalstatthalter annehmen zu wollen, der die Niederlande im Namen Philipps II. regieren sollte.Vgl. Parker, Aufstand, S. 219; Prims, Religionsvrede, S. 32f.
Matthias ließ sich das Amt des Generalstatthalters gegen den Willen des spanischen Königs Philipp II. und ohne Absprache mit seinem Bruder Kaiser Rudolf II. antragen.Vgl. Arndt, Reich, S. 50.
Wilhelm von Oranien, zu diesem Zeitpunkt Statthalter der Provinzen Holland, Seeland, Utrecht und Brabant, gelang es nach kurzer Zeit,
den jungen, politisch unerfahrenen Matthias für sich einzunehmen und dessen Unterstützer politisch gegeneinander auszuspielen.Vgl. Parker, Aufstand, S. 220f.; Elkan, Entstehung, S. 460. Zur Ausschaltung der südniederländischen Adelsopposition vgl. Lademacher, Stellung, S. 104f.
So konnte Wilhelm von Oranien im Zuge der Verhandlungen um die Zweite Union von Brüssel (10. Dezember 1577) durchsetzen, dass die Generalstaaten ihn – unter Druck seiner Anhänger in Brüssel (Prinzenpartei) – zum Stellvertreter von Matthias als Generalstatthalter erklärten sowie zum ständigen ruwaard von BrabantDie Kompetenzen dieses Amtes gingen über diejenigen des Statthalters noch hinaus, da der ruwaard in Brabant unabhängig vom Generalstatthalter handeln konnte (vgl. Mörke, Wilhelm, S. 216).
(8. Januar 1578), womit Wilhelm von Oranien alle Rechte des Landesherrn zustanden. Am 20. Januar 1578 erfolgte die Eidesleistung von Matthias, in der er sich verpflichtete, die Niederlande im Namen Philipps II. mit Wilhelm von Oranien als seinem Stellvertreter zu regieren.
Die von den Generalstaaten bestimmte zentrale Regierung wurde dem neuen Generalstatthalter zur Seite gestellt.Vgl. Parker, Aufstand, S. 221f.; Lademacher, Stellung, S. 96-102. Die Konditionen, unter denen Erzherzog Matthias die Generalstatthalterschaft antrat, finden sich in Schrevel, Recueil 1, S. 107-117, Nr. 107 (neben ein Konzept der Konditionen gelegt: Nr. 106).
Da anschließend Wilhelm von Oranien gemeinsam mit seinen wichtigsten Beratern, darunter Pierre Loyseleur de Villiers und Philipps van Marnix, Baron von Sainte-Aldegonde, in die Zitadelle von Antwerpen übersiedelte, konnte er vor Ort Einfluss auf das Zustandekommen des Religionsfriedens nehmen.Vgl. Prims, Religionsvrede, S. 48; Marnef, Multiconfessionalism, S. 81.
Ab Februar 1578 begannen Reformierte, vor allem aus Gent, altgläubige Städte wie Kortrijk, Brügge, Ypern, Amsterdam, Haarlem und Leeuwarden militärisch zu unterwerfen.
Sie stürzten den altgläubigen Stadtrat, nahmen altgläubige Magistrate und Geistliche fest und wiesen sie aus. Der seit 1567 verbotene reformierte Gottesdienst wurde, von bilderstürmerischen Aktivitäten begleitet, eingeführt.Vgl. Schrevel, Recueil 2, S. X; Parker, Aufstand, S. 225f.; Lademacher, Stellung, S. 106f.
In Gent, Antwerpen und weiteren Städten drängten Reformierte auf die generelle Zulassung von öffentlichen Gottesdiensten.Vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 82.
Zustandekommen und Verabschiedung des Religionsfriedens
In dieser Situation der fortdauernden religiösen Unruhen tagte ab dem 3. Juni 1578 die reformierte Nationalsynode in Dordrecht, auf der vor allem Vertreter aus Holland und Seeland anwesend waren.Vgl. Bremmer, Betekenis, S. 82; Ubachs, Religievrede, S. 45.
In zwei Bittgesuchen – welche auf die Remonstrance aux Etats de Blois
von Philippe Duplessis-Mornay aufbautenVgl. Prims, Religionsvrede, S. 65; Elkan, Entstehung. Eine Diskussion über die Textverantwortlichen findet sich in Bremmer, Betekenis, S. 93-98.
– wandte sich die reformierte Nationalsynode am 22. Juni und am 7. Juli 1578 an Erzherzog Matthias und den Staatsrat,Matthias hatte sich, um als Generalstatthalter angenommen zu werden, verpflichten müssen mit einem Staatsrat zu regieren, der in vielfältiger Hinsicht von den Generalstaaten abhängig war (vgl. Schrevel, Recueil 1, S. 107-117, Nr. 107).
um die Anerkennung bzw. Gleichrangigkeit des reformierten mit dem altgläubigen Kultus zu erreichen.Abdruck der Dokumente in Schrevel, Recueil 1 S. 460-471, Nr. 182; S. 480-482, Nr. 188. Das Dokument vom 22. Juni erschien im Druck als: Supplicatie an sijn Hoocheyt (Juni 1578).
Die zweite Supplikation wurde auch im Druck publiziert: Tvveede supplicatie aen sijne Hoocheyt (Juli 1578).
Beide Texte erschienen auch in einer französischen Fassung (vgl. Prims, Religionsvrede, S. 60, 69).
Dies wurde als das einzige Mittel dargestellt, um den Bürgerkrieg zu beenden, wobei auch die Erfahrungen der Nachbarländer, besonders des Reiches und Frankreichs, angeführt wurden.Vgl. Schrevel, Recueil 1, bes. S. 467f.; S. 470, Nr. 182. Vgl. hierzu auch Marnef, Multiconfessionalism, S. 84.
Die Stellungnahme der Synode beschleunigte das Zustandekommen des Religionsfriedens.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 48; auch Kaplan, Equality, S. 106.
Am 6. Juni richteten die Generalstaaten ein Komitee mit der Aufgabe ein, Vorschläge zur Lösung der religiösen Frage zu erarbeiten.Vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 82; Japikse, Resolutiën 2, S. 436. Wilhelm von Oranien, die treibende Kraft hinter dem Religionsfrieden,Vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 82. Zu Oraniens Denken und seiner religiösen Überzeugung vgl. Lademacher, Bemerkungen, hier bes. S. 20-22.
Für eine knappe Bewertung der Rolle von Erzherzog Matthias vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 83.
schlug gemeinsam mit dem Staatsrat am 9./10. Juni 1578 der Versammlung der Generalstaaten in Antwerpen einen Religionsfrieden vor. Die Generalstaaten lehnten den Vorschlag jedoch mit einer klaren Mehrheit ab.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 45; Marnef, Multiconfessionalism, S. 83. Vgl. hierzu den Brief von Ingelram de Cherff an den Magistrat von Ypern vom 9./10. Juni 1578 in Schrevel, Recueil 1, S. 398-401, Nr. 165.
Erst im Frühjahr 1578 war beschlossen worden, einen erneuten Treueeid auf die Genter Pazifikation zu leisten,Vgl.
Prims, Religievrede, S. 52; Japikse, Resolutiën 2, S. 436. Vgl. das Edikt Philipps II. vom 22. April 1578 zur Einhaltung der Genter Pazifikation in Schrevel, Recueil 1, S. 335-339, Nr. 141.
welche jedoch höchst unterschiedlich ausgelegt wurde: Von altgläubiger Seite wurde sie als Möglichkeit, die eigene Überlegenheit zu wahren, interpretiert, von reformierter Seite hingegen als implizites Zugeständnis von Religionsfreiheit auch in den altgläubigen Provinzen.Vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 83; Prims, Religionsvrede, S. 67.
Von mehreren Seiten mit Anfragen und Vorschlägen überhäuft, formulierte der Staatsrat gemeinsam mit den Generalstaaten am 22. Juni den Entwurf für einen Religionsfridt
.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 46; Gelderen, Thought, S. 217; Schrevel, Recueil 1, S. 448-459, Nr. 181.
Während einige Abgeordnete den Entwurf grundsätzlich ablehnten, brachten andere vor, nicht ausreichend autorisiert zu sein, um in dieser weitreichenden Frage eine Entscheidung zu treffen.Vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 85. Vgl. den Brief von François Nans und Isembart van Provyn an den Magistrat der Vrije vom 6. Juli 1578 und den Bericht von Charles van de Rhyne an den Magistrat von Ypern am 9. Juli 1578 in Schrevel, Recueil 1, S. 483-489.
Am 8. Juli wurde ein Ausschuss aus fünf Abgeordneten gebildet, welche den Religionsfrieden ausarbeiteten,Vgl. Prims, Religionsvrede S. 70f.; Japikse, Resolutiën 2, S. 436.
der dann am 12. Juli in der durch den Staatsrat überarbeiteten Fassung von dem Ratsherrn Pierre de Bevere vor den Staaten zur Beratung verlesen wurde.Vgl. Prims, Religionsvrede, S. 72; Japikse, Resolutiën 2, S. 436.
Dass der Augsburger Religionsfrieden und die französischen Religionsfrieden als Referenz und Orientierung für die niederländische Regelung gedient hatten, wurde in der Präambel aufgegriffen. Auch die deutsche Bezeichnung Religionsfridt
wurde in dem Entwurf des Antwerpener Religionsfriedens verwendet.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 46; auch Marnef, Multiconfessionalism, S. 83, Anm. 23; Bremmer, Betekenis, S. 112.
Der Antwerpener Religionsfrieden schrieb für alle Provinzen und Städte eine Lösung fest, die bis zu einem Konzil gelten sollte: Während die Glaubens- und Gewissensfreiheit dem Einzelnen ohne Einschränkungen gewährt und die Kultusfreiheit bzw. Freiheit der Religionsausübung jedem zumindest zuhause zugestanden wurde, war das Recht zur religiösen Versammlung durch das Mehrheitsprinzip eingeschränkt. Den beiden im Frieden eingeschlossenen Religionen, i.e. der sogenannten reformierten Religion (Religie gepretendeert ghereformeerde) und der alten Religion (oude Religie)Vgl. den [Text des Antwerpener Religionsfriedens](0406#seg2)[, unten S. #, Z. #] sowie [ebd.](0406#seg3)[, unten S. #, Z. #.] Teilweise wurde auch im Religionsfriedenstext die Bezeichnung katholisch-römische Religion (Catholische ende Roomsche Religie, vgl. den [Text des Antwerpener Religionsfriedens](0406#seg1)[, unten S. #, Z. #]) verwandt.,
wurde Gleichheit vor dem Gesetz und der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und Ämtern ohne Beachtung der religiösen Ausrichtung gewährt. Wer unter der Bezeichnung Reformierte
in den Frieden eingeschlossen sein sollte, blieb eine Frage der Auslegung.Vgl. hierzu den [Text des Antwerpener Religionsfriedens](0405#seg1)[, unten S. #, Z. #].
Die Staaten der Provinzen mit religiösen Mehrheiten - in Holland und Seeland die Reformierten, in den habsburgischen südlichen Niederlanden (besonders im Hennegau, Artois und wallonischen Flandern) die Altgläubigen - sperrten sich ebenso wie die Stadt Valenciennes gegen die Annahme des Religionsfriedens.
Sie befürchteten den Verlust von politischem Einfluss und Selbstbestimmungsrechten.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 56; Parker, Aufstand, S. 227; Lademacher, Stellung, S. 107. Vgl. hierzu exemplarisch das Schreiben der Stände des Hennegau an andere altgläubige Provinzen und Städte in Schrevel, Recueil 1, S. 524-529, Nr. 199.
Zugleich fehlte es den Generalstaaten sowie Erzherzog Matthias und dem Staatsrat an der Durchsetzungsmöglichkeit einer übergreifenden Regelung. Der Text, auf den sich die Generalstaaten als Religionsfrieden einigten, war daher nur ein Vorschlag, aber kein rechtsverbindlicher Beschluss, so dass letztlich die Entscheidung über den Religionsfrieden bei den Provinzen und größeren Städten lag.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 54. Zur Machtverlagerung in den Niederlanden zugunsten der städtischen Autoritäten vgl. Gabriëls, Patrizier, S. 39f., 46f.
Unabhängig von der Annahme oder Ablehnung des Friedens sollte jedoch die politische Union zwischen den Provinzen fortbestehen.Vgl. Prims, Religionsvrede, S. 73.
Aufnahme des Religionsfriedens und seine Nachgeschichte
Am 12. Juli 1578 entschieden die Generalstaaten dann über den vom Staatsrat vorgelegten Religionsfriedenstext, wobei Hennegau und Tournai ihren Protest zu Protokoll gaben. Dieser Text wurde ab dem 13. Juli, von Erzherzog Matthias autorisiert, in mehreren handschriftlichen Kopien an die niederländischen Provinzen und die größeren Städte versandt und in den Druck gegeben.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 48; Prims, Religionsvrede, S. 73; Japikse, Resolutiën 2, S. 437. Abdruck in Schrevel, Recueil 1, S. 492-503, Nr. 192.
Die Situation in den Niederlanden veränderte sich durch das Eingreifen der benachbarten Fürsten, um deren Hilfe teilweise bereits seit Jahren geworben worden war, im Sommer/Herbst 1578 grundlegend. Nachdem Herzog Franz von Anjou, der jüngere Bruder des französischen Königs Heinrich III., auf Einladung der altgläubigen Provinzen im Juli 1578 zunächst nach Mons marschiert war, versuchte Wilhelm von Oranien diesen in den Dienst der gesamten Generalstaaten zu stellen, um gegen Don Juan vorzugehen.
Um dem Einfluss Frankreichs in den Niederlanden ein Gegengewicht entgegenzusetzen, unterstützte Elisabeth I. den deutschen Pfalzgrafen Johann Kasimir, der eine Armee gegen Don Juan nach Brabant führte.Vgl. Parker, Aufstand, S. 227f. Die Anwesenheit Johann Kasimirs, seiner Hofprediger sowie eines Teils der Armee in Brüssel im September 1578 beeinflusste die Annahme des Religionsfriedens in der Stadt (vgl. Marnef, Protestantisme, S. 243).
Nach dem Tod Don Juans (1. Oktober 1578) übernahm Alexander Farnese, Herzog von Parma, die Vertretung der königlich-spanischen Interessen.Vgl. Parker, Aufstand, S. 230.
In dieser politischen Gemengelage wurde die Annahme des im Juli formulierten Religionsfriedens ausgehandelt.
Nachdem der Religionsfriedensvorschlag durch eine Mehrheit in der Generalstaaten-Versammlung angenommen worden war, suchten Abgesandte der Generalstaaten die lokalen städtischen Magistrate auf.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 57.
Erzherzog Matthias wandte sich in einer Reihe von Briefen an die Stände der Provinzen und einzelne Städte und Vogteien (u.a. Lille, Douai; Hennegau, Artois), und Wilhelm von Oranien warb, besonders in Gent, für die Annahme des Friedens.Vgl. Schrevel, Recueil 2, S. XIV-XVI; Marnef, Multiconfessionalism, S.
89.
Neben dem Text des Religioens vrede
, wie er von den Generalstaaten beschlossen worden war,Vgl. den hier edierten [Druck 1](0401#druck_1).
kursierten bald verschiedene Provinzialordonnanzen, die auch als Druckfassungen ausgegeben wurden.Beispielsweise für Gent: Ordonnantie ende Edict (Dez. 1578);
für Brüssel: Den religions-vrede (Juni 1579). In Antwerpen wurde, nachdem am 12. Juni 1579 ein neuer Religionsfrieden angenommen worden war, da die Regelung vom 29. August 1578 durch die veränderte religionspolitische Situation in der Stadt hinfällig geworden war (vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 91f.), der Druck einer französischen und niederländischen Ausgabe beauftragt (15. Juni 1579): Religions-Vrede, ou accord de religion (Juni 1579); De Religions-vrede (Juni 1579). Christoffel Plantijn sollte 162 Kopien an die Generalstaaten liefern sowie weitere 200 Exemplare für die militärischen Befehlshaber in Antwerpen (vgl. Voet, Plantin Press, Nr. 1894, 1895).
Zwischen 1578 und 1581 nahmen insgesamt 28 Städte den Religionsfrieden an: Aalst, Antwerpen, Bolsward, Breda, Brügge, Brüssel, Deventer, Dendermonde, Franeker, Gent, Groningen, Haarlem, Harlingen, 's-Hertogenbosch, Kampen, Kortrijk, Leeuwarden, Mechelen, Montfoort, Nimwegen, Oudenaarde, Rhenen, Sneek, Utrecht, Venlo,
Wijk bjj Duurstede, Ypern, Zwolle.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 55; auch Marnef, Multiconfessionalism, S. 89, Anm. 52. Schrevel bietet den Text der Religionsfrieden von Brügge, Gent und Kortrijk (vgl. Schrevel, Recueil 2, S. 320-329, Nr. 380 (Brügge); S. 633-640, Nr. 493 (Gent); S. 678-687, Nr. 517 (Kortrijk)). Zu den Verhandlungen um den Religionsfrieden in den Provinzen und Städten, vor allem in Flandern vgl. Wittman, Gueux, S. 218-225. Zu der lokalen Antwerpener Religionsfriedensregelung vgl. Marnef, Multiconfessionalism, S. 85-94; Prims, Religionsvrede, S. 74-140.
Für die lokale Einführung und Anpassung des Friedens, vgl. exemplarisch 's-Hertogenbosch, wo am 1./13. Oktober 1578 der Religionsfrieden angenommen und den Reformierten zwei Kirchen und zwei Kapellen für die Ausübung ihrer Religion zugesprochen wurden. Erzherzog Matthias und Wilhelm von Oranien unterzeichneten neben Vertretern des Magistrats, der Polizei, der Gilde, des Konsistoriums und einigen Predigern (vgl. Gurp, Reformatie, S. 161-163).
In diesen Städten bestand entweder eine klar reformierte oder altgläubige Mehrheit. Die jeweilige Minderheit befürchtete, dass mit dem Religionsfrieden keine Gleichstellung erreicht würde, sondern eine Diskriminierung, indem beispielsweise entgegen der Erwartungen nur Gotteshäuser außerhalb der Stadtzentren zugewiesen wurden.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 56. Am Beispiel Antwerpens vgl. Marnef, Multiconfessionalism, bes. S. 92-94.
Das Militär agierte als eigenständiger Machtfaktor innerhalb der Städte.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 53f.; Prims, Religionsvrede, S. 51.
Das Zustandekommen des Friedens und seine Annahme wurde durch eine aktive Publikationstätigkeit begleitet, vor allem in den Niederlanden selbst und dem benachbarten Frankreich. Neben den zirkulierenden Drucken des von den Generalstaaten verabschiedeten Textes und der Provinzialordnungen erschien auch eine Reihe von französischen und niederländischen Traktaten, die sich mit dem Religionsfrieden als Lösung für den Bürgerkrieg beschäftigten, die Rolle, welche die Politik bei einem Religionsfrieden spielen könne oder dürfe, diskutierten, aber auch die verschiedenen Friedenslösungen (Genter Pazifikation, Antwerpener Religionsfrieden …) einander gegenüberstellten.Darstellung dieses Diskurses bei Gelderen, Thought, S. 219-225; u.a. [Castellion], Vermaninghe;
Discours contenant le vray entendement; Discours sur la permission; Een vriendlijcke vermaninghe.
Der Religionsfrieden behielt nicht lange Gültigkeit. Eine zweifache Entwicklung führte zu seiner schrittweisen Abschaffung: Einerseits wurde von spanischen Truppen in den eingenommenen Städten eine Rekatholisierungspolitik verfolgt. Andererseits erfolgte eine Umschichtung der religionspolitischen Machtverhältnisse durch die Übernahme der ehemals altgläubigen oder gemischt besetzten Stadträte durch rein reformierte Magistrate.Vgl. Ubachs, Religievrede, S. 57; Gabriëls, Patrizier, S. 39f. Vgl. exemplarisch zu Antwerpen Marnef, Multiconfessionalism, S. 81f. und besonders zur Radikalisierung im städtischen Magistrat ebd., S. 90f.
Der Fehlschlag eines Ausgleichs zwischen Reformierten und Altgläubigen in den Niederlanden, wie er sich erneut im Scheitern der Friedenskonferenz in Köln 1579 zeigte, mündete in die Verfestigung des religiösen Gegensatzes, der in der Union von Arras und der Union von Utrecht seinen Ausdruck fand.Vgl. Lem, Tolerantie, S. 32; Marnef, Multiconfessionalism, S. 93. Im Bündnis- und Unionsabkommen von Utrecht war den einzelnen Provinzen weiterhin zugesichert, in der Religionsfrage nach eigenem Ermessen handeln zu können (vgl. Parker, Aufstand, S. 231).
Unterzeichner und Unterhändler
Unterzeichner
StaatsratDie Zusammensetzung des Staatsrats 1578 sah wie folgt aus: Jan van der Linden und Theodore de Liesvelt (Brabant), Pierre de Bevere und Adolf van Meetkerke (Flandern),
Frederic d'Yve, Maximilian de Hennin, Adrien d'Ongnies, und Charles de Gavre (Hennegau), Philipp von Marnix (Holland und Seeland),
Jean de Bourgogne (Namur) sowie Charles Philippe de Croÿ, Arnold Sasbout und Elbert de Leeuw. Als Sekretäre gehörten Jan van Asseliers und Nicasius de Sille dem Staatsrat an.
Jacques Le Clercq (Lille, Douai, Orchies, Tournai und Umland) hatte im Januar 1578 seine Ernennung verweigert. Das Ratsmitglied Seigneur von Steenbeke (Artois) war im Juni 1578 verstorben.
Neben den regulären Ratsmitgliedern nahmen die Provinzgouverneure und die früheren Amtsinhaber ebenfalls an den Sitzungen des Staatsrats teil (vgl. Pater, De Raad, S. 42, 44; Japikse, Resolutiën 1, S. 153; Japikse, Resolutiën 2, S. 6).
und GeneralstaatenZur Zusammensetzung der Generalstaaten 1578: Jan van der Linden, Jan van der Noot und Jacques Veltacker für die geistlichen Stände in Brabant, Philippe de Croy, Charles de Croy,
Jan van Merode, Philippe van der Meeren, Jean de Witthem, Richard van Merode, Jean de Mol, Gerard de Hornes und Bernard van Merode für den Adel in Brabant,
Roland de Rijcke, Jean Malcote, Pierre van Dyven, Mol, Henri Bloeyman, Roeloff Loquemans, Andries Hessels, Henri van Berchem,
Jean Gilles, Jean van Asseliers, Egidius Martini, Jan van Stralen, Adolf van Blyleven und Rogier van Leefdale für die Brabanter Städte, André de Dynter als Sekretär der Brabanter Stände.
Frederik van Boymer für die Bannerherren von Geldern, Johan van Gent und Otto von Appeltern für das Quartier Nimwegen, Cornelis van Boetbergen für das Quartier Roermond,
Andries Busschen für die Stadt Roermond, Joachim van Lier für das Quartier Zutphen, Carel van Gelder für das Quartier Arnheim. Guillaume Valerius und Bucho van Ayta
für die geistlichen Stände in Flandern, Ponthus de Noyelle, Charles de Ghistelle, Antoine de Lalaing und Jean de Halluin für den Adel in Flandern, Jacques Utenhove,
Gerolf van der Haghen, Gille Wyts, Jacques Yman, Anselmus de Boodt, Jacques Mastaert, Hendrik de Grouff, Gheleyn Kethele, Jacques de Broucqsault,
Gilles d'Aumont, Ingelram du Cherff, Jacques de Hondt, Nicolas Kyndt, Isembart de Provins, Roland de Courteville, Noël de Caron, François Nans,
Hendrik du Bosch, Jean de Tollenaere und Louis Luykx für die vier flämischen Leden. Jean Goulatre und Jean Sarrasin für die geistlichen Stände im Artois,
François d'Ongnies und Antoine d'Assignies für den Adel im Artois, Antoine de Caulers und Antoine Aubron für die Städte im Artois. Jean du Mesny für die geistlichen Stände im Hennegau,
Baudri de Roisin, Lancelot de Peyssant, Louis de Sommaing und Michel de Foruye für den Adel im Hennegau, Jean de Givry für die Städte im Hennegau, Thierry d'Offegnies als Sekretär der Stände des Hennegau.
Antoine Collard und François d'Oultreman für Valenciennes. François de Hennin für die vier hohen Gerichtsherren in Lille, Douai und Orchies, Denis de Guillebert,
Antoine Muyssart und Nicolas de Lelys für die Städte von Lille, Douai und Orchies, Jacques de Hennin für den Adel von Lille, Douai und Orchies,
Jehan de Fontaines als Sekretär der Stände von Lille, Douai und Orchies. Jan van Woerden van Vliet und Dirk de Bye Jorisz. für Holland.
Sebastian van Loosen und Johan van de Warcke für Seeland. Jacques le Clercq, Gérard de Chambge, Pierre Cazier, Guillaume de Corde und Denis de la Chapelle für Tournai.
Jean Houfflin und Barthélemy Liébart für das Umland von Tournai. Floris Heermale für die geistlichen Stände von Utrecht, Frederik uten Eng für den Adel von Utrecht,
Floris Thin, Anwalt der Stände von Utrecht. Guillaume de Merode, Charles de Bouvekercke, Philippe de Marotelles, Josse de Claerout, Jean de Clermes,
Matthieu le Clercq und Baptiste Keermans für Mechelen. Hessel Aysma und Marten van den Nytzem für die Provinz Friesland. Barend van Winssem für die Städte von Overijssel.
Hayo Manningha, Adriaan van Ripperda und Egbert Clant für das Umland von Groningen.
Desweiteren als Schriftführer der Generalstände: Cornelius Weellemans. Als Sekretäre der Generalstände: Adolf van Blyleven und Jean Houfflin sowie Jan van Langen (vgl. Japikse, Resolutiën 2, S. 1-6).
(einzelne Personen werden im Druck nicht benannt) im Namen des Generalstatthalters, Erzherzog Matthias von Österreich.
Unterhändler
Der Ausschuss, der den Religionsfrieden ausarbeitete, bestand aus Jan van der Linden, Abt von Sankt Geertruid in Löwen, Jan van Stralen, Bürgermeister von Antwerpen, Johan van de Warcke, Pensionär von Middelburg, François Nans, Freischöffe in Flandern,
und Jacques Yman, Pensionär von Brügge.Vgl. Japikse, Resolutiën 2, S. 436, weitere Informationen in der Listung S. 1-6. Welche Mitglieder des Staatsrats, den Entwurf für den Religionsfrieden überarbeiteten, wird nicht benannt.
Inhalt
Im Antwerpener Religionsfrieden erfolgt in der Präambel eine Schilderung der Vorgeschichte des Religionsfriedens. Die hieran anschließenden inhaltlichen Artikel klären als erstes Dauer und Umfang der zugestandenen Gewissensfreiheit sowie der Freiheit der Religionsausübung.
Danach folgen die Einzelregelungen zur religiösen Koexistenz. Die Umsetzungsbestimmungen und Garantien für den Frieden bilden die abschließenden Artikel des Antwerpener Religionsfriedens.
Einleitend stellt der Religionsfriedenstext die Ursache des gegenwärtigen Krieges in den Niederlanden heraus: Tyrannische Plakate in Religionssachen und politische Einschränkungen durch die Fremden
(Spanier) haben den Krieg verursacht.
Da der königliche Statthalter den zwischenzeitlich erreichten Frieden (Genter Pazifikation) gebrochen hat, ist nun eine neue Einigung, vor allem hinsichtlich der Religion nötig.
Grundsätzlich legt der Antwerpener Religionsfrieden nach einer allgemeinen Amnestie (Art. 1) fest, dass jeder Einzelne, der einer der beiden Religionen, d.h. der alten Religion und der sogenannten reformierten Religion, angehört, ob geistlichen oder weltlichen Standes,
bis zum Bescheid eines allgemeinen oder nationalen Konzils frei und unbehelligt seine Religion wählen darf (Art. 2).
Die Wiedereinführung der römisch-katholischen Religion in Holland und Seeland (Art. 3) sowie die Zulassung der Religionsausübung der Reformierten (Art. 4) wird abhängig von der Zahl der Haushalte,
die der jeweiligen Religion angehören, gewährt. Der Magistrat soll Plätze für die Religionsausübung zuweisen (Art. 5).
Der Antwerpener Religionsfrieden bestimmt die Zulassung der Religionsausübung im eigenen Haus, wenn sie öffentlich nicht gestattet ist (Art. 6),
den Schutz Geistlicher und ihrer Güter (Art. 9, 10) sowie das für verschiedene Gruppen weiter ausgeführte Verbot von Schmähungen oder Behinderungen gegenüber den zugelassenen Religionen (Art. 7, 8, 11, 12, 13, 23).
Der Zugang zu Schulen, Universitäten, Krankenhäusern und Almosen (Art. 16) sowie zu sämtlichen Ämtern und Stellungen (Art. 19) soll ohne Unterscheidung der Religion erfolgen.
Bezüglich der Eheschließungen (Art. 14, 15) und der Feiertage (Art. 17, 18) soll künftig jeweils das Recht der römisch-katholischen Kirche gelten. Holland und Seeland werden von der Feiertagsregelung ausgenommen.
Allgemeingültige Regeln zur rechtlichen Verfahrenssicherheit sollen Willkür vorbeugen: Die Beachtung der gebräuchlichen Verfahrenswege (Art. 20),
die unmittelbare Überstellung an den Richter (Art. 21) und die Klageführung und Abwicklung (Art. 22) werden geregelt.
Bezüglich der städtischen Regierung wird festgelegt, dass die Aufstellung von Gesetzen und Magistraten ohne Unterscheidung der Religion erfolgen soll (Art. 24).
Die alleinige und umfassende Zuständigkeit von Gesetzen und Magistraten (Art. 25) darf nicht beschränkt oder gestört werden (Art. 26, 28), so dass Gruppierungen wie die Achtzehn aufzulösen sind (Art. 27).
Die Einhaltung des Friedens - für den hochrangige Fürsten als Schutzmacht fungieren (Art. 37) - sollen künftig vier Notabeln oder Schiedsleute überwachen (Art. 29), die jährlich bestimmt werden (Art. 30).
Neben Magistraten müssen sich alle auf den Frieden und zu Gehorsam gegenüber Verordnungen oder Befehlen seiner Hoheit und den Generalstaaten verpflichten (Art. 31, 33, 34).
Als Strafe für Friedensbrecher ist die Ausstoßung und Besitzbeschlagnahmung vorgesehen (Art. 32). Eine Einschränkung der Privilegien und Bräuche der Provinzen soll nicht erfolgen (Art. 35).
Doch behalten sich Seine Hoheit und die Generalstaaten die Interpretation des Friedens sowie künftige Änderungen vor (Art. 36).